Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. wies er dennoch den Antrag des Senats auf Errichtung einer No-belgarde zurück, entliess, so wie die Dinge einigermassen sich beruhigten, die spanische Escorte, deren er in der ersten Zeit in der Hauptstadt sich bedient hatte und begnügte sich mit dem Gefolge von Gerichtsdienern, wie es für die römischen Oberbe- amten hergebracht war. Wie viel auch Caesar von dem Gedanken seiner Partei und seiner Jugend, ein perikleisches Regiment in Rom nicht kraft des Säbels, sondern kraft des Vertrauens der Nation zu begründen, im Kampfe mit den Realitäten hatte müssen fallen lassen -- den Grundgedanken, keine Militärmonarchie zu stiften, hielt er auch jetzt noch mit einer Energie fest, für die die Geschichte kaum eine Parallele darbietet. Allerdings war auch dies ein unausführbares Ideal -- es war die einzige Illusion, in der das sehnsüchtige Verlangen in diesem starken Geiste mäch- tiger war als der klare Verstand. Ein Regiment, wie es Caesar im Sinne trug, war nicht bloss nothwendig höchst persönlicher Natur und musste mit dem Tode des Urhebers ebenso zu Grunde gehen wie die verwandten Schöpfungen Perikles und Cromwells mit dem Tode ihrer Stifter; sondern es war auch bei dem tief zerrütteten Zustand der Nation nicht einmal glaublich, dass es dem achten König von Rom selbst für seine Lebenszeit gelin- gen werde so wie seine sieben Vorgänger seine Mitbürger bloss kraft Gesetz und Recht zu beherrschen und ebenso wenig wahr- scheinlich, dass es ihm gelingen werde das stehende Heer, nach- dem es im letzten Bürgerkrieg seine Macht kennen gelernt und die Scheu verlernt hatte, wieder als dienendes Glied in die bür- gerliche Ordnung einzufügen. Wer kaltblütig erwog, bis zu welchem Grade die Furcht vor dem Gesetz aus den untersten wie aus den obersten Schichten der Gesellschaft entwichen war, dem musste die erstere Hoffnung vielmehr ein Traum dünken; und wenn mit der marianischen Reform des Heerwesens der Soldat überhaupt aufgehört hatte Bürger zu sein (II, 186), so zeigten jetzt die campanische Meuterei und das Schlachtfeld von Thapsus mit leidiger Deutlichkeit, in welcher Art die Armee sich dazu bereit fand dem Gesetze ihren Arm zu leihen. Selbst der grosse Demokrat vermochte die Gewalten, die er entfesselt hatte, nur mühsam und mangelhaft wieder zu bändigen; tau- sende von Schwerten flogen noch auf seinen Wink aus der Scheide, aber sie kehrten schon nicht mehr in die Scheide auf seinen Wink zurück. Das Verhängniss ist mächtiger als das Genie. Caesar wollte der Wiederhersteller des bürgerlichen Gemeinwe- sens werden und ward der Gründer der von ihm verabscheuten FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. wies er dennoch den Antrag des Senats auf Errichtung einer No-belgarde zurück, entlieſs, so wie die Dinge einigermaſsen sich beruhigten, die spanische Escorte, deren er in der ersten Zeit in der Hauptstadt sich bedient hatte und begnügte sich mit dem Gefolge von Gerichtsdienern, wie es für die römischen Oberbe- amten hergebracht war. Wie viel auch Caesar von dem Gedanken seiner Partei und seiner Jugend, ein perikleisches Regiment in Rom nicht kraft des Säbels, sondern kraft des Vertrauens der Nation zu begründen, im Kampfe mit den Realitäten hatte müssen fallen lassen — den Grundgedanken, keine Militärmonarchie zu stiften, hielt er auch jetzt noch mit einer Energie fest, für die die Geschichte kaum eine Parallele darbietet. Allerdings war auch dies ein unausführbares Ideal — es war die einzige Illusion, in der das sehnsüchtige Verlangen in diesem starken Geiste mäch- tiger war als der klare Verstand. Ein Regiment, wie es Caesar im Sinne trug, war nicht bloſs nothwendig höchst persönlicher Natur und muſste mit dem Tode des Urhebers ebenso zu Grunde gehen wie die verwandten Schöpfungen Perikles und Cromwells mit dem Tode ihrer Stifter; sondern es war auch bei dem tief zerrütteten Zustand der Nation nicht einmal