Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. aber dennoch war es nicht gering anzuschlagen, dass Caesar denRechtsboden bis auf das Aeusserste festgehalten und Pompeius gezwungen hatte den Krieg zu erklären, und ihn zu erklären nicht als Vertreter der legitimen Gewalt, sondern als Feldherr einer of- fenbar revolutionären und die Mehrheit terrorisirenden Senats- minorität. Jetzt, wo der Krieg erklärt war, lag es in Caesars In- teresse baldmöglichst zum Schlagen zu kommen. Die Rüstungen der Gegner waren erst im Beginnen und selbst die Hauptstadt unbesetzt. In zehn bis zwölf Tagen konnte daselbst eine den in Oberitalien stehenden Truppen Caesars dreifach überlegene Ar- mee beisammen sein; aber noch war es nicht unmöglich Rom unvertheidigt zu überrumpeln, ja vielleicht durch einen raschen Winterfeldzug ganz Italien einzunehmen und den Gegnern ihre besten Hülfsquellen zu verschliessen, bevor sie noch dieselben nutzbar zu machen vermochten. Der kluge und energische Cu- rio, der nach Niederlegung seines Tribunats (10. Dec. 704) so- fort zu Caesar nach Ravenna gegangen war, stellte seinem Mei- ster die Lage der Dinge lebhaft vor und es bedurfte dessen nicht um Caesar zu überzeugen, dass jetzt das Zaudern nur schaden könne. Allein da er, um nicht den Gegnern Veranlassung zu Be- schwerden zu geben, nach Ravenna selbst bisher keine Truppen gezogen hatte, konnte er für jetzt nichts thun als seinen sämmt- lichen Corps den Befehl zum schleunigsten Aufbruch zufertigen. Die Zwischenzeit, bis wenigstens die eine am nächsten stehende Legion in Ravenna eintraf, nützte er, um ein letztes Ultimatum nach Rom zu senden, das wenn zu nichts anderem gut, doch durch Nachgiebigkeit bis aufs Aeusserste seine Gegner noch wei- ter in der öffentlichen Meinung compromittirte und vielleicht sogar, indem Caesar zu zaudern schien, sie bestimmte die Rü- stungen gegen ihn lässiger zu betreiben. In diesem Ultima- tum erbot sich Caesar auf die Cumulirung des Consulats und des Proconsulats zu verzichten und sofort sowohl die Statt- halterschaft des jenseitigen Galliens niederzulegen als auch von den zehn ihm eigenen Legionen acht aufzulösen; er bedang sich nichts, als dass entweder die Statthalterschaft des diesseitigen Galliens und Illyriens mit einer, oder auch die des diesseitigen Galliens allein mit zwei Legionen ihm bis zur Uebernahme des Consulats verbleibe und liess alle Pompeius früher zugemuthe- ten Concessionen fallen. Ob es Caesar mit diesen erstaunli- chen Zugeständnissen Ernst war und er sein Spiel gegen Pom- peius selbst bei solchem Vorgeben durchführen zu können sich getraute, oder ob er darauf rechnete, dass man auf der anderen FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. aber dennoch war es nicht gering anzuschlagen, daſs Caesar denRechtsboden bis auf das Aeuſserste festgehalten und Pompeius gezwungen hatte den Krieg zu erklären, und ihn zu erklären nicht als Vertreter der legitimen Gewalt, sondern als Feldherr einer of- fenbar revolutionären und die Mehrheit terrorisirenden Senats- minorität. Jetzt, wo der Krieg erklärt war, lag es in Caesars In- teresse baldmöglichst zum Schlagen zu kommen. Die Rüstungen der Gegner waren erst im Beginnen und selbst die Hauptstadt unbesetzt. In zehn bis zwölf Tagen konnte daselbst eine den in Oberitalien stehenden Truppen Caesars dreifach überlegene Ar- mee beisammen sein; aber noch war es nicht unmöglich Rom unvertheidigt zu überrumpeln, ja vielleicht durch einen raschen Winterfeldzug ganz Italien einzunehmen und den Gegnern ihre besten Hülfsquellen zu verschlieſsen, bevor sie noch dieselben nutzbar zu machen vermochten. Der kluge und energische Cu- rio, der nach Niederlegung seines Tribunats (10. Dec. 704) so- fort zu Caesar nach Ravenna gegangen war, stellte seinem Mei- ster die Lage der Dinge lebhaft vor und es bedurfte dessen nicht um Caesar zu überzeugen, daſs jetzt das Zaudern nur schaden könne. Allein da er, um nicht den Gegnern Veranlassung zu Be- schwerden zu geben, nach Ravenna selbst bisher keine Truppen gezogen hatte, konnte er für jetzt nichts thun als seinen sämmt- lichen Corps den Befehl zum schleunigsten Aufbruch zufertigen. Die Zwischenzeit, bis wenigstens die eine am nächsten stehende Legion in Ravenna eintraf, nützte er, um ein letztes Ultimatum nach Rom zu senden, das wenn zu nichts anderem gut, doch durch Nachgiebigkeit bis aufs Aeuſserste seine Gegner noch wei- ter in der öffentlichen Meinung compromittirte und vielleicht sogar, indem Caesar zu zaudern schien, sie bestimmte die Rü- stungen gegen ihn lässiger zu betreiben. In diesem Ultima- tum erbot sich Caesar auf die Cumulirung des Consulats und des Proconsulats zu verzichten und sofort sowohl die Statt- halterschaft des jenseitigen Galliens niederzulegen als auch von den zehn ihm eigenen Legionen acht aufzulösen; er bedang sich nichts, als daſs entweder die Statthalterschaft des diesseitigen Galliens und Illyriens mit einer, oder auch die des diesseitigen Galliens allein mit zwei Legionen ihm bis zur Uebernahme des Consulats verbleibe und lieſs alle Pompeius früher zugemuthe- ten Concessionen fallen. Ob es Caesar mit diesen erstaunli- chen Zugeständnissen Ernst war und er sein Spiel gegen Pom- peius selbst bei solchem Vorgeben durchführen zu können sich getraute, oder ob er darauf rechnete, daſs man auf der anderen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0348" n="338"/><fw place="top" type="header">FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.