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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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THAPSUS.
auf der ganzen Linie vor, allen voran Caesar selbst, der, da er
die Seinigen ohne seinen Befehl abzuwarten vorrücken sah, an
ihrer Spitze auf den Feind ein galoppirte. Der rechte Flügel,
den übrigen Abtheilungen voran, scheuchte die ihm gegenüber-
stehende Linie der Elephanten -- es war die letzte grosse
Schlacht, in der diese Bestien verwendet worden sind -- durch
Schleuderkugeln und Pfeile zurück auf ihre eigenen Leute. Die
Deckungsmannschaft ward niedergehauen, der linke Flügel der
Feinde gesprengt und die ganze Linie aufgerollt. Die Niederlage
war um so vernichtender, als das neue Lager der geschlagenen
Armee noch nicht fertig und das alte beträchtlich entfernt war;
beide Lager wurden nach einander fast ohne Gegenwehr erobert.
Die Masse der geschlagenen Armee warf die Waffen weg und
bat um Quartier; aber Caesars Soldaten waren nicht mehr die-
selben, die vor Ilerda willig der Schlacht sich enthalten, bei
Pharsalos der Wehrlosen ehrenhaft geschont hatten. Die Ge-
wohnheit des Bürgerkriegs und der von der Meuterei zurückge-
bliebene Groll machten auf dem Schlachtfelde von Thapsus in
schrecklicher Weise sich geltend. Wenn der Hydra, mit der man
kämpfte, stets neue Köpfe nachwuchsen, wenn die Armee von
Italien nach Spanien, von Spanien nach Makedonien, von Make-
donien nach Africa geschleudert ward, die immer heisser ersehnte
Ruhe immer nicht kam, so suchte, und nicht ganz mit Unrecht,
der Soldat davon den Grund in Caesars unzeitiger Milde. Er hatte
es sich geschworen nachzuholen, was der Feldherr versäumt
und blieb taub für das Flehen der entwaffneten Mitbürger wie
für die Befehle Caesars und der höheren Offiziere. Die funfzig-
tausend Leichen, die das Schlachtfeld von Thapsus bedeckten,
darunter auch einzelne als heimliche Gegner der neuen Monar-
chie bekannte und desshalb von ihren eigenen Leuten niederge-
machte caesarische Offiziere, zeigten, wie der Soldat sich Ruhe
schafft. Die siegende Armee dagegen zählte nicht mehr als funfzig
Todte (6. April 708). -- Eine Fortsetzung des Kampfes fand nach
der Schlacht von Thapsus so wenig in Africa statt wie andert-
halb Jahre zuvor im Osten nach der pharsalischen Niederlage.
Cato als Commandant von Utica berief den Senat, legte den
Stand der Vertheidigungsmittel dar und stellte es zur Entschei-
dung der Versammelten, ob man sich unterwerfen oder bis auf
den letzten Mann sich vertheidigen wolle, einzig sie beschwörend
nicht jeder für sich, sondern alle für einen zu beschliessen und
zu handeln. Die muthigere Meinung fand manchen Vertreter; es
wurde beantragt die waffenfähigen Sclaven von Staatswegen frei-

THAPSUS.
auf der ganzen Linie vor, allen voran Caesar selbst, der, da er
die Seinigen ohne seinen Befehl abzuwarten vorrücken sah, an
ihrer Spitze auf den Feind ein galoppirte. Der rechte Flügel,
den übrigen Abtheilungen voran, scheuchte die ihm gegenüber-
stehende Linie der Elephanten — es war die letzte groſse
Schlacht, in der diese Bestien verwendet worden sind — durch
Schleuderkugeln und Pfeile zurück auf ihre eigenen Leute. Die
Deckungsmannschaft ward niedergehauen, der linke Flügel der
Feinde gesprengt und die ganze Linie aufgerollt. Die Niederlage
war um so vernichtender, als das neue Lager der geschlagenen
Armee noch nicht fertig und das alte beträchtlich entfernt war;
beide Lager wurden nach einander fast ohne Gegenwehr erobert.
