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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
leicht ward ein äusserlich anständiger Mann -- mit ganz verlore-
nem Gesindel mied Caesar sich einzulassen -- dort oder hier zu-
rückgewiesen. Dazu kamen die ungeheuren Bauten, die Caesar
für seine Rechnung in der Hauptstadt ausführen liess und bei
denen eine Unzahl von Menschen aller Stände vom Consular bis
zum Lastträger hinab Gelegenheit fand zu verdienen, so wie die
unermesslichen für öffentliche Lustbarkeiten aufgewandten Sum-
men. In beschränkterem Masse that Pompeius das Gleiche; ihm
verdankte die Hauptstadt das erste steinerne Theater und er feierte
dessen Einweihung mit einer nie zuvor gesehenen Pracht. Dass
solche Spenden eine Menge oppositionell Gesinnter, namentlich
in der Hauptstadt, mit der neuen Ordnung der Dinge bis zu
einem gewissen Grade aussöhnten, versteht sich ebenso von selbst
wie dass der Kern der Opposition diesem Corruptionssystem
nicht erreichbar war. Immer deutlicher kam es zu Tage, wie tief
die bestehende Verfassung im Volke Wurzel geschlagen hatte und
wie wenig namentlich die dem unmittelbaren Parteitreiben ferner
stehenden Kreise, vor allem die Landstädte, der Monarchie ge-
neigt oder auch nur bereit waren sie über sich ergehen zu lassen.
Hätte Rom eine Repräsentativverfassung gehabt, so würde die
Unzufriedenheit der Bürgerschaft ihren natürlichen Ausdruck in
den Wahlen gefunden und, indem sie sich aussprach, sich ge-
steigert haben; unter den bestehenden Verhältnissen blieb den
Verfassungstreuen nichts übrig als dem Senat, der, herabgekom-
men wie er war, doch immer noch als Vertreter und Verfechter
der legitimen Republik erschien, sich unterzuordnen. So kam es,
dass der Senat, jetzt da er gestürzt worden war, plötzlich eine
weit ansehnlichere und weit ernster getreue Armee zu seiner Ver-
fügung fand, als da er in Macht und Glanz die Gracchen stürzte
und geschirmt durch Sullas Säbel den Staat restaurirte. Die Ari-
stokratie empfand es; sie fing wieder an sich zu regen. Eben
jetzt hatte Marcus Cicero, nachdem er sich verpflichtet hatte den
Gehorsamen im Senat sich anzuschliessen und nicht bloss keine
Opposition zu machen, sondern für die Machthaber nach Kräften
zu wirken, von denselben die Erlaubniss zur Rückkehr erhalten.
Obwohl Pompeius der Oligarchie hiemit nur beiläufig eine Con-
cession machte und vor allem dem Clodius einen Possen zu spie-
len, demnächst ein durch hinreichende Schläge geschmeidigtes
Werkzeug in dem redefertigen Consular zu erwerben bedacht war,
so nahm man doch die Gelegenheit wahr, wie Ciceros Verbannung
eine Demonstration gegen den Senat gewesen war, seine Rückkehr
zu republikanischen Demonstrationen zu benutzen. In möglichst

