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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
das Publicum hatte abermals Gelegenheit Caesars offenkundige
Bestrebungen den Bürgerkrieg abzuwenden mit der perfiden
Kriegsvorbereitung der Gegner zu vergleichen. So verfloss der
Sommer 704 in schwüler Stille und der Tag, den Pompeius als
den unwiderruflich letzten Termin für Caesars Abberufung be-
zeichnet hatte, der 13. Nov. 704 kam allmählich heran. Caesar
hatte den Sommer benutzt um die transalpinischen Angelegen-
heiten schliesslich zu ordnen; die aufs Neue beginnenden Ver-
handlungen fanden ihn wieder in Ravenna. Die Vertagung hatte
den Gegnern Caesars keinen besseren Rath gebracht. Sie hatten
bisher die Abstimmung über Curios Antrag verhindert; jetzt fand
sie statt und constatirte die Niederlage der Partei des Pompeius
und Cato in ihrem ganzen Umfang. Mit 370 gegen 22 Stim-
men beschloss der Senat, dass die Proconsuln von Spanien und
Gallien beide aufzufordern seien ihre Aemter zugleich niederzu-
legen. Pompeius also ward vom Senat nicht minder abberufen
als Caesar und während Caesar bereit stand dem Befehl nachzu-
kommen, verweigerte Pompeius geradezu den Gehorsam. Der
vorsitzende Consul Gaius Marcellus, des Marcus Marcellus Vetter
und gleich diesem zur catonischen Partei gehörig, hielt der ser-
vilen Majorität eine bittere Strafpredigt; und ärgerlich war es
freilich so im eigenen Lager geschlagen zu werden und geschla-
gen mittelst der Phalanx der Memmen. Aber wo sollte der Sieg
auch herkommen unter einem Führer, der, statt kurz und be-
stimmt den Senatoren seine Befehle zu dictiren, sich auf seine
alten Tage bei einem Professor der Redekunst zum zweiten Mal
in die Lehre begab, um dem jugendfrischen glänzenden Talente
Curios mit seiner neu aufpolirten Eloquenz zu begegnen?

Auch die verfassungstreue Opposition war in der peinlich-
sten Lage. Sie zunächst hatte es übernommen die Dinge zum
Bruche zu treiben und den Senat mit sich fortzureissen, und
sah nun in der ärgerlichsten Weise ihr Fahrzeug auf den Sand-
bänken der schlaffen Majorität stranden. Von Pompeius muss-
ten ihre Führer in den Conferenzen die bittersten Vorwürfe hö-
ren; er wies mit Nachdruck und mit vollem Recht auf die Gefah-
ren des Scheinfriedens hin, und wenn es auch nur an ihm selber
lag den Knoten durch eine rasche That zu durchhauen, so wuss-
ten seine Verbündeten doch sehr wohl, dass diese von ihm nim-
mermehr erwartet werden durfte und dass es an ihnen war ein
Ende zu machen. Nachdem die Vorfechter der Verfassung und
des Senatregiments bereits früher die verfassungsmässigen Rechte
der Bürgerschaft und der Volkstribunen für inhaltlose Formali-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
das Publicum hatte abermals Gelegenheit Caesars offenkundige
Bestrebungen den Bürgerkrieg abzuwenden mit der perfiden
Kriegsvorbereitung der Gegner zu vergleichen. So verfloſs der
Sommer 704 in schwüler Stille und der Tag, den Pompeius als
den unwiderruflich letzten Termin für Caesars Abberufung be-
zeichnet hatte, der 13. Nov. 704 kam allmählich heran. Caesar
hatte den Sommer benutzt um die transalpinischen Angelegen-
heiten schlieſslich zu ordnen; die aufs Neue beginnenden Ver-
handlungen fanden ihn wieder in Ravenna. Die Vertagung hatte
den Gegnern Caesars keinen besseren Rath gebracht. Sie hatten
bisher die Abstimmung über Curios Antrag verhindert; jetzt fand
sie statt und constatirte die Niederlage der Partei des Pompeius
und Cato in ihrem ganzen Umfang. Mit 370 gegen 22 Stim-
men beschloſs der Senat, daſs die Proconsuln von Spanien und
Gallien beide aufzufordern seien ihre Aemter zugleich niederzu-
legen. Pompeius also ward vom Senat nicht minder abberufen
als Caesar und während Caesar bereit stand dem Befehl nachzu-
kommen, verweigerte Pompeius geradezu den Gehorsam. Der
vorsitzende Consul Gaius Marcellus, des Marcus Marcellus Vetter
und gleich diesem zur catonischen Partei gehörig, hielt der ser-
vilen Majorität eine bittere Strafpredigt; und ärgerlich war es
freilich so im eigenen Lager geschlagen zu werden und geschla-
gen mittelst der Phalanx der Memmen. Aber wo sollte der Sieg
auch herkommen unter einem Führer, der, statt kurz und be-
stimmt den Senatoren seine Befehle zu dictiren, sich auf seine
alten Tage bei einem Professor der Redekunst zum zweiten Mal
in die Lehre begab, um dem jugendfrischen glänzenden Talente
Curios mit seiner neu aufpolirten Eloquenz zu begegnen?

