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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
Sclaven, hatten mit Clodius ihren Patron und künftigen Befreier
eingebüsst (S. 281); die erforderliche Aufregung war leicht be-
wirkt; nachdem der blutige Leichnam auf der Rednerbühne des
Marktes in Parade ausgestellt und die dazu gehörigen Reden ge-
halten worden waren, ging der Krawall los. Zum Scheiterhaufen
für den grossen Befreier ward der Sitz der perfiden Aristokratie
bestimmt: die Rotte trug den Körper in das Rathhaus und zün-
dete das Gebäude an. Hierauf zog der Schwarm vor Milos Haus
und hielt dasselbe belagert, bis dessen Bande die Angreifer mit
Pfeilschüssen vertrieb. Weiter ging es vor das Haus des Pom-
peius und seiner Consularcandidaten, von denen jener als Dic-
tator, diese als Consuln begrüsst wurden, und von da vor das
des Zwischenkönigs Marcus Lepidus, dem die Leitung der Con-
sulwahlen oblag. Da dieser pflichtmässig sich weigerte dieselben,
wie die brüllenden Haufen es forderten, sofort zu veranstalten,
so ward auch er fünf Tage lang in seiner Wohnung belagert ge-
halten. -- Die Unternehmer dieser scandalösen Auftritte hatten
ihre Rolle überspielt. Allerdings war auch ihr Herr und Mei-
ster entschlossen diesen günstigen Zwischenfall zu benutzen, um
nicht bloss Milo zu beseitigen, sondern auch die Dictatur zu er-
greifen; allein er wollte sie doch nicht von einem Haufen Knit-
telmänner empfangen, sondern vom Senat. Jetzt befahl er dem
Senat sofort den Dictator zu ernennen und zog zugleich Trup-
pen heran um die in der Hauptstadt herrschende und in der
That allen Parteien unerträglich gewordene Anarchie niederzu-
schlagen. Der Senat gab also nach. Es war nur eine formelle
Flause, dass auf Vorschlag von Cato und Bibulus der Proconsul
Pompeius unter Belassung seiner bisherigen Aemter statt zum
Dictator zum ,Consul ohne Collegen' ernannt ward (25 Schalt-
monat* 702) -- eine Flause, welche eine mit zwiefachem inne-
rem Widerspruch behaftete** Benennung zuliess, um nur die ein-
fach sachbezeichnende zu vermeiden und die lebhaft erinnert an
den weisen Beschluss des verschollenen Junkerthums den Plebe-
jern nicht das Consulat, sondern nur die consularische Gewalt ein-
zuräumen (I, 188). -- Also im legalen Besitz der Vollgewalt
ging Pompeius an das Werk und schritt nachdrücklich vor ge-
gen die in den Clubs und den Geschwornengerichten mächtige

* In diesem Jahr folgte auf den Januar mit 29 und den Februar mit
23 Tagen der Schaltmonat mit 28 und sodann der März.
** Consul heisst College (I, 159) und ein Consul, der zugleich Procon-
sul ist, ist ein zugleich wirklicher und stellvertretender Consul.
20*

POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
Sclaven, hatten mit Clodius ihren Patron und künftigen Befreier
eingebüſst (S. 281); die erforderliche Aufregung war leicht be-
wirkt; nachdem der blutige Leichnam auf der Rednerbühne des
Marktes in Parade ausgestellt und die dazu gehörigen Reden ge-
halten worden waren, ging der Krawall los. Zum Scheiterhaufen
für den groſsen Befreier ward der Sitz der perfiden Aristokratie
bestimmt: die Rotte trug den Körper in das Rathhaus und zün-
dete das Gebäude an. Hierauf zog der Schwarm vor Milos Haus
und hielt dasselbe belagert, bis dessen Bande die Angreifer mit
Pfeilschüssen vertrieb. Weiter ging es vor das Haus des Pom-
peius und seiner Consularcandidaten, von denen jener als Dic-
tator, diese als Consuln begrüſst wurden, und von da vor das
des Zwischenkönigs Marcus Lepidus, dem die Leitung der Con-
sulwahlen oblag. Da dieser pflichtmäſsig sich weigerte dieselben,
wie die brüllenden Haufen es forderten, sofort zu veranstalten,
so ward auch er fünf Tage lang in seiner Wohnung belagert ge-
halten. — Die Unternehmer dieser scandalösen Auftritte hatten
ihre Rolle überspielt. Allerdings war auch ihr Herr und Mei-
ster entschlossen diesen günstigen Zwischenfall zu benutzen, um
nicht bloſs Milo zu beseitigen, sondern auch die Dictatur zu er-
greifen; allein er wollte sie doch nicht von einem Haufen Knit-
telmänner empfangen, sondern vom Senat. Jetzt befahl er dem
Senat sofort den Dictator zu ernennen und zog zugleich Trup-
pen heran um die in der Hauptstadt herrschende und in der
That allen Parteien unerträglich gewordene Anarchie niederzu-
schlagen. Der Senat gab also nach. Es war nur eine formelle
Flause, daſs auf Vorschlag von Cato und Bibulus der Proconsul
Pompeius unter Belassung seiner bisherigen Aemter statt zum
Dictator zum ‚Consul ohne Collegen‘ ernannt ward (25 Schalt-
monat* 702) — eine Flause, welche eine mit zwiefachem inne-
rem Widerspruch behaftete** Benennung zulieſs, um nur die ein-
fach sachbezeichnende zu vermeiden und die lebhaft erinnert an
den weisen Beschluſs des verschollenen Junkerthums den Plebe-
jern nicht das Consulat, sondern nur die consularische Gewalt ein-
zuräumen (I, 188). — Also im legalen Besitz der Vollgewalt
ging Pompeius an das Werk und schritt nachdrücklich vor ge-
gen die in den Clubs und den Geschwornengerichten mächtige

