Schon die Sendung des Appius Claudius hatte neben der Aufgabe den Krieg diplomatisch zu motiviren den Zweck gehabt die Fürsten und Städte zunächst Syriens gegen den Grosskönig unter die Waffen zu bringen; im Frühling 685 begann der förm- liche Angriff. Während des Winters hatte der König von Kappa- dokien im Stillen für Transportschiffe gesorgt; auf diesen ward der Euphrat überschritten und der Marsch durch die Landschaft Sophene gerades Weges, ohne mit Belagerung der kleineren Ort- schaften Zeit zu verlieren, gerichtet auf Tigranokerta, wohin kurz zuvor auch der Grosskönig aus Syrien zurückgekehrt war, nach- dem er die Verfolgung seiner Eroberungspläne am Mittelmeer wegen der Verwickelung mit den Römern vorläufig vertagt hatte. Eben entwarf er einen Einfall in das römische Kleinasien von Kili- kien und Lykaonien aus und überlegte bei sich, ob die Römer Asien sofort räumen oder vorher noch, etwa bei Ephesos, sich ihm zur Schlacht stellen würden, als ihn der Bote mit der Nachricht von dem Anmarsche Luculls unterbrach. Er liess ihn aufknüpfen, aber lange liess die lästige Wirklichkeit sich nicht verkennen; wo er denn seine Hauptstadt verliess und sich in das innere Armenien begab, um dort, was bis jetzt nicht geschehen war, gegen die Römer zu rüsten. Inzwischen sollte Mithrobarzanes mit den eben zur Verfügung stehenden Truppen in Verbindung mit den schleu- nigst aufgebotenen benachbarten Beduinenstämmen die Römer beschäftigten. Allein das Corps des Mithrobarzanes ward schon von dem römischen Vortrab, die Araber von einem Detachement unter Sextilius zersprengt; und während die sich in den nord- östlich von Tigranokerta gelegenen Bergen (um Bitlis) sam- melnde armenische Hauptmacht durch eine vorgeschobene rö- mische Abtheilung in einer wohlgewählten Stellung unter glück- lichen Gefechten aufgehalten ward, betrieb Lucullus eifrig die Be- lagerung von Tigranokerta. Der nie versiegende Pfeilregen, mit dem die Besatzung das römische Heer überschüttete, und die Anzündung der Belagerungsmaschinen durch Naphtha weihten hier die Römer ein in die neuen Gefahren der iranischen Kriege und der tapfere Commandant Mankaeos behauptete die Stadt, bis endlich die grosse königliche Entsatzarmee aus allen Theilen des weiten Reiches und den angrenzenden den armenischen Werbern offenstehenden Landschaften versammelt und durch die nordöst- lichen Pässe zum Entsatz der Hauptstadt herangerückt war. Der in den Kriegen Mithradats erprobte Führer Taxiles rieth die Schlacht zu vermeiden und die kleine römische Schaar durch die Reiterei zu umstellen und auszuhungern. Allein als der König
FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
Schon die Sendung des Appius Claudius hatte neben der Aufgabe den Krieg diplomatisch zu motiviren den Zweck gehabt die Fürsten und Städte zunächst Syriens gegen den Groſskönig unter die Waffen zu bringen; im Frühling 685 begann der förm- liche Angriff. Während des Winters hatte der König von Kappa- dokien im Stillen für Transportschiffe gesorgt; auf diesen ward der Euphrat überschritten und der Marsch durch die Landschaft Sophene gerades Weges, ohne mit Belagerung der kleineren Ort- schaften Zeit zu verlieren, gerichtet auf Tigranokerta, wohin kurz zuvor auch der Groſskönig aus Syrien zurückgekehrt war, nach- dem er die Verfolgung seiner Eroberungspläne am Mittelmeer wegen der Verwickelung mit den Römern vorläufig vertagt hatte. Eben entwarf er einen Einfall in das römische Kleinasien von Kili- kien und Lykaonien aus und überlegte bei sich, ob die Römer Asien sofort räumen oder vorher noch, etwa bei Ephesos, sich ihm zur Schlacht stellen würden, als ihn der Bote mit der Nachricht von dem Anmarsche Luculls