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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
letztere Niederlassung in dem Krieg gegen Vercingetorix schon
völlig die Dienste einer römischen Colonie that (S. 257), so war
die Ursache nur die, dass seine weiteren Pläne ihm noch nicht
gestatteten seinen Legionen statt des Schwertes den Pflug in die
Hand zu geben. Was er in späteren Jahren für die altrömische
Provinz in dieser Beziehung gethan, wird seines Orts dargelegt
werden: es ist nicht unwahrscheinlich, dass nur die Zeit ihm ge-
mangelt hat um das Gleiche auch auf die von ihm unterworfenen
Landschaften zu erstrecken. -- Mit der keltischen Nation war es
zu Ende. Ihre politische Vernichtung war durch Caesar eine voll-
endete Thatsache geworden, ihre nationale eingeleitet und im
regelmässigen Fortschreiten begriffen. Es war dies kein zufäl-
liges Verderben, wie das Verhängniss es auch entwicklungsfä-
gen Völkern wohl zuweilen bereitet, sondern eine selbstverschul-
dete und gewissermassen geschichtlich nothwendige Katastrophe.
Schon der Verlauf des letzten Krieges beweist dies, mag man ihn
nun im Ganzen oder im Einzelnen betrachten. Als die Fremd-
herrschaft gegründet werden sollte, leisteten ihr nur einzelne noch
dazu meistens deutsche oder halbdeutsche Landschaften energi-
schen Widerstand. Als die Fremdherrschaft gegründet war, wur-
den die Versuche sie abzuschütteln entweder ganz kopflos un-
ternommen, oder sie waren mehr als billig das Werk einzelner
hervorragender Adlicher und darum mit dem Tod oder der
Gefangennahme eines Vercingetorix, Camulogenus, Correus so-
gleich und völlig zu Ende. Der Belagerungs- und der kleine
Krieg, in denen sich sonst die ganze sittliche Tiefe der Volks-
kriege entfaltet, waren und blieben in diesem keltischen von cha-
rakteristischer Erbärmlichkeit. Jedes Blatt der keltischen Ge-
schichte bestätigt das strenge Wort eines der wenigen Römer,
die es verstanden die sogenannten Barbaren nicht zu verach-
ten, dass die Kelten dreist die künftige Gefahr herausfordern,
vor der gegenwärtigen aber der Muth ihnen entsinkt. In dem
gewaltigen Wirbel der Weltgeschichte, der alle nicht gleich dem
Stahl harten und gleich dem Stahl geschmeidigen Völker un-
erbittlich zermalmt, konnte eine solche Nation auf die Länge
sich nicht behaupten; billig erlitten die Kelten des Festlandes
dasselbe Schicksal von den Römern, das ihre Stammgenossen
auf der irischen Insel bis in unsere Tage hinein von den Sach-
sen erleiden: das Schicksal als Gährungsstoff künftiger Ent-
wickelung aufzugehen in eine staatlich überlegene Nationalität.
Im Begriff zu scheiden von der merkwürdigen Nation mag es
gestattet sein daran zu erinnern, dass in den Berichten der Alten

DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
letztere Niederlassung in dem Krieg gegen Vercingetorix schon
völlig die Dienste einer römischen Colonie that (S. 257), so war
die Ursache nur die, daſs seine weiteren Pläne ihm noch nicht
gestatteten seinen Legionen statt des Schwertes den Pflug in die
Hand zu geben. Was er in späteren Jahren für die altrömische
Provinz in dieser Beziehung gethan, wird seines Orts dargelegt
werden: es ist nicht unwahrscheinlich, daſs nur die Zeit ihm ge-
mangelt hat um das Gleiche auch auf die von ihm unterworfenen
Landschaften zu erstrecken. — Mit der keltischen Nation war es
zu Ende. Ihre politische Vernichtung war durch Caesar eine voll-
endete Thatsache geworden, ihre nationale eingeleitet und im
regelmäſsigen Fortschreiten begriffen. Es war dies kein zufäl-
liges Verderben, wie das Verhängniſs es auch entwicklungsfä-
gen Völkern wohl zuweilen bereitet, sondern eine selbstverschul-
dete und gewissermaſsen geschichtlich nothwendige Katastrophe.
Schon der Verlauf des letzten Krieges beweist dies, mag man ihn
nun im Ganzen oder im Einzelnen betrachten. Als die Fremd-
herrschaft gegründet werden sollte, leisteten ihr nur einzelne noch
dazu meistens deutsche oder halbdeutsche Landschaften energi-
schen Widerstand. Als die Fremdherrschaft gegründet war, wur-
den die Versuche sie abzuschütteln entweder ganz kopflos un-
ternommen, oder sie waren mehr als billig das Werk einzelner
hervorragender Adlicher und darum mit dem Tod oder der
Gefangennahme eines Vercingetorix, Camulogenus, Correus so-
gleich und völlig zu Ende. Der Belagerungs- und der kleine
Krieg, in denen sich sonst die ganze sittliche Tiefe der Volks-
kriege entfaltet, waren und blieben in diesem keltischen von cha-
rakteristischer Erbärmlichkeit. Jedes Blatt der keltischen Ge-
schichte bestätigt das strenge Wort eines der wenigen Römer,
die es verstanden die sogenannten Barbaren nicht zu verach-
ten, daſs die Kelten dreist die künftige Gefahr herausfordern,
vor der gegenwärtigen aber der Muth ihnen entsinkt. In dem
gewaltigen Wirbel der Weltgeschichte, der alle nicht gleich dem
Stahl harten und gleich dem Stahl geschmeidigen Völker un-
erbittlich zermalmt, konnte eine solche Nation auf die Länge
sich nicht behaupten; billig erlitten die Kelten des Festlandes
dasselbe Schicksal von den Römern, das ihre Stammgenossen
auf der irischen Insel bis in unsere Tage hinein von den Sach-
sen erleiden: das Schicksal als Gährungsstoff künftiger Ent-
wickelung aufzugehen in eine staatlich überlegene Nationalität.
Im Begriff zu scheiden von der merkwürdigen Nation mag es
gestattet sein daran zu erinnern, daſs in den Berichten der Alten

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[271/0281] DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. letztere Niederlassung in dem Krieg gegen Vercingetorix schon völlig die Dienste einer römischen Colonie that (S. 257), so war die Ursache nur die, daſs seine weiteren Pläne ihm noch nicht gestatteten seinen Legionen statt des Schwertes den Pflug in die Hand zu geben. Was er in späteren Jahren für die altrömische Provinz in dieser Beziehung gethan, wird seines Orts dargelegt werden: es ist nicht unwahrscheinlich, daſs nur die Zeit ihm ge- mangelt hat um das Gleiche auch auf die von ihm unterworfenen Landschaften zu erstrecken. — Mit der keltischen Nation war es zu Ende. Ihre politische Vernichtung war durch Caesar eine voll- endete Thatsache geworden, ihre nationale eingeleitet und im regelmäſsigen Fortschreiten begriffen. Es war dies kein zufäl- liges Verderben, wie das Verhängniſs es auch entwicklungsfä- gen Völkern wohl zuweilen bereitet, sondern eine selbstverschul- dete und gewissermaſsen geschichtlich nothwendige Katastrophe. Schon der Verlauf des letzten Krieges beweist dies, mag man ihn nun im Ganzen oder im Einzelnen betrachten. Als die Fremd- herrschaft gegründet werden sollte, leisteten ihr nur einzelne noch dazu meistens deutsche oder halbdeutsche Landschaften energi- schen Widerstand. Als die Fremdherrschaft gegründet war, wur- den die Versuche sie abzuschütteln entweder ganz kopflos un- ternommen, oder sie waren mehr als billig das Werk einzelner hervorragender Adlicher und darum mit dem Tod oder der Gefangennahme eines Vercingetorix, Camulogenus, Correus so- gleich und völlig zu Ende. Der Belagerungs- und der kleine Krieg, in denen sich sonst die ganze sittliche Tiefe der Volks- kriege entfaltet, waren und blieben in diesem keltischen von cha- rakteristischer Erbärmlichkeit. Jedes Blatt der keltischen Ge- schichte bestätigt das strenge Wort eines der wenigen Römer, die es verstanden die sogenannten Barbaren nicht zu verach- ten, daſs die Kelten dreist die künftige Gefahr herausfordern, vor der gegenwärtigen aber der Muth ihnen entsinkt. In dem gewaltigen Wirbel der Weltgeschichte, der alle nicht gleich dem Stahl harten und gleich dem Stahl geschmeidigen Völker un- erbittlich zermalmt, konnte eine solche Nation auf die Länge sich nicht behaupten; billig erlitten die Kelten des Festlandes dasselbe Schicksal von den Römern, das ihre Stammgenossen auf der irischen Insel bis in unsere Tage hinein von den Sach- sen erleiden: das Schicksal als Gährungsstoff künftiger Ent- wickelung aufzugehen in eine staatlich überlegene Nationalität. Im Begriff zu scheiden von der merkwürdigen Nation mag es gestattet sein daran zu erinnern, daſs in den Berichten der Alten

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/281>, abgerufen am 15.05.2024.