Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. reien ihrer Schuldner so wie auf eine angemessene Quote der ausHausmiethe oder Sclavenarbeit denselben zufliessenden Nutzun- gen. Es ist nicht überliefert, dass Caesar nach dem Bürgerkrieg ähnliche allgemeine Schuldenliquidationen in den Provinzen ver- anlasst hätte; doch kann es, nach dem eben Bemerkten und nach dem, was für Italien geschah (S. 492), kaum bezweifelt werden, dass Caesar darauf ebenfalls hingearbeitet hat oder dies wenig- stens in seinem Plane lag. -- Wenn also der Imperator, so weit Menschenkraft es vermochte, die Provinzialen der Bedrückungen durch die Beamten und Capitalisten Roms entlastete, so durfte man zugleich von der durch ihn neu erstarkenden Regierung mit Sicher- heit erwarten, dass sie die wilden Grenzvölker verscheuchen und die Land- und Seepiraten zerstreuen werde, wie die aufsteigende Sonne die Nebel verjagt. Wie auch noch die alten Wunden schmerzten, mit Caesar erschien den vielgeplagten Unterthanen die Morgenröthe einer erträglicheren Zeit, seit Jahrhunderten wieder die erste intelligente und humane Regierung und eine Friedenspolitik, die nicht auf der Feigheit, sondern auf der Kraft beruhte. Wohl mochten mit den besten Römern vor allem die Unterthanen an der Leiche des grossen Befreiers trauern. Allein diese Abstellung der bestehenden Missbräuche war nicht FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. reien ihrer Schuldner so wie auf eine angemessene Quote der ausHausmiethe oder Sclavenarbeit denselben zuflieſsenden Nutzun- gen. Es ist nicht überliefert, daſs Caesar nach dem Bürgerkrieg ähnliche allgemeine Schuldenliquidationen in den Provinzen ver- anlaſst hätte; doch kann es, nach dem eben Bemerkten und nach dem, was für Italien geschah (S. 492), kaum bezweifelt werden, daſs Caesar darauf ebenfalls hingearbeitet hat oder dies wenig- stens in seinem Plane lag. — Wenn also der Imperator, so weit Menschenkraft es vermochte, die Provinzialen der Bedrückungen durch die Beamten und Capitalisten Roms entlastete, so durfte man zugleich von der durch ihn neu erstarkenden Regierung mit Sicher- heit erwarten, daſs sie die wilden Grenzvölker verscheuchen und die Land- und Seepiraten zerstreuen werde, wie die aufsteigende Sonne die Nebel verjagt. Wie auch noch die alten Wunden schmerzten, mit Caesar erschien den vielgeplagten Unterthanen die Morgenröthe einer erträglicheren Zeit, seit Jahrhunderten wieder die erste intelligente und humane Regierung und eine Friedenspolitik, die nicht auf der Feigheit, sondern auf der Kraft beruhte. Wohl mochten mit den besten Römern vor allem die Unterthanen an der Leiche des groſsen Befreiers trauern. Allein diese Abstellung der bestehenden Miſsbräuche war nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0514" n="504"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.</fw><lb/> reien ihrer Schuldner so wie auf eine angemessene Quote der aus<lb/> Hausmiethe oder Sclavenarbeit denselben zuflieſsenden Nutzun-<lb/> gen. 