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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
Mal in das Gebiet der Remer einzurücken, das Corps des Labie-
nus aufzuheben und die Verbindung mit den Aufständischen an
der Seine und Loire zu suchen. Die Abgeordneten dieser drei
Gaue blieben auf dem von Caesar im mittleren Gallien ausge-
schriebenen Landtag aus und erklärten damit ebenso offen den
Krieg, wie es ein Theil der belgischen Gaue durch die Angriffe auf
die Lager des Sabinus und Cicero gethan hatten. Der Winter
neigte sich zu Ende, als Caesar mit seinem neu verstärkten Heer
aufbrach gegen die Insurgenten. Die Versuche der Treverer den
Aufstand zu concentriren waren nicht geglückt; die gährenden
Landschaften wurden durch den Einmarsch römischer Truppen
im Zaum gehalten, die in offener Empörung stehenden verein-
zelt angegriffen. Zuerst wurden die Nervier von Caesar selbst zu
Paaren getrieben. Gleiches widerfuhr den Senonen und Carnuten.
Auch die Menapier, der einzige Gau, der sich niemals noch den
Römern unterworfen hatte, wurden durch einen von drei Seiten
zugleich gegen sie gerichteten Gesammtangriff genöthigt der lange
bewahrten Freiheit zu entsagen. Den Treverern bereitete inzwi-
schen Labienus dasselbe Schicksal. Ihr erster Angriff war ge-
lähmt worden theils durch die Weigerung der nächstwohnenden
deutschen Stämme ihnen Söldner zu liefern, theils durch den Tod
des Indutionmarus, der Seele der ganzen Bewegung, der in einem
Scharmützel mit den Reitern des Labienus geblieben war. Allein
sie gaben ihre Entwürfe darum nicht auf; bessere Aufnahme als
bei den Anwohnern des Rheines fanden ihre Werber bei den
streitbaren Völkerschaften des inneren Deutschlands, namentlich
wie es scheint den Chatten; mit gesammter Macht waren sie La-
bienus gegenüber erschienen und harrten der nachfolgenden sue-
bischen Schaaren. Allein da ihnen Labienus deren Eintreffen nicht
abwarten zu wollen, sondern auf eiligen Rückzug zu sinnen schien,
griffen die Treverer, durch diese Kriegslist getäuscht, noch ehe
die Sueben angelangt waren und in der ungünstigsten Oertlich-
keit die Römer an und wurden vollständig geschlagen. Den zu
spät eintreffenden Deutschen blieb nichts übrig als umzukehren,
dem treverischen Gau nichts als sich zu unterwerfen; das Regi-
ment daselbst kam wieder an das Haupt der römischen Partei, an
des Indutiomarus Schwiegersohn Cingetorix. Nach diesen Expe-
ditionen Caesars gegen die Menapier und Labienus gegen die Tre-
verer traf in dem Gebiet der letzteren die ganze römische Armee
wieder zusammen. Um den Deutschen das Wiederkommen zu
verleiden, hatte Caesar sich entschlossen noch einmal über den
Rhein zu gehen und wo möglich gegen die lästigen Nachbarn im

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
Mal in das Gebiet der Remer einzurücken, das Corps des Labie-
nus aufzuheben und die Verbindung mit den Aufständischen an
der Seine und Loire zu suchen. Die Abgeordneten dieser drei
Gaue blieben auf dem von Caesar im mittleren Gallien ausge-
schriebenen Landtag aus und erklärten damit ebenso offen den
Krieg, wie es ein Theil der belgischen Gaue durch die Angriffe auf
die Lager des Sabinus und Cicero gethan hatten. Der Winter
neigte sich zu Ende, als Caesar mit seinem neu verstärkten Heer
aufbrach gegen die Insurgenten. Die Versuche der Treverer den
Aufstand zu concentriren waren nicht geglückt; die gährenden
Landschaften wurden durch den Einmarsch römischer Truppen
im Zaum gehalten, die in offener Empörung stehenden verein-
zelt angegriffen. Zuerst wurden die Nervier von Caesar selbst zu
Paaren getrieben. Gleiches widerfuhr den Senonen und Carnuten.