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
leicht ward ein äuſserlich anständiger Mann — mit ganz verlore-
nem Gesindel mied Caesar sich einzulassen — dort oder hier zu-
rückgewiesen. Dazu kamen die ungeheuren Bauten, die Caesar
für seine Rechnung in der Hauptstadt ausführen lieſs und bei
denen eine Unzahl von Menschen aller Stände vom Consular bis
zum Lastträger hinab Gelegenheit fand zu verdienen, so wie die
unermeſslichen für öffentliche Lustbarkeiten aufgewandten Sum-
men. In beschränkterem Maſse that Pompeius das Gleiche; ihm
verdankte die Hauptstadt das erste steinerne Theater und er feierte
dessen Einweihung mit einer nie zuvor gesehenen Pracht. Daſs
solche Spenden eine Menge oppositionell Gesinnter, namentlich
in der Hauptstadt, mit der neuen Ordnung der Dinge bis zu
einem gewissen Grade aussöhnten, versteht sich ebenso von selbst
wie daſs der Kern der Opposition diesem Corruptionssystem
nicht erreichbar war. Immer deutlicher kam es zu Tage, wie tief
die bestehende Verfassung im Volke Wurzel geschlagen hatte und
wie wenig namentlich die dem unmittelbaren Parteitreiben ferner
stehenden Kreise, vor allem die Landstädte, der Monarchie ge-
neigt oder auch nur bereit waren sie über sich ergehen zu lassen.
Hätte Rom eine Repräsentativverfassung gehabt, so würde die
Unzufriedenheit der Bürgerschaft ihren natürlichen Ausdruck in
den Wahlen gefunden und, indem sie sich aussprach, sich ge-
steigert haben; unter den bestehenden Verhältnissen blieb den
Verfassungstreuen nichts übrig als dem Senat, der, herabgekom-
men wie er war, doch immer noch als Vertreter und Verfechter
der legitimen Republik erschien, sich unterzuordnen. So kam es,
daſs der Senat, jetzt da er gestürzt worden war, plötzlich eine
weit ansehnlichere und weit ernster getreue Armee zu seiner Ver-
fügung fand, als da er in Macht und Glanz die Gracchen stürzte
und geschirmt durch Sullas Säbel den Staat restaurirte. Die Ari-
stokratie empfand es; sie fing wieder an sich zu regen. Eben
jetzt hatte Marcus Cicero, nachdem er sich verpflichtet hatte den
Gehorsamen im Senat sich anzuschlieſsen und nicht bloſs keine
Opposition zu machen, sondern für die Machthaber nach Kräften
zu wirken, von denselben die Erlaubniſs zur Rückkehr erhalten.
Obwohl Pompeius der Oligarchie hiemit nur beiläufig eine Con-
cession machte und vor allem dem Clodius einen Possen zu spie-
len, demnächst ein durch hinreichende Schläge geschmeidigtes
Werkzeug in dem redefertigen Consular zu erwerben bedacht war,
so nahm man doch die Gelegenheit wahr, wie Ciceros Verbannung
eine Demonstration gegen den Senat gewesen war, seine Rückkehr
zu republikanischen Demonstrationen zu benutzen. In möglichst

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[286/0296] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII. leicht ward ein äuſserlich anständiger Mann — mit ganz verlore- nem Gesindel mied Caesar sich einzulassen — dort oder hier zu- rückgewiesen. Dazu kamen die ungeheuren Bauten, die Caesar für seine Rechnung in der Hauptstadt ausführen lieſs und bei denen eine Unzahl von Menschen aller Stände vom Consular bis zum Lastträger hinab Gelegenheit fand zu verdienen, so wie die unermeſslichen für öffentliche Lustbarkeiten aufgewandten Sum- men. In beschränkterem Maſse that Pompeius das Gleiche; ihm verdankte die Hauptstadt das erste steinerne Theater und er feierte dessen Einweihung mit einer nie zuvor gesehenen Pracht. Daſs solche Spenden eine Menge oppositionell Gesinnter, namentlich in der Hauptstadt, mit der neuen Ordnung der Dinge bis zu einem gewissen Grade aussöhnten, versteht sich ebenso von selbst wie daſs der Kern der Opposition diesem Corruptionssystem nicht erreichbar war. Immer deutlicher kam es zu Tage, wie tief die bestehende Verfassung im Volke Wurzel geschlagen hatte und wie wenig namentlich die dem unmittelbaren Parteitreiben ferner stehenden Kreise, vor allem die Landstädte, der Monarchie ge- neigt oder auch nur bereit waren sie über sich ergehen zu lassen. Hätte Rom eine Repräsentativverfassung gehabt, so würde die Unzufriedenheit der Bürgerschaft ihren natürlichen Ausdruck in den Wahlen gefunden und, indem sie sich aussprach, sich ge- steigert haben; unter den bestehenden Verhältnissen blieb den Verfassungstreuen nichts übrig als dem Senat, der, herabgekom- men wie er war, doch immer noch als Vertreter und Verfechter der legitimen Republik erschien, sich unterzuordnen. So kam es, daſs der Senat, jetzt da er gestürzt worden war, plötzlich eine weit ansehnlichere und weit ernster getreue Armee zu seiner Ver- fügung fand, als da er in Macht und Glanz die Gracchen stürzte und geschirmt durch Sullas Säbel den Staat restaurirte. Die Ari- stokratie empfand es; sie fing wieder an sich zu regen. Eben jetzt hatte Marcus Cicero, nachdem er sich verpflichtet hatte den Gehorsamen im Senat sich anzuschlieſsen und nicht bloſs keine Opposition zu machen, sondern für die Machthaber nach Kräften zu wirken, von denselben die Erlaubniſs zur Rückkehr erhalten. Obwohl Pompeius der Oligarchie hiemit nur beiläufig eine Con- cession machte und vor allem dem Clodius einen Possen zu spie- len, demnächst ein durch hinreichende Schläge geschmeidigtes Werkzeug in dem redefertigen Consular zu erwerben bedacht war, so nahm man doch die Gelegenheit wahr, wie Ciceros Verbannung eine Demonstration gegen den Senat gewesen war, seine Rückkehr zu republikanischen Demonstrationen zu benutzen. In möglichst

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/296>, abgerufen am 16.05.2024.