Auch die verfassungstreue Opposition war in der peinlich-
sten Lage. Sie zunächst hatte es übernommen die Dinge zum
Bruche zu treiben und den Senat mit sich fortzureiſsen, und
sah nun in der ärgerlichsten Weise ihr Fahrzeug auf den Sand-
bänken der schlaffen Majorität stranden. Von Pompeius muſs-
ten ihre Führer in den Conferenzen die bittersten Vorwürfe hö-
ren; er wies mit Nachdruck und mit vollem Recht auf die Gefah-
ren des Scheinfriedens hin, und wenn es auch nur an ihm selber
lag den Knoten durch eine rasche That zu durchhauen, so wuſs-
ten seine Verbündeten doch sehr wohl, daſs diese von ihm nim-
mermehr erwartet werden durfte und daſs es an ihnen war ein
Ende zu machen. Nachdem die Vorfechter der Verfassung und
des Senatregiments bereits früher die verfassungsmäſsigen Rechte
der Bürgerschaft und der Volkstribunen für inhaltlose Formali-

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[336/0346] FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX. das Publicum hatte abermals Gelegenheit Caesars offenkundige Bestrebungen den Bürgerkrieg abzuwenden mit der perfiden Kriegsvorbereitung der Gegner zu vergleichen. So verfloſs der Sommer 704 in schwüler Stille und der Tag, den Pompeius als den unwiderruflich letzten Termin für Caesars Abberufung be- zeichnet hatte, der 13. Nov. 704 kam allmählich heran. Caesar hatte den Sommer benutzt um die transalpinischen Angelegen- heiten schlieſslich zu ordnen; die aufs Neue beginnenden Ver- handlungen fanden ihn wieder in Ravenna. Die Vertagung hatte den Gegnern Caesars keinen besseren Rath gebracht. Sie hatten bisher die Abstimmung über Curios Antrag verhindert; jetzt fand sie statt und constatirte die Niederlage der Partei des Pompeius und Cato in ihrem ganzen Umfang. Mit 370 gegen 22 Stim- men beschloſs der Senat, daſs die Proconsuln von Spanien und Gallien beide aufzufordern seien ihre Aemter zugleich niederzu- legen. Pompeius also ward vom Senat nicht minder abberufen als Caesar und während Caesar bereit stand dem Befehl nachzu- kommen, verweigerte Pompeius geradezu den Gehorsam. Der vorsitzende Consul Gaius Marcellus, des Marcus Marcellus Vetter und gleich diesem zur catonischen Partei gehörig, hielt der ser- vilen Majorität eine bittere Strafpredigt; und ärgerlich war es freilich so im eigenen Lager geschlagen zu werden und geschla- gen mittelst der Phalanx der Memmen. Aber wo sollte der Sieg auch herkommen unter einem Führer, der, statt kurz und be- stimmt den Senatoren seine Befehle zu dictiren, sich auf seine alten Tage bei einem Professor der Redekunst zum zweiten Mal in die Lehre begab, um dem jugendfrischen glänzenden Talente Curios mit seiner neu aufpolirten Eloquenz zu begegnen? Auch die verfassungstreue Opposition war in der peinlich- sten Lage. Sie zunächst hatte es übernommen die Dinge zum Bruche zu treiben und den Senat mit sich fortzureiſsen, und sah nun in der ärgerlichsten Weise ihr Fahrzeug auf den Sand- bänken der schlaffen Majorität stranden. Von Pompeius muſs- ten ihre Führer in den Conferenzen die bittersten Vorwürfe hö- ren; er wies mit Nachdruck und mit vollem Recht auf die Gefah- ren des Scheinfriedens hin, und wenn es auch nur an ihm selber lag den Knoten durch eine rasche That zu durchhauen, so wuſs- ten seine Verbündeten doch sehr wohl, daſs diese von ihm nim- mermehr erwartet werden durfte und daſs es an ihnen war ein Ende zu machen. Nachdem die Vorfechter der Verfassung und des Senatregiments bereits früher die verfassungsmäſsigen Rechte der Bürgerschaft und der Volkstribunen für inhaltlose Formali-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/346>, abgerufen am 19.12.2024.