glaublich, daſs es dem achten König von Rom selbst für seine Lebenszeit gelin- gen werde so wie seine sieben Vorgänger seine Mitbürger bloſs kraft Gesetz und Recht zu beherrschen und ebenso wenig wahr- scheinlich, daſs es ihm gelingen werde das stehende Heer, nach- dem es im letzten Bürgerkrieg seine Macht kennen gelernt und die Scheu verlernt hatte, wieder als dienendes Glied in die bür- gerliche Ordnung einzufügen. Wer kaltblütig erwog, bis zu welchem Grade die Furcht vor dem Gesetz aus den untersten wie aus den obersten Schichten der Gesellschaft entwichen war, dem muſste die erstere Hoffnung vielmehr ein Traum dünken; und wenn mit der marianischen Reform des Heerwesens der Soldat überhaupt aufgehört hatte Bürger zu sein (II, 186), so zeigten jetzt die campanische Meuterei und das Schlachtfeld von Thapsus mit leidiger Deutlichkeit, in welcher Art die Armee sich dazu bereit fand dem Gesetze ihren Arm zu leihen. Selbst der groſse Demokrat vermochte die Gewalten, die er entfesselt hatte, nur mühsam und mangelhaft wieder zu bändigen; tau- sende von Schwerten flogen noch auf seinen Wink aus der Scheide, aber sie kehrten schon nicht mehr in die Scheide auf seinen Wink zurück. Das Verhängniſs ist mächtiger als das Genie. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
wies er dennoch den Antrag des Senats auf Errichtung einer No-
belgarde zurück, entlieſs, so wie die Dinge einigermaſsen sich
beruhigten, die spanische Escorte, deren er in der ersten Zeit
in der Hauptstadt sich bedient hatte und begnügte sich mit dem
Gefolge von Gerichtsdienern, wie es für die römischen Oberbe-
amten hergebracht war. Wie viel auch Caesar von dem Gedanken
seiner Partei und seiner Jugend, ein perikleisches Regiment in
Rom nicht kraft des Säbels, sondern kraft des Vertrauens der
Nation zu begründen, im Kampfe mit den Realitäten hatte müssen
fallen lassen — den Grundgedanken, keine Militärmonarchie zu
stiften, hielt er auch jetzt noch mit einer Energie fest, für die
die Geschichte kaum eine Parallele darbietet. Allerdings war auch
dies ein unausführbares Ideal — es war die einzige Illusion, in
der das sehnsüchtige Verlangen in diesem starken Geiste mäch-
tiger war als der klare Verstand. Ein Regiment, wie es Caesar
im Sinne trug, war nicht bloſs nothwendig höchst persönlicher
Natur und muſste mit dem Tode des Urhebers ebenso zu Grunde
gehen wie die verwandten Schöpfungen Perikles und Cromwells
mit dem Tode ihrer Stifter; sondern es war auch bei dem tief
zerrütteten Zustand der Nation nicht einmal glaublich, daſs es
dem achten König von Rom selbst für seine Lebenszeit gelin-
gen werde so wie seine sieben Vorgänger seine Mitbürger bloſs
kraft Gesetz und Recht zu beherrschen und ebenso wenig wahr-
scheinlich, daſs es ihm gelingen werde das stehende Heer, nach-
dem es im letzten Bürgerkrieg seine Macht kennen gelernt und
die Scheu verlernt hatte, wieder als dienendes Glied in die bür-
gerliche Ordnung einzufügen. Wer kaltblütig erwog, bis zu
welchem Grade die Furcht vor dem Gesetz aus den untersten
wie aus den obersten Schichten der Gesellschaft entwichen war,
dem muſste die erstere Hoffnung vielmehr ein Traum dünken;
und wenn mit der marianischen Reform des Heerwesens der
Soldat überhaupt aufgehört hatte Bürger zu sein (II, 186), so
zeigten jetzt die campanische Meuterei und das Schlachtfeld von
Thapsus mit leidiger Deutlichkeit, in welcher Art die Armee
sich dazu bereit fand dem Gesetze ihren Arm zu leihen. Selbst
der groſse Demokrat vermochte die Gewalten, die er entfesselt
hatte, nur mühsam und mangelhaft wieder zu bändigen; tau-
sende von Schwerten flogen noch auf seinen Wink aus der
Scheide, aber sie kehrten schon nicht mehr in die Scheide auf
seinen Wink zurück. Das Verhängniſs ist mächtiger als das Genie.
Caesar wollte der Wiederhersteller des bürgerlichen Gemeinwe-
sens werden und ward der Gründer der von ihm verabscheuten
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