Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. schaften des Reiches, welche der Einwirkung Italiens und demAssimilationsprozess noch ferner standen, beschränkte Caesar sich darauf einzelne Brennpuncte für die italische Civilisation zu gründen, wie dies bisher in Gallien Narbo gewesen war, um durch sie die künftige vollständige Ausgleichung vorzubereiten. Solche Anfänge lassen, mit Ausnahme der ärmsten und gering- sten von allen, der sardinischen, in sämmtlichen Provinzen des Reiches sich nachweisen. Wie Caesar im nördlichen Gallien ver- fuhr, ward schon dargelegt (S. 270); die lateinische Sprache er- hielt hier, wenn auch noch nicht für alle Zweige des öffentlichen Verkehrs, durchgängig officielle Geltung und es entstand am Le- mansee als die nördlichste Stadt italischer Verfassung die Colonie Noviodunum (Nyon). -- In Spanien, vermuthlich damals der am dichtesten bevölkerten Landschaft des römischen Reiches, wur- den, so viel wir sehen, allein in der wichtigen hellenisch-iberi- schen Hafenstadt Emporiae neben der alten Bevölkerung caesa- rische Colonisten angesiedelt. Die alte und reiche Kaufstadt Gades, deren Municipalwesen Caesar schon als Praetor zeitgemäss umge- staltet hatte, erhielt jetzt von dem Imperator das volle Recht der italischen Municipien (705) und wurde, was in Italien Tusculum gewesen war (I, 223), die erste ausseritalische nicht von Rom gegründete Gemeinde, die in den römischen Bürgerverband ein- trat. Einige Jahre nachher (709) wurde das gleiche Recht auch einigen anderen spanischen Gemeinden und vermuthlich noch mehreren das latinische Recht zu Theil. -- In Africa wurde, was Gaius Gracchus nicht hatte zu Ende führen sollen, jetzt ins Werk gesetzt und an derjenigen Stätte, wo die Stadt der Erb- feinde Roms gestanden, 3000 italische Colonisten und eine grosse Anzahl der im karthagischen Gebiet ansässigen Pacht- und Bitt- besitzer angesiedelt; zum Erstaunen rasch wuchs unter den un- vergleichlich günstigen Localverhältnissen die neue ,Venuscolo- nie', das römische Karthago wieder empor. Utica, bis dahin die Haupt- und erste Handelsstadt der Provinz, war schon im Vor- weg, es scheint durch Ertheilung des latinischen Rechts, für die Wiedererweckung seines überlegenen Concurrenten einigermassen entschädigt worden. In dem neu zum Reiche gefügten numidi- schen Gebiet erhielten das wichtige Cirta und die übrigen dem römischen Condottier Publius Sittius für sich und die Seinigen überwiesenen Gemeinden (S. 425) das Recht römischer Militär- colonien. Die stattlichen Provinzialstädte freilich, die das wahn- sinnige Wüthen Jubas und der verzweifelnden Reste der Verfas- sungspartei in Schutthaufen verwandelt hatte, erhoben sich nicht REPUBLIK UND MONARCHIE. schaften des Reiches, welche der Einwirkung Italiens und demAssimilationsprozeſs noch ferner standen, beschränkte Caesar sich darauf einzelne Brennpuncte für die italische Civilisation zu gründen, wie dies bisher in Gallien Narbo gewesen war, um durch sie die künftige vollständige Ausgleichung vorzubereiten. Solche Anfänge lassen, mit Ausnahme der ärmsten und gering- sten von allen, der sardinischen, in sämmtlichen Provinzen des Reiches sich nachweisen. Wie Caesar im nördlichen Gallien ver- fuhr, ward schon dargelegt (S. 270); die lateinische Sprache er- hielt hier, wenn auch noch nicht für alle Zweige des öffentlichen Verkehrs, durchgängig officielle Geltung und es entstand am Le- mansee als die nördlichste Stadt italischer Verfassung die Colonie Noviodunum (Nyon). — In Spanien, vermuthlich damals der am dichtesten bevölkerten Landschaft des römischen Reiches, wur- den, so viel wir sehen, allein in der wichtigen hellenisch-iberi- schen Hafenstadt Emporiae neben der alten Bevölkerung caesa- rische Colonisten angesiedelt. Die alte und reiche Kaufstadt Gades, deren Municipalwesen