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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
nach Rom gegangen, um römische Intervention in Syrien und
nebenbei auch die Anerkennung ihrer Erbansprüche auf Aegyp-
ten zu erlangen. Die letztere Anforderung konnte freilich nicht
gewährt werden; aber der Augenblick wie die Veranlassung lies-
sen sich nicht günstiger finden um den längst nothwendigen
Krieg gegen Tigranes zu beginnen. Allein der Senat hatte die
Prinzen wohl als die rechtmässigen Könige Syriens anerkannt,
aber sich nicht entschliessen können die bewaffnete Intervention
zu verfügen. Wenn die günstige Gelegenheit benutzt und gegen
Armenien Ernst gemacht werden sollte, so konnte dies nur da-
durch geschehen, dass Lucullus sich entschloss den Krieg dem
Senat über den Kopf zu nehmen; auch er sah sich eben wie Sulla
in die Nothwendigkeit versetzt, was er im offenbarsten Interesse
der bestehenden Regierung that, nicht mit ihr, sondern ihr zum
Trotz ins Werk zu setzen. Erleichtert ward ihm der Entschluss
durch die seit langem bestehenden unklar zwischen Krieg und Frie-
den schwankenden Verhältnisse Roms zu Armenien, durch welche
die Eigenmächtigkeit seines Verfahrens einigermassen bedeckt ward.
An formellen Kriegsgründen war kein Mangel; die kappadokischen
und syrischen Zustände boten Anlässe genug und es hatten auch
schon bei der Verfolgung des pontischen Königs römische Trup-
pen das Gebiet des Grosskönigs verletzt. Da indess Lucullus Auf-
trag nur ging auf Führung des Krieges gegen Mithradates, so zog
er es vor einen seiner Offiziere Appius Claudius an den Gross-
könig nach Antiochien zu senden, um Mithradates Auslieferung
zu fordern, was denn freilich zum Kriege führen musste. Der
Entschluss war ernst, zumal bei der Beschaffenheit der römischen
Armee. Es war unvermeidlich während des Feldzugs in Arme-
nien das ausgedehnte pontische Gebiet stark besetzt zu halten, da
sonst dem in Armenien stehenden Heer die Verbindung mit der
Heimath verloren ging und überdiess ein Einfall Mithradats in
sein ehemaliges Reich leicht vorherzusehen war. Offenbar reichte
die Armee, an deren Spitze Lucullus den mithradatischen Krieg
beendigt hatte, von beiläufig 30000 Mann für diese verdoppelte
Aufgabe nicht aus. Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde der
Feldherr von seiner Regierung die Nachsendung einer zweiten
Armee erbeten und erhalten haben; allein da Lucullus den Krieg
der Regierung über den Kopf nehmen wollte und gewissermassen
musste, sah er sich genöthigt hierauf zu verzichten und, ob er
gleich selbst die gefangenen thrakischen Söldner des pontischen
Königs seinen Truppen einreihte, dennoch mit nicht mehr als
zwei Legionen oder höchstens 15000 Mann den Krieg am rech-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
nach Rom gegangen, um römische Intervention in Syrien und
nebenbei auch die Anerkennung ihrer Erbansprüche auf Aegyp-
ten zu erlangen. Die letztere Anforderung konnte freilich nicht
gewährt werden; aber der Augenblick wie die Veranlassung lies-
sen sich nicht günstiger finden um den längst nothwendigen
Krieg gegen Tigranes zu beginnen. Allein der Senat hatte die
Prinzen wohl als die rechtmäſsigen Könige Syriens anerkannt,
aber sich nicht entschlieſsen können die bewaffnete Intervention
zu verfügen. Wenn die günstige Gelegenheit benutzt und gegen
Armenien Ernst gemacht werden sollte, so konnte dies nur da-
durch geschehen, daſs Lucullus sich entschloſs den Krieg dem
Senat über den Kopf zu nehmen; auch er sah sich eben wie Sulla
in die Nothwendigkeit versetzt, was er im offenbarsten Interesse
der bestehenden Regierung that, nicht mit ihr, sondern ihr zum
Trotz ins Werk zu setzen. Erleichtert ward ihm der Entschluſs
durch die seit langem bestehenden unklar zwischen Krieg und Frie-
den schwankenden Verhältnisse Roms zu Armenien, durch welche
die Eigenmächtigkeit seines Verfahrens einigermaſsen bedeckt ward.
