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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Heer zu begründen. Er hielt zwar eine stehende Armee noth-
wendig für seinen Staat, aber nur, weil derselbe seiner geogra-
phischen Lage nach einer umfassenden Grenzregulirung und ste-
hender Grenzbesatzungen bedurfte. Theils in früheren Epochen,
theils während des letzten Bürgerkrieges hatte er an Spaniens
Befriedung gearbeitet und in Africa längs der grossen Wüste, im
Nordwesten des Reichs an der Rheinlinie feste Stellungen für die
Grenzvertheidigung eingerichtet. Mit ähnlichen Plänen beschäf-
tigte er sich für die Landschaften am Euphrat und an der Donau.
Vor allen Dingen gedachte er gegen die Parther zu ziehen und
den Tag von Karrhae zu rächen; er hatte drei Jahre für diesen Krieg
bestimmt und war entschlossen mit diesen gefährlichen Feinden
ein- für allemal und ebenso vorsichtig wie gründlich abzurechnen.
Ebenso hatte er den Plan entworfen den zu beiden Seiten der Do-
nau gewaltig um sich greifenden Getenkönig Boerebistas (S. 276)
anzugreifen und auch im Nordosten Italien durch ähnliche Mar-
ken zu schützen, wie er sie ihm im Keltenlande geschaffen. Da-
gegen liegen durchaus keine Beweise dafür vor, dass Caesar gleich
Alexander einen Siegeslauf in die unendliche Ferne im Sinn hatte;
es wird wohl erzählt, dass er von Parthien aus an das kaspische
und von diesem an das schwarze Meer, sodann an dem Nordufer
desselben bis zur Donau zu ziehen, ganz Skythien und Germa-
nien bis an den, nach damaliger Vorstellung vom Mittelmeer nicht
allzu fernen, nördlichen Ocean zum Reiche zu bringen und durch
Gallien heimzukehren beabsichtigt habe; allein keine irgend glaub-
würdige Autorität verbürgt die Existenz dieser fabulosen Pro-
jecte. Bei einem Staat, der wie der römische Caesars bereits
eine schwer zu bewältigende Masse barbarischer Elemente in
sich schloss und mit deren Assimilirung noch auf Jahrhunderte
hinaus mehr als genug zu thun hatte, wären solche Eroberungen,
auch ihre militärische Ausführbarkeit angenommen, doch nichts
gewesen als noch weit glänzendere und noch weit schlimmere
Fehler als die Inderheerfahrt Alexanders. Sowohl nach Caesars
Verfahren in Britannien und Deutschland wie nach dem Verhalten
derjenigen, die die Erben seiner politischen Gedanken wurden,
ist es in hohem Grade wahrscheinlich, dass Caesar, mit Scipio
Aemilianus, die Götter nicht anrief das Reich zu mehren, sondern
es zu erhalten und dass seine Eroberungspläne sich beschränkten
auf eine freilich nach seinem grossartigen Massstab bemessene
Grenzregulirung, durch die die Euphratlinie gesichert und anstatt
der völlig schwankenden und militärisch nichtigen nordöstlichen
Reichsgrenze die Donaulinie gewonnen und vertheidigungsfähig