unterbrach. Er lieſs ihn aufknüpfen, aber lange lieſs die lästige Wirklichkeit sich nicht verkennen; wo er denn seine Hauptstadt verlieſs und sich in das innere Armenien begab, um dort, was bis jetzt nicht geschehen war, gegen die Römer zu rüsten. Inzwischen sollte Mithrobarzanes mit den eben zur Verfügung stehenden Truppen in Verbindung mit den schleu- nigst aufgebotenen benachbarten Beduinenstämmen die Römer beschäftigten. Allein das Corps des Mithrobarzanes ward schon von dem römischen Vortrab, die Araber von einem Detachement unter Sextilius zersprengt; und während die sich in den nord- östlich von Tigranokerta gelegenen Bergen (um Bitlis) sam- melnde armenische Hauptmacht durch eine vorgeschobene rö- mische Abtheilung in einer wohlgewählten Stellung unter glück- lichen Gefechten aufgehalten ward, betrieb Lucullus eifrig die Be- lagerung von Tigranokerta. Der nie versiegende Pfeilregen, mit dem die Besatzung das römische Heer überschüttete, und die Anzündung der Belagerungsmaschinen durch Naphtha weihten hier die Römer ein in die neuen Gefahren der iranischen Kriege und der tapfere Commandant Mankaeos behauptete die Stadt, bis endlich die groſse königliche Entsatzarmee aus allen Theilen des weiten Reiches und den angrenzenden den armenischen Werbern offenstehenden Landschaften versammelt und durch die nordöst- lichen Pässe zum Entsatz der Hauptstadt herangerückt war. Der in den Kriegen Mithradats erprobte Führer Taxiles rieth die Schlacht zu vermeiden und die kleine römische Schaar durch die Reiterei zu umstellen und auszuhungern. Allein als der König
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0070"n="60"/><fwplace="top"type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.</fw><lb/><p>Schon die Sendung des Appius Claudius hatte neben der<lb/>
Aufgabe den Krieg diplomatisch zu motiviren den Zweck gehabt<lb/>
die Fürsten und Städte zunächst Syriens gegen den Groſskönig<lb/>
unter die Waffen zu bringen; im Frühling 685 begann der förm-<lb/>
liche Angriff. Während des Winters hatte der König von Kappa-<lb/>
dokien im Stillen für Transportschiffe gesorgt; auf diesen ward<lb/>
der Euphrat überschritten und der Marsch durch die Landschaft<lb/>
Sophene gerades Weges, ohne mit Belagerung der kleineren Ort-<lb/>
schaften Zeit zu verlieren, gerichtet auf Tigranokerta, wohin kurz<lb/>
zuvor auch der Groſskönig aus Syrien zurückgekehrt war, nach-<lb/>
dem er die Verfolgung seiner Eroberungspläne am Mittelmeer<lb/>
wegen der Verwickelung mit den Römern vorläufig vertagt hatte.<lb/>
Eben entwarf er einen Einfall in das römische Kleinasien von Kili-<lb/>
kien und Lykaonien aus und überlegte bei sich, ob die Römer Asien<lb/>
sofort räumen oder vorher noch, etwa bei Ephesos, sich ihm zur<lb/>
Schlacht stellen würden, als ihn der Bote mit der Nachricht von<lb/>
dem Anmarsche Luculls unterbrach. Er lieſs ihn aufknüpfen, aber<lb/>
lange lieſs die lästige Wirklichkeit sich nicht verkennen; wo er<lb/>
denn seine Hauptstadt verlieſs und sich in das innere Armenien<lb/>
begab, um dort, was bis jetzt nicht geschehen war, gegen die<lb/>
Römer zu rüsten. Inzwischen sollte Mithrobarzanes mit den eben<lb/>
zur Verfügung stehenden Truppen in Verbindung mit den schleu-<lb/>
nigst aufgebotenen benachbarten Beduinenstämmen die Römer<lb/>
beschäftigten. Allein das Corps des Mithrobarzanes ward schon<lb/>
von dem römischen Vortrab, die Araber von einem Detachement<lb/>
unter Sextilius zersprengt; und während die sich in den nord-<lb/>
östlich von Tigranokerta gelegenen Bergen (um Bitlis) sam-<lb/>
melnde armenische Hauptmacht durch eine vorgeschobene rö-<lb/>
mische Abtheilung in einer wohlgewählten Stellung unter glück-<lb/>