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Die<lb/> Provinzen als solche sollten allmählich untergehen, um der ver-<lb/> jüngten italisch-hellenischen Nation eine neue und geräumigere<lb/> Heimath zu bereiten, von deren einzelnen Landschaften keine nur<lb/> um der andern willen da war, sondern alle für einen und eine für<lb/> alle; die Leiden und Schäden der Nation, für die in dem alten Ita-<lb/> lien keine Hülfe war, sollte das neue Dasein in der verjüngten Hei-<lb/> math, das frischere, breitere, groſsartigere Volksleben von selber<lb/> überwinden. Bekanntlich waren diese Gedanken nicht neu. Längst<lb/> hatte die seit Jahrhunderten stehend gewordene Emigration aus<lb/> Italien in die Provinzen, freilich den Emigranten selber unbewuſst,<lb/> eine solche Ausdehnung Italiens vorbereitet. Schon Gaius Grac-<lb/> chus, der Schöpfer der römischen demokratischen Monarchie, der<lb/> Urheber der transalpinischen Eroberungen, der Gründer der Colo-<lb/> nien Karthago und Narbo, hatte in planmäſsiger Weise die Itali-<lb/> ker über Italiens Grenzen hinausgelenkt. Der zweite geniale<lb/> Staatsmann, den die römische Demokratie hervorbrachte, Quin-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [504/0514]
FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
reien ihrer Schuldner so wie auf eine angemessene Quote der aus
Hausmiethe oder Sclavenarbeit denselben zuflieſsenden Nutzun-
gen. Es ist nicht überliefert, daſs Caesar nach dem Bürgerkrieg
ähnliche allgemeine Schuldenliquidationen in den Provinzen ver-
anlaſst hätte; doch kann es, nach dem eben Bemerkten und nach
dem, was für Italien geschah (S. 492), kaum bezweifelt werden,
daſs Caesar darauf ebenfalls hingearbeitet hat oder dies wenig-
stens in seinem Plane lag. — Wenn also der Imperator, so weit
Menschenkraft es vermochte, die Provinzialen der Bedrückungen
durch die Beamten und Capitalisten Roms entlastete, so durfte man
zugleich von der durch ihn neu erstarkenden Regierung mit Sicher-
heit erwarten, daſs sie die wilden Grenzvölker verscheuchen und
die Land- und Seepiraten zerstreuen werde, wie die aufsteigende
Sonne die Nebel verjagt. Wie auch noch die alten Wunden
schmerzten, mit Caesar erschien den vielgeplagten Unterthanen
die Morgenröthe einer erträglicheren Zeit, seit Jahrhunderten
wieder die erste intelligente und humane Regierung und eine
Friedenspolitik, die nicht auf der Feigheit, sondern auf der
Kraft beruhte. Wohl mochten mit den besten Römern vor allem
die Unterthanen an der Leiche des groſsen Befreiers trauern.
Allein diese Abstellung der bestehenden Miſsbräuche war nicht
die Hauptsache in Caesars Provinzialreform. In der römischen
Republik waren nach der Ansicht der Aristokratie wie der Demo-
kratie die Aemter nichts gewesen als wie sie häufig genannt wer-
den: Landgüter des römischen Volkes und als solche benutzt und
ausgenutzt worden. Diese Auffassung ward jetzt beseitigt. Die
Provinzen als solche sollten allmählich untergehen, um der ver-
jüngten italisch-hellenischen Nation eine neue und geräumigere
Heimath zu bereiten, von deren einzelnen Landschaften keine nur
um der andern willen da war, sondern alle für einen und eine für
alle; die Leiden und Schäden der Nation, für die in dem alten Ita-
lien keine Hülfe war, sollte das neue Dasein in der verjüngten Hei-
math, das frischere, breitere, groſsartigere Volksleben von selber
überwinden. Bekanntlich waren diese Gedanken nicht neu. Längst
hatte die seit Jahrhunderten stehend gewordene Emigration aus
Italien in die Provinzen, freilich den Emigranten selber unbewuſst,
eine solche Ausdehnung Italiens vorbereitet. Schon Gaius Grac-
chus, der Schöpfer der römischen demokratischen Monarchie, der
Urheber der transalpinischen Eroberungen, der Gründer der Colo-
nien Karthago und Narbo, hatte in planmäſsiger Weise die Itali-
ker über Italiens Grenzen hinausgelenkt. Der zweite geniale
Staatsmann, den die römische Demokratie hervorbrachte, Quin-
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