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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
welche die Natur nicht so sehr zum Nachbarland Italiens bestimmt
hat als zu der schönsten seiner Landschaften, unter Beibehaltung
ihrer hellenischen Nationalität ähnlich wie Neapolis und Rhegion
in den italischen Gemeindeverband einzufügen. -- Dagegen das
römische Wesen ward durch Colonisirung wie durch Latinisirung
nach allen Kräften und an den verschiedensten Puncten des Rei-
ches von der Regierung gehoben. Der zwar gewaltsame, aber
um freie Hand gegen die zur Vernichtung bestimmten Nationen
zu haben unumgänglich nothwendige Satz, dass an allem nicht
durch besonderen Act der Regierung an Gemeinden und Private
abgetretenen Grund und Boden in den Provinzen der Staat das
Eigenthum, der zeitige Inhaber nur einen geduldeten und jeder-
zeit widerruflichen Erbbesitz habe, wurde auch von Caesar fest-
gehalten und durch ihn aus einer demokratischen Parteitheorie
zu einem Fundamentalprincip des monarchischen Rechts erho-
ben. In erster Linie kam für die Ausbreitung der römischen
Nationalität natürlich Gallien in Frage. Gallien diesseit der Alpen
erhielt durch die längst von der Demokratie verheissene (S. 4.
152) und nun (705) von Caesar verwirklichte Aufnahme der
transpadanischen Gemeinden in den römischen Bürgerverband
durchgängig, was ein grosser Theil der Gemeinden daselbst längst
gehabt: politische Gleichberechtigung mit dem Hauptland. That-
sächlich hatte sich diese Provinz in den vierzig Jahren, die seit
Ertheilung des Latinerrechts verflossen waren, bereits vollstän-
dig latinisirt. Die Exclusiven mochten spotten über den breiten
und gurgelnden Accent des Keltenlateins und ein ,ich weiss nicht
was von hauptstädtischer Anmuth' bei dem Insubrer und Ve-
neter vermissen, der sich als Caesars Legionar mit dem Schwert
einen Platz auf dem römischen Markt und sogar in der römi-
schen Curie erobert hatte. Nichtsdestoweniger war das cisalpi-
nische Gallien mit seiner dichten vorwiegend bauerschaftlichen
Bevölkerung schon vor Caesar der Sache nach eine italische
Landschaft und blieb Jahrhunderte lang der rechte Zufluchts-
ort italischer Sitte und italischer Bildung; wie denn die Leh-
rer der latinischen Litteratur nirgends sonst ausserhalb der
Hauptstadt so vielen Zuspruch und Anklang fanden. Wenn also
das cisalpinische Gallien wesentlich in Italien aufging, so rückte
zugleich an die Stelle, die es bisher eingenommen hatte, die alte
transalpinische Provinz ein, die ja durch Caesars Eroberungen
aus einer Grenz- in eine Binnenprovinz umgewandelt worden
war und die durch ihre Nähe wie durch ihr Klima vor allen an-
dern Gebieten sich dazu eignete mit der Zeit gleichfalls eine ita-

REPUBLIK UND MONARCHIE.
welche die Natur nicht so sehr zum Nachbarland Italiens bestimmt
hat als zu der schönsten seiner Landschaften, unter Beibehaltung
ihrer hellenischen Nationalität ähnlich wie Neapolis und Rhegion
in den italischen Gemeindeverband einzufügen. — Dagegen das
römische Wesen ward durch Colonisirung wie durch Latinisirung
nach allen Kräften und an den verschiedensten Puncten des Rei-
ches von der Regierung gehoben. Der zwar gewaltsame, aber
um freie Hand gegen die zur Vernichtung bestimmten Nationen
zu haben unumgänglich nothwendige Satz, daſs an allem nicht
durch besonderen Act der Regierung an Gemeinden und Private
abgetretenen Grund und Boden in den Provinzen der Staat das
Eigenthum, der zeitige Inhaber nur einen geduldeten und jeder-
zeit widerruflichen Erbbesitz habe, wurde auch von Caesar fest-
gehalten und durch ihn aus einer demokratischen Parteitheorie
zu einem Fundamentalprincip des monarchischen Rechts erho-
ben. In erster Linie kam für die Ausbreitung der römischen
Nationalität natürlich Gallien in Frage. Gallien diesseit der Alpen
erhielt durch die längst von der Demokratie verheiſsene (S. 4.
