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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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hinderte auch den Vibullius wenigstens mit der Mannschaft aus
Picenum nach Apulien abzumarschiren. So fest hielt er sich
überzeugt, dass Pompeius nur aus Eigensinn zaudere und noth-
wendig zum Entsatz herbeikommen müsse, dass er kaum sich
ernstlich auf die Belagerung gefasst machte und nicht einmal
die in die umliegenden Städte verlegten Rekrutenhaufen in Cor-
finium zusammenzog. Pompeius kam nicht, da er seine beiden
unzuverlässigen Legionen wohl als Rückhalt für den picentischen
Landsturm verwenden, aber nicht mit ihnen allein Caesar die
Schlacht anbieten konnte. Statt seiner kam Caesar (14. Febr.).
Zu den Truppen desselben war in Picenum die zwölfte und vor
Corfinium die achte Legion von den transalpinischen gestossen
und ausserdem wurden theils aus den pompeianischen gefange-
nen oder freiwillig sich stellenden, theils aus den auf Caesars
Befehl überall ausgehobenen Rekruten drei neue Legionen gebil-
det, so dass er vor Corfinium bereits an der Spitze einer Armee
von 40,000 Mann, zur Hälfte gedienter Leute stand. So lange
Domitius auf Pompeius Eintreffen hoffte, liess er die Stadt ver-
theidigen; als dessen Briefe ihn endlich enttäuscht hatten, be-
schloss er nicht etwa auf dem verlorenen Posten auszuharren,
womit er seiner Partei den grössten Dienst geleistet haben würde,
auch nicht einmal zu capituliren, sondern, während dem gemei-
nen Soldaten der Entsatz als nahe bevorstehend angekündigt
ward, selbst mit den vornehmen Offizieren in der nächsten Nacht
auszureissen. Indess selbst diesen sauberen Plan ins Werk zu
setzen verstand er nicht. Sein verwirrtes Benehmen verrieth ihn.
Ein Theil der Mannschaften fing an zu meutern; die marsischen
Rekruten, die eine solche Schändlichkeit ihres Feldherrn nicht
für möglich hielten, wollten gegen die Meuterer kämpfen; aber
auch sie mussten sich widerwillig von der Wahrheit der Anschul-
digung überzeugen, worauf denn die gesammte Besatzung ihren
Stab festnahm und ihn, sich und die Stadt an Caesar übergab
(20. Febr.). Das 3000 Mann starke Corps in Alba und 1500 in
Tarracina gesammelte Rekruten ergaben sich hierauf, so wie
Caesars Reiterpatrouillen sich zeigten; eine dritte Abtheilung in
Sulmo von 3500 Mann war bereits früher genöthigt worden zu
capituliren. -- Pompeius hatte Italien verloren gegeben, so wie
Caesar Picenum eingenommen hatte; nur wollte er die Einschif-
fung so lange wie möglich verzögern, um von den Mannschaften
zu retten, was noch zu retten war. Langsam hatte er sich dem-
nach nach dem nächsten Hafenplatz Brundisium in Bewegung ge-
setzt. Hier fanden die beiden Legionen von Luceria und was Pom-

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BRUNDISIUM.
hinderte auch den Vibullius wenigstens mit der Mannschaft aus
Picenum nach Apulien abzumarschiren. So fest hielt er sich
überzeugt, daſs Pompeius nur aus Eigensinn zaudere und noth-
wendig zum Entsatz herbeikommen müsse, daſs er kaum sich
ernstlich auf die Belagerung gefaſst machte und nicht einmal
die in die umliegenden Städte verlegten Rekrutenhaufen in Cor-
finium zusammenzog. Pompeius kam nicht, da er seine beiden
unzuverlässigen Legionen wohl als Rückhalt für den picentischen
Landsturm verwenden, aber nicht mit ihnen allein Caesar die
Schlacht anbieten konnte. Statt seiner kam Caesar (14. Febr.).
Zu den Truppen desselben war in Picenum die zwölfte und vor
Corfinium die achte Legion von den transalpinischen gestoſsen
und auſserdem wurden theils aus den pompeianischen gefange-
nen oder freiwillig sich stellenden, theils aus den auf Caesars
Befehl überall ausgehobenen Rekruten drei neue Legionen gebil-
det, so daſs er vor Corfinium bereits an der Spitze einer Armee
von 40,000 Mann, zur Hälfte gedienter Leute stand. So lange
Domitius auf Pompeius Eintreffen hoffte, lieſs er die Stadt ver-
theidigen; als dessen Briefe ihn endlich enttäuscht hatten, be-
schloſs er nicht etwa auf dem verlorenen Posten auszuharren,
womit er seiner Partei den gröſsten Dienst geleistet haben würde,
auch nicht einmal zu capituliren, sondern, während dem gemei-
nen Soldaten der Entsatz als nahe bevorstehend angekündigt
ward, selbst mit den vornehmen Offizieren in der nächsten Nacht
auszureiſsen. Indeſs selbst diesen sauberen Plan ins Werk zu
setzen verstand er nicht. Sein verwirrtes Benehmen verrieth ihn.