lichen Gefechten aufgehalten ward, betrieb Lucullus eifrig die Be-<lb/>
lagerung von Tigranokerta. Der nie versiegende Pfeilregen, mit<lb/>
dem die Besatzung das römische Heer überschüttete, und die<lb/>
Anzündung der Belagerungsmaschinen durch Naphtha weihten<lb/>
hier die Römer ein in die neuen Gefahren der iranischen Kriege<lb/>
und der tapfere Commandant Mankaeos behauptete die Stadt, bis<lb/>
endlich die groſse königliche Entsatzarmee aus allen Theilen des<lb/>
weiten Reiches und den angrenzenden den armenischen Werbern<lb/>
offenstehenden Landschaften versammelt und durch die nordöst-<lb/>
lichen Pässe zum Entsatz der Hauptstadt herangerückt war. Der<lb/>
in den Kriegen Mithradats erprobte Führer Taxiles rieth die<lb/>
Schlacht zu vermeiden und die kleine römische Schaar durch die<lb/>
Reiterei zu umstellen und auszuhungern. Allein als der König<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[60/0070]
FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
Schon die Sendung des Appius Claudius hatte neben der
Aufgabe den Krieg diplomatisch zu motiviren den Zweck gehabt
die Fürsten und Städte zunächst Syriens gegen den Groſskönig
unter die Waffen zu bringen; im Frühling 685 begann der förm-
liche Angriff. Während des Winters hatte der König von Kappa-
dokien im Stillen für Transportschiffe gesorgt; auf diesen ward
der Euphrat überschritten und der Marsch durch die Landschaft
Sophene gerades Weges, ohne mit Belagerung der kleineren Ort-
schaften Zeit zu verlieren, gerichtet auf Tigranokerta, wohin kurz
zuvor auch der Groſskönig aus Syrien zurückgekehrt war, nach-
dem er die Verfolgung seiner Eroberungspläne am Mittelmeer
wegen der Verwickelung mit den Römern vorläufig vertagt hatte.
Eben entwarf er einen Einfall in das römische Kleinasien von Kili-
kien und Lykaonien aus und überlegte bei sich, ob die Römer Asien
sofort räumen oder vorher noch, etwa bei Ephesos, sich ihm zur
Schlacht stellen würden, als ihn der Bote mit der Nachricht von
dem Anmarsche Luculls unterbrach. Er lieſs ihn aufknüpfen, aber
lange lieſs die lästige Wirklichkeit sich nicht verkennen; wo er
denn seine Hauptstadt verlieſs und sich in das innere Armenien
begab, um dort, was bis jetzt nicht geschehen war, gegen die
Römer zu rüsten. Inzwischen sollte Mithrobarzanes mit den eben
zur Verfügung stehenden Truppen in Verbindung mit den schleu-
nigst aufgebotenen benachbarten Beduinenstämmen die Römer
beschäftigten. Allein das Corps des Mithrobarzanes ward schon
von dem römischen Vortrab, die Araber von einem Detachement
unter Sextilius zersprengt; und während die sich in den nord-
östlich von Tigranokerta gelegenen Bergen (um Bitlis) sam-
melnde armenische Hauptmacht durch eine vorgeschobene rö-
mische Abtheilung in einer wohlgewählten Stellung unter glück-
lichen Gefechten aufgehalten ward, betrieb Lucullus eifrig die Be-
lagerung von Tigranokerta. Der nie versiegende Pfeilregen, mit
dem die Besatzung das römische Heer überschüttete, und die
Anzündung der Belagerungsmaschinen durch Naphtha weihten
hier die Römer ein in die neuen Gefahren der iranischen Kriege
und der tapfere Commandant Mankaeos behauptete die Stadt, bis
endlich die groſse königliche Entsatzarmee aus allen Theilen des
weiten Reiches und den angrenzenden den armenischen Werbern
offenstehenden Landschaften versammelt und durch die nordöst-
lichen Pässe zum Entsatz der Hauptstadt herangerückt war. Der
in den Kriegen Mithradats erprobte Führer Taxiles rieth die
Schlacht zu vermeiden und die kleine römische Schaar durch die
Reiterei zu umstellen und auszuhungern. Allein als der König
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/70>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.