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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Caesar übernehmen musste oder freiwillig übernahm, ist es
schwer sich eine Vorstellung zu machen. Die Kriege selbst
frassen ungeheure Summen; und vielleicht nicht geringere wur-
den erfordert, um die Zusicherungen zu erfüllen, die Caesar
während des Bürgerkrieges zu machen genöthigt worden war.
Es war ein schlimmes und für die Folgezeit leider nicht verlore-
nes Beispiel, dass jeder gemeine Soldat für seine Theilnahme am
Bürgerkrieg 20000 Sesterzen (1430 Thlr.), jeder Bürger der
hauptstädtischen Menge für seine Nichtbetheiligung an demselben
als Zulage zum Brotkorn 300 Sesterzen (21 Thlr.) empfing;
Caesar indess, nachdem er einmal in dem Drange der Umstände
sein Wort verpfändet, war zu sehr König um davon abzudingen.
Ausserdem genügte Caesar unzähligen Anforderungen ehrenhafter
Freigebigkeit und machte namentlich für das Bauwesen, das wäh-
rend der Finanznoth der letzten Zeiten der Republik schmählich
vernachlässigt worden war, ungeheure Summen flüssig -- man
berechnete den Kostenbetrag seiner theils während der gallischen
Feldzüge, theils nachher in der Hauptstadt ausgeführten Bauten
auf 160 Mill. Sest. (111/2 Thlr.). Das Gesammtresultat der finan-
ziellen Verwaltung Caesars ist darin ausgesprochen, dass er durch
einsichtige und energische Reformen und durch die rechte Ver-
einigung von Sparsamkeit und Liberalität allen billigen Ansprü-
chen reichlich und völlig genügte und dennoch bereits im März
710 in der Kasse des Staats 700, in seiner eigenen 100 Mill.
Sest. (zusammen 57 Mill. Thlr.) baar lagen -- eine Summe, die
den höchsten Kassenbestand der Republik in ihrer blühendsten
Zeit (I, 617) um das Zehnfache überstieg.

Aber die Aufgabe die alten Parteien aufzulösen und das neue
Gemeinwesen mit einer angemessenen Verfassung, einer schlag-
fertigen Armee und geordneten Finanzen auszustatten, so schwie-
rig sie war, war nicht der schwierigste Theil von Caesars Werk.
Sollte in Wahrheit die italische Nation wiedergeboren werden, so
reichte es nicht aus, dass ihre Verfassung umgestaltet und ihre
Heere und Kasse neugeordnet wurden, sondern es bedurfte einer
Reorganisation, die alle Theile des grossen Reiches, Rom, Italien
und die Provinzen in ihren Grundfesten umwandelte. Versuchen
wir auch hier sowohl die alten Zustände als auch die Anfänge
einer neuen und leidlicheren Zeit zu schildern.

Aus Rom war der gute Stamm latinischer Nation längst völlig
verschwunden. Es liegt in den Verhältnissen, dass die Hauptstadt
ihr municipales und selbst ihr nationales Gepräge schneller ver-
schleift als jedes untergeordnete Gemeinwesen. Hier scheiden die

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Caesar übernehmen muſste oder freiwillig übernahm, ist es
schwer sich eine Vorstellung zu machen. Die Kriege selbst
fraſsen ungeheure Summen; und vielleicht nicht geringere wur-
den erfordert, um die Zusicherungen zu erfüllen, die Caesar
während des Bürgerkrieges zu machen genöthigt worden war.
Es war ein schlimmes und für die Folgezeit leider nicht verlore-
nes Beispiel, daſs jeder gemeine Soldat für seine Theilnahme am
Bürgerkrieg 20000 Sesterzen (1430 Thlr.), jeder Bürger der
hauptstädtischen Menge für seine Nichtbetheiligung an demselben
als Zulage zum Brotkorn 300 Sesterzen (21 Thlr.) empfing;
Caesar indeſs, nachdem er einmal in dem Drange der Umstände
sein Wort verpfändet, war zu sehr König um davon abzudingen.
Auſserdem genügte Caesar unzähligen Anforderungen ehrenhafter
Freigebigkeit und machte namentlich für das Bauwesen, das wäh-
rend der Finanznoth der letzten Zeiten der Republik schmählich
vernachlässigt worden war, ungeheure Summen flüssig — man
berechnete den Kostenbetrag seiner theils während der gallischen
Feldzüge, theils nachher in der Hauptstadt ausgeführten Bauten
auf 160 Mill. Sest. (11½ Thlr.). Das Gesammtresultat der finan-
ziellen Verwaltung Caesars ist darin ausgesprochen, daſs er durch
einsichtige und energische Reformen und durch die rechte Ver-
einigung von Sparsamkeit und Liberalität allen billigen Ansprü-
chen reichlich und völlig genügte und dennoch bereits im März
710 in der Kasse des Staats 700, in seiner eigenen 100 Mill.
Sest. (zusammen 57 Mill. Thlr.) baar lagen — eine Summe, die
den höchsten Kassenbestand der Republik in ihrer blühendsten
Zeit (I, 617) um das Zehnfache überstieg.

