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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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PHARSALOS.
Offensive durchzuführen war vollständig gescheitert. Auf dem bis-
herigen Kriegsschauplatz fand er sich einer unbezwinglichen De-
fensive gegenüber und vermochte weder gegen Dyrrhachion noch
gegen das feindliche Heer einen ernstlichen Schlag auszuführen;
dagegen hing es jetzt nur von Pompeius ab gegen den bereits in
seinen Subsistenzmitteln sehr gefährdeten Gegner unter den gün-
stigsten Verhältnissen die Offensive zu ergreifen. Der Krieg war
an einem Wendepunct angelangt. Bisher hatte Pompeius, allem
Anschein nach, das Kriegsspiel ohne eigenen Plan gespielt und nur
nach dem jedesmaligen Angriff seine Vertheidigung bemessen; es
war dies nicht gerade zu tadeln, da das Hinziehen des Krieges ihm
Gelegenheit gab seine Rekruten schlagfähig zu machen, seine Re-
serven heranzuziehen und das Uebergewicht seiner Flotte im adria-
tischen Meer immer vollständiger zu entwickeln. Durch die Nie-
derlagen von Dyrrhachion aber hatte die Lage der Dinge sich völlig
verwandelt. Zwar Pompeius nicht ungegründete Erwartung, dass
die feindliche Armee durch Hunger und Meuterei bald in völlige
Auflösung gerathen werde, ward durch die eminente soldatische
Energie der Veteranen Caesars vereitelt; allein Caesar war allerdings
nicht bloss taktisch, sondern auch strategisch geschlagen und er
schien weder in seiner gegenwärtigen Stellung sich behaupten noch
dieselbe zweckmässig wechseln zu können. Jetzt war es an Pom-
peius die Offensive zu ergreifen; und er war dazu entschlossen.

Es boten sich dem Sieger drei verschiedene Wege dar um
seinen Sieg fruchtbar zu machen. Der erste und einfachste war
von der überwundenen Armee nicht abzulassen und, wenn sie
aufbrach, sie zu verfolgen. Ferner konnte Pompeius Caesar selbst
und dessen Kerntruppen in Griechenland stehen lassen und
selber, wie er längst es vorbereitet hatte, mit der Hauptarmee
nach Italien überfahren, wo die Stimmung entschieden antimo-
narchisch war und die Streitmacht Caesars nach Entsendung der
besten Truppen und des tapfern und zuverlässigen Commandan-
ten zu der griechischen Armee nicht gar viel bedeuten wollte.
Endlich konnte der Sieger sich auch in das Binnenland wenden,
die Legionen des Metellus Scipio an sich ziehen und versuchen
die im Binnenlande stehenden Truppen Caesars aufzuheben. Es
hatte nämlich dieser, unmittelbar nachdem der zweite Trans-
port bei ihm eingetroffen war, theils, um die Subsistenzmittel für
seine Armee herbeizuschaffen, starke Detachements nach Aetolien
und Thessalien entsandt, theils ein Corps von zwei Legionen un-
ter Gnaeus Domitius Calvinus auf der egnatischen Chaussee ge-
gen Makedonien vorgehen lassen, das dem auf derselben Strasse

PHARSALOS.
Offensive durchzuführen war vollständig gescheitert. Auf dem bis-
herigen Kriegsschauplatz fand er sich einer unbezwinglichen De-
fensive gegenüber und vermochte weder gegen Dyrrhachion noch
gegen das feindliche Heer einen ernstlichen Schlag auszuführen;
dagegen hing es jetzt nur von Pompeius ab gegen den bereits in
seinen Subsistenzmitteln sehr gefährdeten Gegner unter den gün-
stigsten Verhältnissen die Offensive zu ergreifen. Der Krieg war
an einem Wendepunct angelangt. Bisher hatte Pompeius, allem
Anschein nach, das Kriegsspiel ohne eigenen Plan gespielt und nur
nach dem jedesmaligen Angriff seine Vertheidigung bemessen; es
war dies nicht gerade zu tadeln, da das Hinziehen des Krieges ihm
Gelegenheit gab seine Rekruten schlagfähig zu machen, seine Re-
serven heranzuziehen und das Uebergewicht seiner Flotte im adria-
tischen Meer immer vollständiger zu entwickeln. Durch die Nie-
derlagen von Dyrrhachion aber hatte die Lage der Dinge sich völlig
verwandelt. Zwar Pompeius nicht ungegründete Erwartung, daſs
die feindliche Armee durch Hunger und Meuterei bald in völlige
Auflösung gerathen werde, ward durch die eminente soldatische
Energie der Veteranen Caesars vereitelt; allein Caesar war allerdings
nicht bloſs taktisch, sondern auch strategisch geschlagen und er
schien weder in seiner gegenwärtigen Stellung sich behaupten noch
dieselbe zweckmäſsig wechseln zu können. Jetzt war es an Pom-
peius die Offensive zu ergreifen; und er war dazu entschlossen.