An formellen Kriegsgründen war kein Mangel; die kappadokischen
und syrischen Zustände boten Anlässe genug und es hatten auch
schon bei der Verfolgung des pontischen Königs römische Trup-
pen das Gebiet des Groſskönigs verletzt. Da indeſs Lucullus Auf-
trag nur ging auf Führung des Krieges gegen Mithradates, so zog
er es vor einen seiner Offiziere Appius Claudius an den Groſs-
könig nach Antiochien zu senden, um Mithradates Auslieferung
zu fordern, was denn freilich zum Kriege führen muſste. Der
Entschluſs war ernst, zumal bei der Beschaffenheit der römischen
Armee. Es war unvermeidlich während des Feldzugs in Arme-
nien das ausgedehnte pontische Gebiet stark besetzt zu halten, da
sonst dem in Armenien stehenden Heer die Verbindung mit der
Heimath verloren ging und überdieſs ein Einfall Mithradats in
sein ehemaliges Reich leicht vorherzusehen war. Offenbar reichte
die Armee, an deren Spitze Lucullus den mithradatischen Krieg
beendigt hatte, von beiläufig 30000 Mann für diese verdoppelte
Aufgabe nicht aus. Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde der
Feldherr von seiner Regierung die Nachsendung einer zweiten
Armee erbeten und erhalten haben; allein da Lucullus den Krieg
der Regierung über den Kopf nehmen wollte und gewissermaſsen
muſste, sah er sich genöthigt hierauf zu verzichten und, ob er
gleich selbst die gefangenen thrakischen Söldner des pontischen
Königs seinen Truppen einreihte, dennoch mit nicht mehr als
zwei Legionen oder höchstens 15000 Mann den Krieg am rech-

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[58/0068] FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. nach Rom gegangen, um römische Intervention in Syrien und nebenbei auch die Anerkennung ihrer Erbansprüche auf Aegyp- ten zu erlangen. Die letztere Anforderung konnte freilich nicht gewährt werden; aber der Augenblick wie die Veranlassung lies- sen sich nicht günstiger finden um den längst nothwendigen Krieg gegen Tigranes zu beginnen. Allein der Senat hatte die Prinzen wohl als die rechtmäſsigen Könige Syriens anerkannt, aber sich nicht entschlieſsen können die bewaffnete Intervention zu verfügen. Wenn die günstige Gelegenheit benutzt und gegen Armenien Ernst gemacht werden sollte, so konnte dies nur da- durch geschehen, daſs Lucullus sich entschloſs den Krieg dem Senat über den Kopf zu nehmen; auch er sah sich eben wie Sulla in die Nothwendigkeit versetzt, was er im offenbarsten Interesse der bestehenden Regierung that, nicht mit ihr, sondern ihr zum Trotz ins Werk zu setzen. Erleichtert ward ihm der Entschluſs durch die seit langem bestehenden unklar zwischen Krieg und Frie- den schwankenden Verhältnisse Roms zu Armenien, durch welche die Eigenmächtigkeit seines Verfahrens einigermaſsen bedeckt ward. An formellen Kriegsgründen war kein Mangel; die kappadokischen und syrischen Zustände boten Anlässe genug und es hatten auch schon bei der Verfolgung des pontischen Königs römische Trup- pen das Gebiet des Groſskönigs verletzt. Da indeſs Lucullus Auf- trag nur ging auf Führung des Krieges gegen Mithradates, so zog er es vor einen seiner Offiziere Appius Claudius an den Groſs- könig nach Antiochien zu senden, um Mithradates Auslieferung zu fordern, was denn freilich zum Kriege führen muſste. Der Entschluſs war ernst, zumal bei der Beschaffenheit der römischen Armee. Es war unvermeidlich während des Feldzugs in Arme- nien das ausgedehnte pontische Gebiet stark besetzt zu halten, da sonst dem in Armenien stehenden Heer die Verbindung mit der Heimath verloren ging und überdieſs ein Einfall Mithradats in sein ehemaliges Reich leicht vorherzusehen war. Offenbar reichte die Armee, an deren Spitze Lucullus den mithradatischen Krieg beendigt hatte, von beiläufig 30000 Mann für diese verdoppelte Aufgabe nicht aus. Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde der Feldherr von seiner Regierung die Nachsendung einer zweiten Armee erbeten und erhalten haben; allein da Lucullus den Krieg der Regierung über den Kopf nehmen wollte und gewissermaſsen muſste, sah er sich genöthigt hierauf zu verzichten und, ob er gleich selbst die gefangenen thrakischen Söldner des pontischen Königs seinen Truppen einreihte, dennoch mit nicht mehr als zwei Legionen oder höchstens 15000 Mann den Krieg am rech-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/68>, abgerufen am 24.11.2024.