Aber die Aufgabe die alten Parteien aufzulösen und das neue
Gemeinwesen mit einer angemessenen Verfassung, einer schlag-
fertigen Armee und geordneten Finanzen auszustatten, so schwie-
rig sie war, war nicht der schwierigste Theil von Caesars Werk.
Sollte in Wahrheit die italische Nation wiedergeboren werden, so
reichte es nicht aus, daſs ihre Verfassung umgestaltet und ihre
Heere und Kasse neugeordnet wurden, sondern es bedurfte einer
Reorganisation, die alle Theile des groſsen Reiches, Rom, Italien
und die Provinzen in ihren Grundfesten umwandelte. Versuchen
wir auch hier sowohl die alten Zustände als auch die Anfänge
einer neuen und leidlicheren Zeit zu schildern.

Aus Rom war der gute Stamm latinischer Nation längst völlig
verschwunden. Es liegt in den Verhältnissen, daſs die Hauptstadt
ihr municipales und selbst ihr nationales Gepräge schneller ver-
schleift als jedes untergeordnete Gemeinwesen. Hier scheiden die

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[472/0482] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. Caesar übernehmen muſste oder freiwillig übernahm, ist es schwer sich eine Vorstellung zu machen. Die Kriege selbst fraſsen ungeheure Summen; und vielleicht nicht geringere wur- den erfordert, um die Zusicherungen zu erfüllen, die Caesar während des Bürgerkrieges zu machen genöthigt worden war. Es war ein schlimmes und für die Folgezeit leider nicht verlore- nes Beispiel, daſs jeder gemeine Soldat für seine Theilnahme am Bürgerkrieg 20000 Sesterzen (1430 Thlr.), jeder Bürger der hauptstädtischen Menge für seine Nichtbetheiligung an demselben als Zulage zum Brotkorn 300 Sesterzen (21 Thlr.) empfing; Caesar indeſs, nachdem er einmal in dem Drange der Umstände sein Wort verpfändet, war zu sehr König um davon abzudingen. Auſserdem genügte Caesar unzähligen Anforderungen ehrenhafter Freigebigkeit und machte namentlich für das Bauwesen, das wäh- rend der Finanznoth der letzten Zeiten der Republik schmählich vernachlässigt worden war, ungeheure Summen flüssig — man berechnete den Kostenbetrag seiner theils während der gallischen Feldzüge, theils nachher in der Hauptstadt ausgeführten Bauten auf 160 Mill. Sest. (11½ Thlr.). Das Gesammtresultat der finan- ziellen Verwaltung Caesars ist darin ausgesprochen, daſs er durch einsichtige und energische Reformen und durch die rechte Ver- einigung von Sparsamkeit und Liberalität allen billigen Ansprü- chen reichlich und völlig genügte und dennoch bereits im März 710 in der Kasse des Staats 700, in seiner eigenen 100 Mill. Sest. (zusammen 57 Mill. Thlr.) baar lagen — eine Summe, die den höchsten Kassenbestand der Republik in ihrer blühendsten Zeit (I, 617) um das Zehnfache überstieg. Aber die Aufgabe die alten Parteien aufzulösen und das neue Gemeinwesen mit einer angemessenen Verfassung, einer schlag- fertigen Armee und geordneten Finanzen auszustatten, so schwie- rig sie war, war nicht der schwierigste Theil von Caesars Werk. Sollte in Wahrheit die italische Nation wiedergeboren werden, so reichte es nicht aus, daſs ihre Verfassung umgestaltet und ihre Heere und Kasse neugeordnet wurden, sondern es bedurfte einer Reorganisation, die alle Theile des groſsen Reiches, Rom, Italien und die Provinzen in ihren Grundfesten umwandelte. Versuchen wir auch hier sowohl die alten Zustände als auch die Anfänge einer neuen und leidlicheren Zeit zu schildern. Aus Rom war der gute Stamm latinischer Nation längst völlig verschwunden. Es liegt in den Verhältnissen, daſs die Hauptstadt ihr municipales und selbst ihr nationales Gepräge schneller ver- schleift als jedes untergeordnete Gemeinwesen. Hier scheiden die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/482>, abgerufen am 18.05.2024.