Es boten sich dem Sieger drei verschiedene Wege dar um
seinen Sieg fruchtbar zu machen. Der erste und einfachste war
von der überwundenen Armee nicht abzulassen und, wenn sie
aufbrach, sie zu verfolgen. Ferner konnte Pompeius Caesar selbst
und dessen Kerntruppen in Griechenland stehen lassen und
selber, wie er längst es vorbereitet hatte, mit der Hauptarmee
nach Italien überfahren, wo die Stimmung entschieden antimo-
narchisch war und die Streitmacht Caesars nach Entsendung der
besten Truppen und des tapfern und zuverlässigen Commandan-
ten zu der griechischen Armee nicht gar viel bedeuten wollte.
Endlich konnte der Sieger sich auch in das Binnenland wenden,
die Legionen des Metellus Scipio an sich ziehen und versuchen
die im Binnenlande stehenden Truppen Caesars aufzuheben. Es
hatte nämlich dieser, unmittelbar nachdem der zweite Trans-
port bei ihm eingetroffen war, theils, um die Subsistenzmittel für
seine Armee herbeizuschaffen, starke Detachements nach Aetolien
und Thessalien entsandt, theils ein Corps von zwei Legionen un-
ter Gnaeus Domitius Calvinus auf der egnatischen Chaussee ge-
gen Makedonien vorgehen lassen, das dem auf derselben Straſse

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[389/0399] PHARSALOS. Offensive durchzuführen war vollständig gescheitert. Auf dem bis- herigen Kriegsschauplatz fand er sich einer unbezwinglichen De- fensive gegenüber und vermochte weder gegen Dyrrhachion noch gegen das feindliche Heer einen ernstlichen Schlag auszuführen; dagegen hing es jetzt nur von Pompeius ab gegen den bereits in seinen Subsistenzmitteln sehr gefährdeten Gegner unter den gün- stigsten Verhältnissen die Offensive zu ergreifen. Der Krieg war an einem Wendepunct angelangt. Bisher hatte Pompeius, allem Anschein nach, das Kriegsspiel ohne eigenen Plan gespielt und nur nach dem jedesmaligen Angriff seine Vertheidigung bemessen; es war dies nicht gerade zu tadeln, da das Hinziehen des Krieges ihm Gelegenheit gab seine Rekruten schlagfähig zu machen, seine Re- serven heranzuziehen und das Uebergewicht seiner Flotte im adria- tischen Meer immer vollständiger zu entwickeln. Durch die Nie- derlagen von Dyrrhachion aber hatte die Lage der Dinge sich völlig verwandelt. Zwar Pompeius nicht ungegründete Erwartung, daſs die feindliche Armee durch Hunger und Meuterei bald in völlige Auflösung gerathen werde, ward durch die eminente soldatische Energie der Veteranen Caesars vereitelt; allein Caesar war allerdings nicht bloſs taktisch, sondern auch strategisch geschlagen und er schien weder in seiner gegenwärtigen Stellung sich behaupten noch dieselbe zweckmäſsig wechseln zu können. Jetzt war es an Pom- peius die Offensive zu ergreifen; und er war dazu entschlossen. Es boten sich dem Sieger drei verschiedene Wege dar um seinen Sieg fruchtbar zu machen. Der erste und einfachste war von der überwundenen Armee nicht abzulassen und, wenn sie aufbrach, sie zu verfolgen. Ferner konnte Pompeius Caesar selbst und dessen Kerntruppen in Griechenland stehen lassen und selber, wie er längst es vorbereitet hatte, mit der Hauptarmee nach Italien überfahren, wo die Stimmung entschieden antimo- narchisch war und die Streitmacht Caesars nach Entsendung der besten Truppen und des tapfern und zuverlässigen Commandan- ten zu der griechischen Armee nicht gar viel bedeuten wollte. Endlich konnte der Sieger sich auch in das Binnenland wenden, die Legionen des Metellus Scipio an sich ziehen und versuchen die im Binnenlande stehenden Truppen Caesars aufzuheben. Es hatte nämlich dieser, unmittelbar nachdem der zweite Trans- port bei ihm eingetroffen war, theils, um die Subsistenzmittel für seine Armee herbeizuschaffen, starke Detachements nach Aetolien und Thessalien entsandt, theils ein Corps von zwei Legionen un- ter Gnaeus Domitius Calvinus auf der egnatischen Chaussee ge- gen Makedonien vorgehen lassen, das dem auf derselben Straſse

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/399>, abgerufen am 15.05.2024.