Die Masse der geschlagenen Armee warf die Waffen weg und
bat um Quartier; aber Caesars Soldaten waren nicht mehr die-
selben, die vor Ilerda willig der Schlacht sich enthalten, bei
Pharsalos der Wehrlosen ehrenhaft geschont hatten. Die Ge-
wohnheit des Bürgerkriegs und der von der Meuterei zurückge-
bliebene Groll machten auf dem Schlachtfelde von Thapsus in
schrecklicher Weise sich geltend. Wenn der Hydra, mit der man
kämpfte, stets neue Köpfe nachwuchsen, wenn die Armee von
Italien nach Spanien, von Spanien nach Makedonien, von Make-
donien nach Africa geschleudert ward, die immer heiſser ersehnte
Ruhe immer nicht kam, so suchte, und nicht ganz mit Unrecht,
der Soldat davon den Grund in Caesars unzeitiger Milde. Er hatte
es sich geschworen nachzuholen, was der Feldherr versäumt
und blieb taub für das Flehen der entwaffneten Mitbürger wie
für die Befehle Caesars und der höheren Offiziere. Die funfzig-
tausend Leichen, die das Schlachtfeld von Thapsus bedeckten,
darunter auch einzelne als heimliche Gegner der neuen Monar-
chie bekannte und deſshalb von ihren eigenen Leuten niederge-
machte caesarische Offiziere, zeigten, wie der Soldat sich Ruhe
schafft. Die siegende Armee dagegen zählte nicht mehr als funfzig
Todte (6. April 708). — Eine Fortsetzung des Kampfes fand nach
der Schlacht von Thapsus so wenig in Africa statt wie andert-
halb Jahre zuvor im Osten nach der pharsalischen Niederlage.
Cato als Commandant von Utica berief den Senat, legte den
Stand der Vertheidigungsmittel dar und stellte es zur Entschei-
dung der Versammelten, ob man sich unterwerfen oder bis auf
den letzten Mann sich vertheidigen wolle, einzig sie beschwörend
nicht jeder für sich, sondern alle für einen zu beschlieſsen und
zu handeln. Die muthigere Meinung fand manchen Vertreter; es
wurde beantragt die waffenfähigen Sclaven von Staatswegen frei-

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[423/0433] THAPSUS. auf der ganzen Linie vor, allen voran Caesar selbst, der, da er die Seinigen ohne seinen Befehl abzuwarten vorrücken sah, an ihrer Spitze auf den Feind ein galoppirte. Der rechte Flügel, den übrigen Abtheilungen voran, scheuchte die ihm gegenüber- stehende Linie der Elephanten — es war die letzte groſse Schlacht, in der diese Bestien verwendet worden sind — durch Schleuderkugeln und Pfeile zurück auf ihre eigenen Leute. Die Deckungsmannschaft ward niedergehauen, der linke Flügel der Feinde gesprengt und die ganze Linie aufgerollt. Die Niederlage war um so vernichtender, als das neue Lager der geschlagenen Armee noch nicht fertig und das alte beträchtlich entfernt war; beide Lager wurden nach einander fast ohne Gegenwehr erobert. Die Masse der geschlagenen Armee warf die Waffen weg und bat um Quartier; aber Caesars Soldaten waren nicht mehr die- selben, die vor Ilerda willig der Schlacht sich enthalten, bei Pharsalos der Wehrlosen ehrenhaft geschont hatten. Die Ge- wohnheit des Bürgerkriegs und der von der Meuterei zurückge- bliebene Groll machten auf dem Schlachtfelde von Thapsus in schrecklicher Weise sich geltend. Wenn der Hydra, mit der man kämpfte, stets neue Köpfe nachwuchsen, wenn die Armee von Italien nach Spanien, von Spanien nach Makedonien, von Make- donien nach Africa geschleudert ward, die immer heiſser ersehnte Ruhe immer nicht kam, so suchte, und nicht ganz mit Unrecht, der Soldat davon den Grund in Caesars unzeitiger Milde. Er hatte es sich geschworen nachzuholen, was der Feldherr versäumt und blieb taub für das Flehen der entwaffneten Mitbürger wie für die Befehle Caesars und der höheren Offiziere. Die funfzig- tausend Leichen, die das Schlachtfeld von Thapsus bedeckten, darunter auch einzelne als heimliche Gegner der neuen Monar- chie bekannte und deſshalb von ihren eigenen Leuten niederge- machte caesarische Offiziere, zeigten, wie der Soldat sich Ruhe schafft. Die siegende Armee dagegen zählte nicht mehr als funfzig Todte (6. April 708). — Eine Fortsetzung des Kampfes fand nach der Schlacht von Thapsus so wenig in Africa statt wie andert- halb Jahre zuvor im Osten nach der pharsalischen Niederlage. Cato als Commandant von Utica berief den Senat, legte den Stand der Vertheidigungsmittel dar und stellte es zur Entschei- dung der Versammelten, ob man sich unterwerfen oder bis auf den letzten Mann sich vertheidigen wolle, einzig sie beschwörend nicht jeder für sich, sondern alle für einen zu beschlieſsen und zu handeln. Die muthigere Meinung fand manchen Vertreter; es wurde beantragt die waffenfähigen Sclaven von Staatswegen frei-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/433>, abgerufen am 22.05.2024.