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Heer zu begründen. Er hielt zwar eine stehende Armee noth-
wendig für seinen Staat, aber nur, weil derselbe seiner geogra-
phischen Lage nach einer umfassenden Grenzregulirung und ste-
hender Grenzbesatzungen bedurfte. Theils in früheren Epochen,
theils während des letzten Bürgerkrieges hatte er an Spaniens
Befriedung gearbeitet und in Africa längs der groſsen Wüste, im
Nordwesten des Reichs an der Rheinlinie feste Stellungen für die
Grenzvertheidigung eingerichtet. Mit ähnlichen Plänen beschäf-
tigte er sich für die Landschaften am Euphrat und an der Donau.
Vor allen Dingen gedachte er gegen die Parther zu ziehen und
den Tag von Karrhae zu rächen; er hatte drei Jahre für diesen Krieg
bestimmt und war entschlossen mit diesen gefährlichen Feinden
ein- für allemal und ebenso vorsichtig wie gründlich abzurechnen.
Ebenso hatte er den Plan entworfen den zu beiden Seiten der Do-
nau gewaltig um sich greifenden Getenkönig Boerebistas (S. 276)
anzugreifen und auch im Nordosten Italien durch ähnliche Mar-
ken zu schützen, wie er sie ihm im Keltenlande geschaffen. Da-
gegen liegen durchaus keine Beweise dafür vor, daſs Caesar gleich
Alexander einen Siegeslauf in die unendliche Ferne im Sinn hatte;
es wird wohl erzählt, daſs er von Parthien aus an das kaspische
und von diesem an das schwarze Meer, sodann an dem Nordufer
desselben bis zur Donau zu ziehen, ganz Skythien und Germa-
nien bis an den, nach damaliger Vorstellung vom Mittelmeer nicht
allzu fernen, nördlichen Ocean zum Reiche zu bringen und durch
Gallien heimzukehren beabsichtigt habe; allein keine irgend glaub-
würdige Autorität verbürgt die Existenz dieser fabulosen Pro-
jecte. Bei einem Staat, der wie der römische Caesars bereits
eine schwer zu bewältigende Masse barbarischer Elemente in
sich schloſs und mit deren Assimilirung noch auf Jahrhunderte
hinaus mehr als genug zu thun hatte, wären solche Eroberungen,
auch ihre militärische Ausführbarkeit angenommen, doch nichts
gewesen als noch weit glänzendere und noch weit schlimmere
Fehler als die Inderheerfahrt Alexanders. Sowohl nach Caesars
Verfahren in Britannien und Deutschland wie nach dem Verhalten
derjenigen, die die Erben seiner politischen Gedanken wurden,
ist es in hohem Grade wahrscheinlich, daſs Caesar, mit Scipio
Aemilianus, die Götter nicht anrief das Reich zu mehren, sondern
es zu erhalten und daſs seine Eroberungspläne sich beschränkten
auf eine freilich nach seinem groſsartigen Maſsstab bemessene
Grenzregulirung, durch die die Euphratlinie gesichert und anstatt
der völlig schwankenden und militärisch nichtigen nordöstlichen
Reichsgrenze die Donaulinie gewonnen und vertheidigungsfähig

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[464/0474] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. Heer zu begründen. Er hielt zwar eine stehende Armee noth- wendig für seinen Staat, aber nur, weil derselbe seiner geogra- phischen Lage nach einer umfassenden Grenzregulirung und ste- hender Grenzbesatzungen bedurfte. Theils in früheren Epochen, theils während des letzten Bürgerkrieges hatte er an Spaniens Befriedung gearbeitet und in Africa längs der groſsen Wüste, im Nordwesten des Reichs an der Rheinlinie feste Stellungen für die Grenzvertheidigung eingerichtet. Mit ähnlichen Plänen beschäf- tigte er sich für die Landschaften am Euphrat und an der Donau. Vor allen Dingen gedachte er gegen die Parther zu ziehen und den Tag von Karrhae zu rächen; er hatte drei Jahre für diesen Krieg bestimmt und war entschlossen mit diesen gefährlichen Feinden ein- für allemal und ebenso vorsichtig wie gründlich abzurechnen. Ebenso hatte er den Plan entworfen den zu beiden Seiten der Do- nau gewaltig um sich greifenden Getenkönig Boerebistas (S. 276) anzugreifen und auch im Nordosten Italien durch ähnliche Mar- ken zu schützen, wie er sie ihm im Keltenlande geschaffen. Da- gegen liegen durchaus keine Beweise dafür vor, daſs Caesar gleich Alexander einen Siegeslauf in die unendliche Ferne im Sinn hatte; es wird wohl erzählt, daſs er von Parthien aus an das kaspische und von diesem an das schwarze Meer, sodann an dem Nordufer desselben bis zur Donau zu ziehen, ganz Skythien und Germa- nien bis an den, nach damaliger Vorstellung vom Mittelmeer nicht allzu fernen, nördlichen Ocean zum Reiche zu bringen und durch Gallien heimzukehren beabsichtigt habe; allein keine irgend glaub- würdige Autorität verbürgt die Existenz dieser fabulosen Pro- jecte. Bei einem Staat, der wie der römische Caesars bereits eine schwer zu bewältigende Masse barbarischer Elemente in sich schloſs und mit deren Assimilirung noch auf Jahrhunderte hinaus mehr als genug zu thun hatte, wären solche Eroberungen, auch ihre militärische Ausführbarkeit angenommen, doch nichts gewesen als noch weit glänzendere und noch weit schlimmere Fehler als die Inderheerfahrt Alexanders. Sowohl nach Caesars Verfahren in Britannien und Deutschland wie nach dem Verhalten derjenigen, die die Erben seiner politischen Gedanken wurden, ist es in hohem Grade wahrscheinlich, daſs Caesar, mit Scipio Aemilianus, die Götter nicht anrief das Reich zu mehren, sondern es zu erhalten und daſs seine Eroberungspläne sich beschränkten auf eine freilich nach seinem groſsartigen Maſsstab bemessene Grenzregulirung, durch die die Euphratlinie gesichert und anstatt der völlig schwankenden und militärisch nichtigen nordöstlichen Reichsgrenze die Donaulinie gewonnen und vertheidigungsfähig

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/474>, abgerufen am 18.12.2024.