</fw><lb/> aber dennoch war es nicht gering anzuschlagen, daſs Caesar den<lb/> Rechtsboden bis auf das Aeuſserste festgehalten und Pompeius<lb/> gezwungen hatte den Krieg zu erklären, und ihn zu erklären nicht<lb/> als Vertreter der legitimen Gewalt, sondern als Feldherr einer of-<lb/> fenbar revolutionären und die Mehrheit terrorisirenden Senats-<lb/> minorität. Jetzt, wo der Krieg erklärt war, lag es in Caesars In-<lb/> teresse baldmöglichst zum Schlagen zu kommen. Die Rüstungen<lb/> der Gegner waren erst im Beginnen und selbst die Hauptstadt<lb/> unbesetzt. In zehn bis zwölf Tagen konnte daselbst eine den in<lb/> Oberitalien stehenden Truppen Caesars dreifach überlegene Ar-<lb/> mee beisammen sein; aber noch war es nicht unmöglich Rom<lb/> unvertheidigt zu überrumpeln, ja vielleicht durch einen raschen<lb/> Winterfeldzug ganz Italien einzunehmen und den Gegnern ihre<lb/> besten Hülfsquellen zu verschlieſsen, bevor sie noch dieselben<lb/> nutzbar zu machen vermochten. Der kluge und energische Cu-<lb/> rio, der nach Niederlegung seines Tribunats (10. Dec. 704) so-<lb/> fort zu Caesar nach Ravenna gegangen war, stellte seinem Mei-<lb/> ster die Lage der Dinge lebhaft vor und es bedurfte dessen nicht<lb/> um Caesar zu überzeugen, daſs jetzt das Zaudern nur schaden<lb/> könne. 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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
aber dennoch war es nicht gering anzuschlagen, daſs Caesar den
Rechtsboden bis auf das Aeuſserste festgehalten und Pompeius
gezwungen hatte den Krieg zu erklären, und ihn zu erklären nicht
als Vertreter der legitimen Gewalt, sondern als Feldherr einer of-
fenbar revolutionären und die Mehrheit terrorisirenden Senats-
minorität. Jetzt, wo der Krieg erklärt war, lag es in Caesars In-
teresse baldmöglichst zum Schlagen zu kommen. Die Rüstungen
der Gegner waren erst im Beginnen und selbst die Hauptstadt
unbesetzt. In zehn bis zwölf Tagen konnte daselbst eine den in
Oberitalien stehenden Truppen Caesars dreifach überlegene Ar-
mee beisammen sein; aber noch war es nicht unmöglich Rom
unvertheidigt zu überrumpeln, ja vielleicht durch einen raschen
Winterfeldzug ganz Italien einzunehmen und den Gegnern ihre
besten Hülfsquellen zu verschlieſsen, bevor sie noch dieselben
nutzbar zu machen vermochten. Der kluge und energische Cu-
rio, der nach Niederlegung seines Tribunats (10. Dec. 704) so-
fort zu Caesar nach Ravenna gegangen war, stellte seinem Mei-
ster die Lage der Dinge lebhaft vor und es bedurfte dessen nicht
um Caesar zu überzeugen, daſs jetzt das Zaudern nur schaden
könne. Allein da er, um nicht den Gegnern Veranlassung zu Be-
schwerden zu geben, nach Ravenna selbst bisher keine Truppen
gezogen hatte, konnte er für jetzt nichts thun als seinen sämmt-
lichen Corps den Befehl zum schleunigsten Aufbruch zufertigen.
Die Zwischenzeit, bis wenigstens die eine am nächsten stehende
Legion in Ravenna eintraf, nützte er, um ein letztes Ultimatum
nach Rom zu senden, das wenn zu nichts anderem gut, doch
durch Nachgiebigkeit bis aufs Aeuſserste seine Gegner noch wei-
ter in der öffentlichen Meinung compromittirte und vielleicht
sogar, indem Caesar zu zaudern schien, sie bestimmte die Rü-
stungen gegen ihn lässiger zu betreiben. In diesem Ultima-
tum erbot sich Caesar auf die Cumulirung des Consulats und
des Proconsulats zu verzichten und sofort sowohl die Statt-
halterschaft des jenseitigen Galliens niederzulegen als auch von
den zehn ihm eigenen Legionen acht aufzulösen; er bedang sich
nichts, als daſs entweder die Statthalterschaft des diesseitigen
Galliens und Illyriens mit einer, oder auch die des diesseitigen
Galliens allein mit zwei Legionen ihm bis zur Uebernahme des
Consulats verbleibe und lieſs alle Pompeius früher zugemuthe-
ten Concessionen fallen. Ob es Caesar mit diesen erstaunli-
chen Zugeständnissen Ernst war und er sein Spiel gegen Pom-
peius selbst bei solchem Vorgeben durchführen zu können sich
getraute, oder ob er darauf rechnete, daſs man auf der anderen
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