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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
vom Schicksal sich treiben liessen und auch die den Kampf fort-
zusetzen entschieden waren, nicht wussten wie noch wo, hatte
Caesar, wie immer rasch entschlossen und rasch handelnd, alles
bei Seite gelassen um Pompeius zu verfolgen, den einzigen seiner
Gegner, den er als Offizier achtete und denjenigen, durch dessen
persönliche Gefangennahme wenigstens die eine und vielleicht die
gefährlichere Hälfte seiner Gegner wahrscheinlich paralysirt ward.
Mit weniger Mannschaft fuhr er über den Hellespont -- seine ein-
zelne Barke traf in demselben auf eine feindliche nach dem
schwarzen Meer bestimmte Flotte und nahm dieselbe mit ihrer
durch die Kunde von der pharsalischen Schlacht wie mit Betäu-
bung geschlagenen Mannschaft gefangen -- und eilte, so wie
die nothwendigsten Anordnungen getroffen waren, Pompeius in
den Osten nach. Pompeius war vom pharsalischen Schlachtfeld
nach Lesbos gegangen, wo er seine Gemahlin und seinen zweiten
Sohn Sextus abholte, und weiter um Kleinasien herum nach Kili-
kien und von da nach Kypros gesegelt. Er hätte zu seinen Partei-
genossen nach Kerkyra oder Africa gelangen können; allein der
Widerwille gegen seine aristokratischen Verbündeten und der Ge-
danke an die Aufnahme, die nach dem Tage von Pharsalos und
vor allem nach seiner schimpflichen Flucht ihn dort erwartete,
scheinen ihn bewogen zu haben seinen Weg für sich zu gehen und
lieber in den Schutz des Partherkönigs als in den Catos sich zu
begeben. Während er beschäftigt war von den römischen Steuer-
pächtern und Kaufleuten auf Kypros Geld und Sclaven beizutreiben
und einen Haufen von 2000 Sclaven zu bewaffnen, erhielt er die
Nachricht, dass Antiochia sich für Caesar erklärt habe und der
Weg zu den Parthern nicht mehr offen sei. So änderte er seinen
Plan und ging unter Segel nach Aegypten, wo in dem Heere eine
Menge seiner alten Soldaten dienten und die Lage und die reichen
Hülfsmittel des Landes Zeit und Gelegenheit gewährten den Krieg
zu reorganisiren. -- In Aegypten hatten nach Ptolemaeos Auletes
Tode (Mai 703) dessen Kinder, die etwa sechzehnjährige Kleo-
patra und der zehnjährige Ptolemaeos Dionysos, nach dem Willen
ihres Vaters gemeinschaftlich und als Gatten den Thron bestie-
gen; allein bald vertrieb der Bruder oder vielmehr dessen Vor-
mund Potheinos die Schwester aus dem Reiche. Kleopatra floh
nach Syrien und suchte von da in ihr väterliches Reich zurück-
zukommen; und Ptolemaeos und Potheinos standen eben, um
gegen sie die Ostgrenze zu decken, mit der ganzen aegyptischen
Armee bei Pelusion, als Pompeius bei dem kasischen Vorgebirge
vor Anker ging und den König ersuchen liess ihm die Landung

FÜNFTES BUCH. KAPITEL X.
vom Schicksal sich treiben lieſsen und auch die den Kampf fort-
zusetzen entschieden waren, nicht wuſsten wie noch wo, hatte
Caesar, wie immer rasch entschlossen und rasch handelnd, alles
bei Seite gelassen um Pompeius zu verfolgen, den einzigen seiner
Gegner, den er als Offizier achtete und denjenigen, durch dessen
persönliche Gefangennahme wenigstens die eine und vielleicht die
gefährlichere Hälfte seiner Gegner wahrscheinlich paralysirt ward.
Mit weniger Mannschaft fuhr er über den Hellespont — seine ein-
zelne Barke traf in demselben auf eine feindliche nach dem
schwarzen Meer bestimmte Flotte und nahm dieselbe mit ihrer
durch die Kunde von der pharsalischen Schlacht wie mit Betäu-
bung geschlagenen Mannschaft gefangen — und eilte, so wie
die nothwendigsten Anordnungen getroffen waren, Pompeius in
den Osten nach. Pompeius war vom pharsalischen Schlachtfeld
nach Lesbos gegangen, wo er seine Gemahlin und seinen zweiten
Sohn Sextus abholte, und weiter um Kleinasien herum nach Kili-
kien und von da nach Kypros gesegelt. Er hätte zu seinen Partei-
genossen nach Kerkyra oder Africa gelangen können; allein der
Widerwille gegen seine aristokratischen Verbündeten und der Ge-
danke an die Aufnahme, die nach dem Tage von Pharsalos und
vor allem nach seiner schimpflichen Flucht ihn dort erwartete,
scheinen ihn bewogen zu haben seinen Weg für sich zu gehen und
lieber in den Schutz des Partherkönigs als in den Catos sich zu
begeben. Während er beschäftigt war von den römischen Steuer-
pächtern und Kaufleuten auf Kypros Geld und Sclaven beizutreiben
und einen Haufen von 2000 Sclaven zu bewaffnen, erhielt er die
Nachricht, daſs Antiochia sich für Caesar erklärt habe und der
Weg zu den Parthern nicht mehr offen sei. So änderte er seinen
Plan und ging unter Segel nach Aegypten, wo in dem Heere eine
Menge seiner alten Soldaten dienten und die Lage und die reichen
Hülfsmittel des Landes Zeit und Gelegenheit gewährten den Krieg
zu reorganisiren. — In Aegypten hatten nach Ptolemaeos Auletes
Tode (Mai 703) dessen Kinder, die etwa sechzehnjährige Kleo-
patra und der zehnjährige Ptolemaeos Dionysos, nach dem Willen
ihres Vaters gemeinschaftlich und als Gatten den Thron bestie-
gen; allein bald vertrieb der Bruder oder vielmehr dessen Vor-
mund Potheinos die Schwester aus dem Reiche. Kleopatra floh
nach Syrien und suchte von da in ihr väterliches Reich zurück-
zukommen; und Ptolemaeos und Potheinos standen eben, um
gegen sie die Ostgrenze zu decken, mit der ganzen aegyptischen
Armee bei Pelusion, als Pompeius bei dem kasischen Vorgebirge
vor Anker ging und den König ersuchen lieſs ihm die Landung