152) und nun (705) von Caesar verwirklichte Aufnahme der
transpadanischen Gemeinden in den römischen Bürgerverband
durchgängig, was ein groſser Theil der Gemeinden daselbst längst
gehabt: politische Gleichberechtigung mit dem Hauptland. That-
sächlich hatte sich diese Provinz in den vierzig Jahren, die seit
Ertheilung des Latinerrechts verflossen waren, bereits vollstän-
dig latinisirt. Die Exclusiven mochten spotten über den breiten
und gurgelnden Accent des Keltenlateins und ein ‚ich weiſs nicht
was von hauptstädtischer Anmuth‘ bei dem Insubrer und Ve-
neter vermissen, der sich als Caesars Legionar mit dem Schwert
einen Platz auf dem römischen Markt und sogar in der römi-
schen Curie erobert hatte. Nichtsdestoweniger war das cisalpi-
nische Gallien mit seiner dichten vorwiegend bauerschaftlichen
Bevölkerung schon vor Caesar der Sache nach eine italische
Landschaft und blieb Jahrhunderte lang der rechte Zufluchts-
ort italischer Sitte und italischer Bildung; wie denn die Leh-
rer der latinischen Litteratur nirgends sonst auſserhalb der
Hauptstadt so vielen Zuspruch und Anklang fanden. Wenn also
das cisalpinische Gallien wesentlich in Italien aufging, so rückte
zugleich an die Stelle, die es bisher eingenommen hatte, die alte
transalpinische Provinz ein, die ja durch Caesars Eroberungen
aus einer Grenz- in eine Binnenprovinz umgewandelt worden
war und die durch ihre Nähe wie durch ihr Klima vor allen an-
dern Gebieten sich dazu eignete mit der Zeit gleichfalls eine ita-

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[509/0519] REPUBLIK UND MONARCHIE. welche die Natur nicht so sehr zum Nachbarland Italiens bestimmt hat als zu der schönsten seiner Landschaften, unter Beibehaltung ihrer hellenischen Nationalität ähnlich wie Neapolis und Rhegion in den italischen Gemeindeverband einzufügen. — Dagegen das römische Wesen ward durch Colonisirung wie durch Latinisirung nach allen Kräften und an den verschiedensten Puncten des Rei- ches von der Regierung gehoben. Der zwar gewaltsame, aber um freie Hand gegen die zur Vernichtung bestimmten Nationen zu haben unumgänglich nothwendige Satz, daſs an allem nicht durch besonderen Act der Regierung an Gemeinden und Private abgetretenen Grund und Boden in den Provinzen der Staat das Eigenthum, der zeitige Inhaber nur einen geduldeten und jeder- zeit widerruflichen Erbbesitz habe, wurde auch von Caesar fest- gehalten und durch ihn aus einer demokratischen Parteitheorie zu einem Fundamentalprincip des monarchischen Rechts erho- ben. In erster Linie kam für die Ausbreitung der römischen Nationalität natürlich Gallien in Frage. Gallien diesseit der Alpen erhielt durch die längst von der Demokratie verheiſsene (S. 4. 152) und nun (705) von Caesar verwirklichte Aufnahme der transpadanischen Gemeinden in den römischen Bürgerverband durchgängig, was ein groſser Theil der Gemeinden daselbst längst gehabt: politische Gleichberechtigung mit dem Hauptland. That- sächlich hatte sich diese Provinz in den vierzig Jahren, die seit Ertheilung des Latinerrechts verflossen waren, bereits vollstän- dig latinisirt. Die Exclusiven mochten spotten über den breiten und gurgelnden Accent des Keltenlateins und ein ‚ich weiſs nicht was von hauptstädtischer Anmuth‘ bei dem Insubrer und Ve- neter vermissen, der sich als Caesars Legionar mit dem Schwert einen Platz auf dem römischen Markt und sogar in der römi- schen Curie erobert hatte. Nichtsdestoweniger war das cisalpi- nische Gallien mit seiner dichten vorwiegend bauerschaftlichen Bevölkerung schon vor Caesar der Sache nach eine italische Landschaft und blieb Jahrhunderte lang der rechte Zufluchts- ort italischer Sitte und italischer Bildung; wie denn die Leh- rer der latinischen Litteratur nirgends sonst auſserhalb der Hauptstadt so vielen Zuspruch und Anklang fanden. Wenn also das cisalpinische Gallien wesentlich in Italien aufging, so rückte zugleich an die Stelle, die es bisher eingenommen hatte, die alte transalpinische Provinz ein, die ja durch Caesars Eroberungen aus einer Grenz- in eine Binnenprovinz umgewandelt worden war und die durch ihre Nähe wie durch ihr Klima vor allen an- dern Gebieten sich dazu eignete mit der Zeit gleichfalls eine ita-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/519>, abgerufen am 29.11.2024.