Caesar schon als Praetor zeitgemäſs umge- staltet hatte, erhielt jetzt von dem Imperator das volle Recht der italischen Municipien (705) und wurde, was in Italien Tusculum gewesen war (I, 223), die erste auſseritalische nicht von Rom gegründete Gemeinde, die in den römischen Bürgerverband ein- trat. Einige Jahre nachher (709) wurde das gleiche Recht auch einigen anderen spanischen Gemeinden und vermuthlich noch mehreren das latinische Recht zu Theil. — In Africa wurde, was Gaius Gracchus nicht hatte zu Ende führen sollen, jetzt ins Werk gesetzt und an derjenigen Stätte, wo die Stadt der Erb- feinde Roms gestanden, 3000 italische Colonisten und eine groſse Anzahl der im karthagischen Gebiet ansässigen Pacht- und Bitt- besitzer angesiedelt; zum Erstaunen rasch wuchs unter den un- vergleichlich günstigen Localverhältnissen die neue ‚Venuscolo- nie', das römische Karthago wieder empor. Utica, bis dahin die Haupt- und erste Handelsstadt der Provinz, war schon im Vor- weg, es scheint durch Ertheilung des latinischen Rechts, für die Wiedererweckung seines überlegenen Concurrenten einigermaſsen entschädigt worden. In dem neu zum Reiche gefügten numidi- schen Gebiet erhielten das wichtige Cirta und die übrigen dem römischen Condottier Publius Sittius für sich und die Seinigen überwiesenen Gemeinden (S. 425) das Recht römischer Militär- colonien. Die stattlichen Provinzialstädte freilich, die das wahn- sinnige Wüthen Jubas und der verzweifelnden Reste der Verfas- sungspartei in Schutthaufen verwandelt hatte, erhoben sich nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0521" n="511"/><fw type="header" place="top">REPUBLIK UND MONARCHIE.</fw><lb/> schaften des Reiches, welche der Einwirkung Italiens und dem<lb/> Assimilationsprozeſs noch ferner standen, beschränkte Caesar<lb/> sich darauf einzelne Brennpuncte für die italische Civilisation<lb/> zu gründen, wie dies bisher in Gallien Narbo gewesen war, um<lb/> durch sie die künftige vollständige Ausgleichung vorzubereiten.<lb/> Solche Anfänge lassen, mit Ausnahme der ärmsten und gering-<lb/> sten von allen, der sardinischen, in sämmtlichen Provinzen des<lb/> Reiches sich nachweisen. Wie Caesar im nördlichen Gallien ver-<lb/> fuhr, ward schon dargelegt (S. 270); die lateinische Sprache er-<lb/> hielt hier, wenn auch noch nicht für alle Zweige des öffentlichen<lb/> Verkehrs, durchgängig officielle Geltung und es entstand am Le-<lb/> mansee als die nördlichste Stadt italischer Verfassung die Colonie<lb/> Noviodunum (Nyon). — In Spanien, vermuthlich damals der am<lb/> dichtesten bevölkerten Landschaft des römischen Reiches, wur-<lb/> den, so viel wir sehen, allein in der wichtigen hellenisch-iberi-<lb/> schen Hafenstadt Emporiae neben der alten Bevölkerung caesa-<lb/> rische Colonisten angesiedelt. 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Einige Jahre nachher (709) wurde das gleiche Recht auch<lb/> einigen anderen spanischen Gemeinden und vermuthlich noch<lb/> mehreren das latinische Recht zu Theil. — In Africa wurde,<lb/> was Gaius Gracchus nicht hatte zu Ende führen sollen, jetzt ins<lb/> Werk gesetzt und an derjenigen Stätte, wo die Stadt der Erb-<lb/> feinde Roms gestanden, 3000 italische Colonisten und eine groſse<lb/> Anzahl der im karthagischen Gebiet ansässigen Pacht- und Bitt-<lb/> besitzer angesiedelt; zum Erstaunen rasch wuchs unter den un-<lb/> vergleichlich günstigen Localverhältnissen die neue ‚Venuscolo-<lb/> nie', das römische Karthago wieder empor. Utica, bis dahin die<lb/> Haupt- und erste Handelsstadt der Provinz, war schon im Vor-<lb/> weg, es scheint durch Ertheilung des latinischen Rechts, für die<lb/> Wiedererweckung seines überlegenen Concurrenten einigermaſsen<lb/> entschädigt worden. 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REPUBLIK UND MONARCHIE.