* In diesem Jahr folgte auf den Januar mit 29 und den Februar mit
23 Tagen der Schaltmonat mit 28 und sodann der März.
** Consul heiſst College (I, 159) und ein Consul, der zugleich Procon-
sul ist, ist ein zugleich wirklicher und stellvertretender Consul.
20*
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[307/0317] POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. Sclaven, hatten mit Clodius ihren Patron und künftigen Befreier eingebüſst (S. 281); die erforderliche Aufregung war leicht be- wirkt; nachdem der blutige Leichnam auf der Rednerbühne des Marktes in Parade ausgestellt und die dazu gehörigen Reden ge- halten worden waren, ging der Krawall los. Zum Scheiterhaufen für den groſsen Befreier ward der Sitz der perfiden Aristokratie bestimmt: die Rotte trug den Körper in das Rathhaus und zün- dete das Gebäude an. Hierauf zog der Schwarm vor Milos Haus und hielt dasselbe belagert, bis dessen Bande die Angreifer mit Pfeilschüssen vertrieb. Weiter ging es vor das Haus des Pom- peius und seiner Consularcandidaten, von denen jener als Dic- tator, diese als Consuln begrüſst wurden, und von da vor das des Zwischenkönigs Marcus Lepidus, dem die Leitung der Con- sulwahlen oblag. Da dieser pflichtmäſsig sich weigerte dieselben, wie die brüllenden Haufen es forderten, sofort zu veranstalten, so ward auch er fünf Tage lang in seiner Wohnung belagert ge- halten. — Die Unternehmer dieser scandalösen Auftritte hatten ihre Rolle überspielt. Allerdings war auch ihr Herr und Mei- ster entschlossen diesen günstigen Zwischenfall zu benutzen, um nicht bloſs Milo zu beseitigen, sondern auch die Dictatur zu er- greifen; allein er wollte sie doch nicht von einem Haufen Knit- telmänner empfangen, sondern vom Senat. Jetzt befahl er dem Senat sofort den Dictator zu ernennen und zog zugleich Trup- pen heran um die in der Hauptstadt herrschende und in der That allen Parteien unerträglich gewordene Anarchie niederzu- schlagen. Der Senat gab also nach. Es war nur eine formelle Flause, daſs auf Vorschlag von Cato und Bibulus der Proconsul Pompeius unter Belassung seiner bisherigen Aemter statt zum Dictator zum ‚Consul ohne Collegen‘ ernannt ward (25 Schalt- monat * 702) — eine Flause, welche eine mit zwiefachem inne- rem Widerspruch behaftete ** Benennung zulieſs, um nur die ein- fach sachbezeichnende zu vermeiden und die lebhaft erinnert an den weisen Beschluſs des verschollenen Junkerthums den Plebe- jern nicht das Consulat, sondern nur die consularische Gewalt ein- zuräumen (I, 188). — Also im legalen Besitz der Vollgewalt ging Pompeius an das Werk und schritt nachdrücklich vor ge- gen die in den Clubs und den Geschwornengerichten mächtige * In diesem Jahr folgte auf den Januar mit 29 und den Februar mit 23 Tagen der Schaltmonat mit 28 und sodann der März. ** Consul heiſst College (I, 159) und ein Consul, der zugleich Procon- sul ist, ist ein zugleich wirklicher und stellvertretender Consul. 20*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/317>, abgerufen am 24.11.2024.