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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DER BRUCH DER GESAMMTHERRSCHER.
nützlich. So verbraucht das demokratische Feldgeschrei war, von
so gewaltiger Wirkung musste das conservative sein, wenn es von
dem rechten Mann ausging. Vielleicht die Majorität, auf jeden
Fall der Kern der Bürgerschaft gehörte der verfassungstreuen
Partei an und ihrer numerischen und moralischen Stärke nach
war dieselbe wohl berufen in dem bevorstehenden Prätendenten-
kampf in mächtiger, vielleicht in entscheidender Weise zu inter-
veniren. Es fehlte ihr nichts als ein Führer. Marcus Cato, ihr
gegenwärtiges Haupt, that als Vormann seine Schuldigkeit, wie
er sie verstand, unter täglicher Lebensgefahr und vielleicht ohne
Hoffnung auf Erfolg; seine Pflichttreue war achtbar, aber der
letzte auf einem verlorenen Posten zu sein ist Soldaten-, nicht
Feldherrnlob. Die gewaltige Reserve, die der Partei der gestürz-
ten Regierung wie von selber in Italien erwachsen war, wusste
er weder zu organisiren noch rechtzeitig in den Kampf zu zie-
hen; und worauf am Ende alles ankam, die militärische Führung
hat er aus guten Gründen niemals in Anspruch genommen. Wenn
anstatt dieses Mannes, der weder Parteihaupt noch General zu
sein verstand, ein Mann von Pompeius politischer und militäri-
scher Bedeutung das Banner der bestehenden Verfassung erhob,
so strömten nothwendig die Municipalen Italiens haufenweise dem-
selben zu, um, zwar nicht für den König Pompeius, aber doch
gegen den König Caesar fechten zu helfen. Hiezu kam ein anderes
wenigstens ebenso wichtiges Moment. Es war Pompeius Art,
selbst wenn er sich entschlossen hatte, nicht den Weg zur Aus-
führung seines Entschlusses finden zu können. Wenn er den Krieg
vielleicht zu führen, aber nicht zu erklären verstand, so war die ca-
tonische Partei sicher unfähig ihn zu führen, aber sehr fähig und
vor allem sehr bereit der in der Gründung begriffenen Monarchie
den Krieg zu motiviren und anzukündigen. Nach Pompeius Ab-
sicht sollte, während er selbst sich passiv verhielt und in seiner
Art bald davon redete demnächst in seine spanischen Provinzen
abgehen zu wollen, bald zur Uebernahme des Commandos am Eu-
phrat sich reisefertig machte, die legitime Regierungsbehörde, das
heisst der Senat mit Caesar brechen, ihm den Krieg erklären und
mit dessen Führung Pompeius beauftragen, der dann, dem allge-
meinen Verlangen nachgebend, als Beschützer der Verfassung ge-
gen demagogisch-monarchische Wühlereien, als rechtlicher Mann
und Soldat der bestehenden Ordnung gegen die Wüstlinge und
Anarchisten, als wohlbestallter Feldherr der Curie gegen den Im-
perator von der Gasse aufzutreten und das Vaterland wieder ein-
mal zu retten gedachte. Also gewann Pompeius durch die Allianz