Ein Theil der Mannschaften fing an zu meutern; die marsischen
Rekruten, die eine solche Schändlichkeit ihres Feldherrn nicht
für möglich hielten, wollten gegen die Meuterer kämpfen; aber
auch sie muſsten sich widerwillig von der Wahrheit der Anschul-
digung überzeugen, worauf denn die gesammte Besatzung ihren
Stab festnahm und ihn, sich und die Stadt an Caesar übergab
(20. Febr.). Das 3000 Mann starke Corps in Alba und 1500 in
Tarracina gesammelte Rekruten ergaben sich hierauf, so wie
Caesars Reiterpatrouillen sich zeigten; eine dritte Abtheilung in
Sulmo von 3500 Mann war bereits früher genöthigt worden zu
capituliren. — Pompeius hatte Italien verloren gegeben, so wie
Caesar Picenum eingenommen hatte; nur wollte er die Einschif-
fung so lange wie möglich verzögern, um von den Mannschaften
zu retten, was noch zu retten war. Langsam hatte er sich dem-
nach nach dem nächsten Hafenplatz Brundisium in Bewegung ge-
setzt. Hier fanden die beiden Legionen von Luceria und was Pom-

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[355/0365] BRUNDISIUM. hinderte auch den Vibullius wenigstens mit der Mannschaft aus Picenum nach Apulien abzumarschiren. So fest hielt er sich überzeugt, daſs Pompeius nur aus Eigensinn zaudere und noth- wendig zum Entsatz herbeikommen müsse, daſs er kaum sich ernstlich auf die Belagerung gefaſst machte und nicht einmal die in die umliegenden Städte verlegten Rekrutenhaufen in Cor- finium zusammenzog. Pompeius kam nicht, da er seine beiden unzuverlässigen Legionen wohl als Rückhalt für den picentischen Landsturm verwenden, aber nicht mit ihnen allein Caesar die Schlacht anbieten konnte. Statt seiner kam Caesar (14. Febr.). Zu den Truppen desselben war in Picenum die zwölfte und vor Corfinium die achte Legion von den transalpinischen gestoſsen und auſserdem wurden theils aus den pompeianischen gefange- nen oder freiwillig sich stellenden, theils aus den auf Caesars Befehl überall ausgehobenen Rekruten drei neue Legionen gebil- det, so daſs er vor Corfinium bereits an der Spitze einer Armee von 40,000 Mann, zur Hälfte gedienter Leute stand. So lange Domitius auf Pompeius Eintreffen hoffte, lieſs er die Stadt ver- theidigen; als dessen Briefe ihn endlich enttäuscht hatten, be- schloſs er nicht etwa auf dem verlorenen Posten auszuharren, womit er seiner Partei den gröſsten Dienst geleistet haben würde, auch nicht einmal zu capituliren, sondern, während dem gemei- nen Soldaten der Entsatz als nahe bevorstehend angekündigt ward, selbst mit den vornehmen Offizieren in der nächsten Nacht auszureiſsen. Indeſs selbst diesen sauberen Plan ins Werk zu setzen verstand er nicht. Sein verwirrtes Benehmen verrieth ihn. Ein Theil der Mannschaften fing an zu meutern; die marsischen Rekruten, die eine solche Schändlichkeit ihres Feldherrn nicht für möglich hielten, wollten gegen die Meuterer kämpfen; aber auch sie muſsten sich widerwillig von der Wahrheit der Anschul- digung überzeugen, worauf denn die gesammte Besatzung ihren Stab festnahm und ihn, sich und die Stadt an Caesar übergab (20. Febr.). Das 3000 Mann starke Corps in Alba und 1500 in Tarracina gesammelte Rekruten ergaben sich hierauf, so wie Caesars Reiterpatrouillen sich zeigten; eine dritte Abtheilung in Sulmo von 3500 Mann war bereits früher genöthigt worden zu capituliren. — Pompeius hatte Italien verloren gegeben, so wie Caesar Picenum eingenommen hatte; nur wollte er die Einschif- fung so lange wie möglich verzögern, um von den Mannschaften zu retten, was noch zu retten war. Langsam hatte er sich dem- nach nach dem nächsten Hafenplatz Brundisium in Bewegung ge- setzt. Hier fanden die beiden Legionen von Luceria und was Pom- 23*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/365>, abgerufen am 15.05.2024.