schaften des Reiches, welche der Einwirkung Italiens und dem
Assimilationsprozeſs noch ferner standen, beschränkte Caesar
sich darauf einzelne Brennpuncte für die italische Civilisation
zu gründen, wie dies bisher in Gallien Narbo gewesen war, um
durch sie die künftige vollständige Ausgleichung vorzubereiten.
Solche Anfänge lassen, mit Ausnahme der ärmsten und gering-
sten von allen, der sardinischen, in sämmtlichen Provinzen des
Reiches sich nachweisen. Wie Caesar im nördlichen Gallien ver-
fuhr, ward schon dargelegt (S. 270); die lateinische Sprache er-
hielt hier, wenn auch noch nicht für alle Zweige des öffentlichen
Verkehrs, durchgängig officielle Geltung und es entstand am Le-
mansee als die nördlichste Stadt italischer Verfassung die Colonie
Noviodunum (Nyon). — In Spanien, vermuthlich damals der am
dichtesten bevölkerten Landschaft des römischen Reiches, wur-
den, so viel wir sehen, allein in der wichtigen hellenisch-iberi-
schen Hafenstadt Emporiae neben der alten Bevölkerung caesa-
rische Colonisten angesiedelt. Die alte und reiche Kaufstadt Gades,
deren Municipalwesen Caesar schon als Praetor zeitgemäſs umge-
staltet hatte, erhielt jetzt von dem Imperator das volle Recht der
italischen Municipien (705) und wurde, was in Italien Tusculum
gewesen war (I, 223), die erste auſseritalische nicht von Rom
gegründete Gemeinde, die in den römischen Bürgerverband ein-
trat. Einige Jahre nachher (709) wurde das gleiche Recht auch
einigen anderen spanischen Gemeinden und vermuthlich noch
mehreren das latinische Recht zu Theil. — In Africa wurde,
was Gaius Gracchus nicht hatte zu Ende führen sollen, jetzt ins
Werk gesetzt und an derjenigen Stätte, wo die Stadt der Erb-
feinde Roms gestanden, 3000 italische Colonisten und eine groſse
Anzahl der im karthagischen Gebiet ansässigen Pacht- und Bitt-
besitzer angesiedelt; zum Erstaunen rasch wuchs unter den un-
vergleichlich günstigen Localverhältnissen die neue ‚Venuscolo-
nie', das römische Karthago wieder empor. Utica, bis dahin die
Haupt- und erste Handelsstadt der Provinz, war schon im Vor-
weg, es scheint durch Ertheilung des latinischen Rechts, für die
Wiedererweckung seines überlegenen Concurrenten einigermaſsen
entschädigt worden. In dem neu zum Reiche gefügten numidi-
schen Gebiet erhielten das wichtige Cirta und die übrigen dem
römischen Condottier Publius Sittius für sich und die Seinigen
überwiesenen Gemeinden (S. 425) das Recht römischer Militär-
colonien. Die stattlichen Provinzialstädte freilich, die das wahn-
sinnige Wüthen Jubas und der verzweifelnden Reste der Verfas-
sungspartei in Schutthaufen verwandelt hatte, erhoben sich nicht
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