DER BRUCH DER GESAMMTHERRSCHER.
nützlich. So verbraucht das demokratische Feldgeschrei war, von
so gewaltiger Wirkung muſste das conservative sein, wenn es von
dem rechten Mann ausging. Vielleicht die Majorität, auf jeden
Fall der Kern der Bürgerschaft gehörte der verfassungstreuen
Partei an und ihrer numerischen und moralischen Stärke nach
war dieselbe wohl berufen in dem bevorstehenden Prätendenten-
kampf in mächtiger, vielleicht in entscheidender Weise zu inter-
veniren. Es fehlte ihr nichts als ein Führer. Marcus Cato, ihr
gegenwärtiges Haupt, that als Vormann seine Schuldigkeit, wie
er sie verstand, unter täglicher Lebensgefahr und vielleicht ohne
Hoffnung auf Erfolg; seine Pflichttreue war achtbar, aber der
letzte auf einem verlorenen Posten zu sein ist Soldaten-, nicht
Feldherrnlob. Die gewaltige Reserve, die der Partei der gestürz-
ten Regierung wie von selber in Italien erwachsen war, wuſste
er weder zu organisiren noch rechtzeitig in den Kampf zu zie-
hen; und worauf am Ende alles ankam, die militärische Führung
hat er aus guten Gründen niemals in Anspruch genommen. Wenn
anstatt dieses Mannes, der weder Parteihaupt noch General zu
sein verstand, ein Mann von Pompeius politischer und militäri-
scher Bedeutung das Banner der bestehenden Verfassung erhob,
so strömten nothwendig die Municipalen Italiens haufenweise dem-
selben zu, um, zwar nicht für den König Pompeius, aber doch
gegen den König Caesar fechten zu helfen. Hiezu kam ein anderes
wenigstens ebenso wichtiges Moment. Es war Pompeius Art,
selbst wenn er sich entschlossen hatte, nicht den Weg zur Aus-
führung seines Entschlusses finden zu können. Wenn er den Krieg
vielleicht zu führen, aber nicht zu erklären verstand, so war die ca-
tonische Partei sicher unfähig ihn zu führen, aber sehr fähig und
vor allem sehr bereit der in der Gründung begriffenen Monarchie
den Krieg zu motiviren und anzukündigen. Nach Pompeius Ab-
sicht sollte, während er selbst sich passiv verhielt und in seiner
Art bald davon redete demnächst in seine spanischen Provinzen
abgehen zu wollen, bald zur Uebernahme des Commandos am Eu-
phrat sich reisefertig machte, die legitime Regierungsbehörde, das
heiſst der Senat mit Caesar brechen, ihm den Krieg erklären und
mit dessen Führung Pompeius beauftragen, der dann, dem allge-
meinen Verlangen nachgebend, als Beschützer der Verfassung ge-
gen demagogisch-monarchische Wühlereien, als rechtlicher Mann
und Soldat der bestehenden Ordnung gegen die Wüstlinge und
Anarchisten, als wohlbestallter Feldherr der Curie gegen den Im-
perator von der Gasse aufzutreten und das Vaterland wieder ein-
mal zu retten gedachte. Also gewann Pompeius durch die Allianz

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[327/0337] DER BRUCH DER GESAMMTHERRSCHER. nützlich. So verbraucht das demokratische Feldgeschrei war, von so gewaltiger Wirkung muſste das conservative sein, wenn es von dem rechten Mann ausging. Vielleicht die Majorität, auf jeden Fall der Kern der Bürgerschaft gehörte der verfassungstreuen Partei an und ihrer numerischen und moralischen Stärke nach war dieselbe wohl berufen in dem bevorstehenden Prätendenten- kampf in mächtiger, vielleicht in entscheidender Weise zu inter- veniren. Es fehlte ihr nichts als ein Führer. Marcus Cato, ihr gegenwärtiges Haupt, that als Vormann seine Schuldigkeit, wie er sie verstand, unter täglicher Lebensgefahr und vielleicht ohne Hoffnung auf Erfolg; seine Pflichttreue war achtbar, aber der letzte auf einem verlorenen Posten zu sein ist Soldaten-, nicht Feldherrnlob. Die gewaltige Reserve, die der Partei der gestürz- ten Regierung wie von selber in Italien erwachsen war, wuſste er weder zu organisiren noch rechtzeitig in den Kampf zu zie- hen; und worauf am Ende alles ankam, die militärische Führung hat er aus guten Gründen niemals in Anspruch genommen. Wenn anstatt dieses Mannes, der weder Parteihaupt noch General zu sein verstand, ein Mann von Pompeius politischer und militäri- scher Bedeutung das Banner der bestehenden Verfassung erhob, so strömten nothwendig die Municipalen Italiens haufenweise dem- selben zu, um, zwar nicht für den König Pompeius, aber doch gegen den König Caesar fechten zu helfen. Hiezu kam ein anderes wenigstens ebenso wichtiges Moment. Es war Pompeius Art, selbst wenn er sich entschlossen hatte, nicht den Weg zur Aus- führung seines Entschlusses finden zu können. Wenn er den Krieg vielleicht zu führen, aber nicht zu erklären verstand, so war die ca- tonische Partei sicher unfähig ihn zu führen, aber sehr fähig und vor allem sehr bereit der in der Gründung begriffenen Monarchie den Krieg zu motiviren und anzukündigen. Nach Pompeius Ab- sicht sollte, während er selbst sich passiv verhielt und in seiner Art bald davon redete demnächst in seine spanischen Provinzen abgehen zu wollen, bald zur Uebernahme des Commandos am Eu- phrat sich reisefertig machte, die legitime Regierungsbehörde, das heiſst der Senat mit Caesar brechen, ihm den Krieg erklären und mit dessen Führung Pompeius beauftragen, der dann, dem allge- meinen Verlangen nachgebend, als Beschützer der Verfassung ge- gen demagogisch-monarchische Wühlereien, als rechtlicher Mann und Soldat der bestehenden Ordnung gegen die Wüstlinge und Anarchisten, als wohlbestallter Feldherr der Curie gegen den Im- perator von der Gasse aufzutreten und das Vaterland wieder ein- mal zu retten gedachte. Also gewann Pompeius durch die Allianz

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/337>, abgerufen am 22.05.2024.