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[402/0412] FÜNFTES BUCH. KAPITEL X. vom Schicksal sich treiben lieſsen und auch die den Kampf fort- zusetzen entschieden waren, nicht wuſsten wie noch wo, hatte Caesar, wie immer rasch entschlossen und rasch handelnd, alles bei Seite gelassen um Pompeius zu verfolgen, den einzigen seiner Gegner, den er als Offizier achtete und denjenigen, durch dessen persönliche Gefangennahme wenigstens die eine und vielleicht die gefährlichere Hälfte seiner Gegner wahrscheinlich paralysirt ward. Mit weniger Mannschaft fuhr er über den Hellespont — seine ein- zelne Barke traf in demselben auf eine feindliche nach dem schwarzen Meer bestimmte Flotte und nahm dieselbe mit ihrer durch die Kunde von der pharsalischen Schlacht wie mit Betäu- bung geschlagenen Mannschaft gefangen — und eilte, so wie die nothwendigsten Anordnungen getroffen waren, Pompeius in den Osten nach. Pompeius war vom pharsalischen Schlachtfeld nach Lesbos gegangen, wo er seine Gemahlin und seinen zweiten Sohn Sextus abholte, und weiter um Kleinasien herum nach Kili- kien und von da nach Kypros gesegelt. Er hätte zu seinen Partei- genossen nach Kerkyra oder Africa gelangen können; allein der Widerwille gegen seine aristokratischen Verbündeten und der Ge- danke an die Aufnahme, die nach dem Tage von Pharsalos und vor allem nach seiner schimpflichen Flucht ihn dort erwartete, scheinen ihn bewogen zu haben seinen Weg für sich zu gehen und lieber in den Schutz des Partherkönigs als in den Catos sich zu begeben. Während er beschäftigt war von den römischen Steuer- pächtern und Kaufleuten auf Kypros Geld und Sclaven beizutreiben und einen Haufen von 2000 Sclaven zu bewaffnen, erhielt er die Nachricht, daſs Antiochia sich für Caesar erklärt habe und der Weg zu den Parthern nicht mehr offen sei. So änderte er seinen Plan und ging unter Segel nach Aegypten, wo in dem Heere eine Menge seiner alten Soldaten dienten und die Lage und die reichen Hülfsmittel des Landes Zeit und Gelegenheit gewährten den Krieg zu reorganisiren. — In Aegypten hatten nach Ptolemaeos Auletes Tode (Mai 703) dessen Kinder, die etwa sechzehnjährige Kleo- patra und der zehnjährige Ptolemaeos Dionysos, nach dem Willen ihres Vaters gemeinschaftlich und als Gatten den Thron bestie- gen; allein bald vertrieb der Bruder oder vielmehr dessen Vor- mund Potheinos die Schwester aus dem Reiche. Kleopatra floh nach Syrien und suchte von da in ihr väterliches Reich zurück- zukommen; und Ptolemaeos und Potheinos standen eben, um gegen sie die Ostgrenze zu decken, mit der ganzen aegyptischen Armee bei Pelusion, als Pompeius bei dem kasischen Vorgebirge vor Anker ging und den König ersuchen lieſs ihm die Landung

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/412>, abgerufen am 22.05.2024.