Auch die Menapier, der einzige Gau, der sich niemals noch den
Römern unterworfen hatte, wurden durch einen von drei Seiten
zugleich gegen sie gerichteten Gesammtangriff genöthigt der lange
bewahrten Freiheit zu entsagen. Den Treverern bereitete inzwi-
schen Labienus dasselbe Schicksal. Ihr erster Angriff war ge-
lähmt worden theils durch die Weigerung der nächstwohnenden
deutschen Stämme ihnen Söldner zu liefern, theils durch den Tod
des Indutionmarus, der Seele der ganzen Bewegung, der in einem
Scharmützel mit den Reitern des Labienus geblieben war. Allein
sie gaben ihre Entwürfe darum nicht auf; bessere Aufnahme als
bei den Anwohnern des Rheines fanden ihre Werber bei den
streitbaren Völkerschaften des inneren Deutschlands, namentlich
wie es scheint den Chatten; mit gesammter Macht waren sie La-
bienus gegenüber erschienen und harrten der nachfolgenden sue-
bischen Schaaren. Allein da ihnen Labienus deren Eintreffen nicht
abwarten zu wollen, sondern auf eiligen Rückzug zu sinnen schien,
griffen die Treverer, durch diese Kriegslist getäuscht, noch ehe
die Sueben angelangt waren und in der ungünstigsten Oertlich-
keit die Römer an und wurden vollständig geschlagen. Den zu
spät eintreffenden Deutschen blieb nichts übrig als umzukehren,
dem treverischen Gau nichts als sich zu unterwerfen; das Regi-
ment daselbst kam wieder an das Haupt der römischen Partei, an
des Indutiomarus Schwiegersohn Cingetorix. Nach diesen Expe-
ditionen Caesars gegen die Menapier und Labienus gegen die Tre-
verer traf in dem Gebiet der letzteren die ganze römische Armee
wieder zusammen. Um den Deutschen das Wiederkommen zu
verleiden, hatte Caesar sich entschlossen noch einmal über den
Rhein zu gehen und wo möglich gegen die lästigen Nachbarn im

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[252/0262] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII. Mal in das Gebiet der Remer einzurücken, das Corps des Labie- nus aufzuheben und die Verbindung mit den Aufständischen an der Seine und Loire zu suchen. Die Abgeordneten dieser drei Gaue blieben auf dem von Caesar im mittleren Gallien ausge- schriebenen Landtag aus und erklärten damit ebenso offen den Krieg, wie es ein Theil der belgischen Gaue durch die Angriffe auf die Lager des Sabinus und Cicero gethan hatten. Der Winter neigte sich zu Ende, als Caesar mit seinem neu verstärkten Heer aufbrach gegen die Insurgenten. Die Versuche der Treverer den Aufstand zu concentriren waren nicht geglückt; die gährenden Landschaften wurden durch den Einmarsch römischer Truppen im Zaum gehalten, die in offener Empörung stehenden verein- zelt angegriffen. Zuerst wurden die Nervier von Caesar selbst zu Paaren getrieben. Gleiches widerfuhr den Senonen und Carnuten. Auch die Menapier, der einzige Gau, der sich niemals noch den Römern unterworfen hatte, wurden durch einen von drei Seiten zugleich gegen sie gerichteten Gesammtangriff genöthigt der lange bewahrten Freiheit zu entsagen. Den Treverern bereitete inzwi- schen Labienus dasselbe Schicksal. Ihr erster Angriff war ge- lähmt worden theils durch die Weigerung der nächstwohnenden deutschen Stämme ihnen Söldner zu liefern, theils durch den Tod des Indutionmarus, der Seele der ganzen Bewegung, der in einem Scharmützel mit den Reitern des Labienus geblieben war. Allein sie gaben ihre Entwürfe darum nicht auf; bessere Aufnahme als bei den Anwohnern des Rheines fanden ihre Werber bei den streitbaren Völkerschaften des inneren Deutschlands, namentlich wie es scheint den Chatten; mit gesammter Macht waren sie La- bienus gegenüber erschienen und harrten der nachfolgenden sue- bischen Schaaren. Allein da ihnen Labienus deren Eintreffen nicht abwarten zu wollen, sondern auf eiligen Rückzug zu sinnen schien, griffen die Treverer, durch diese Kriegslist getäuscht, noch ehe die Sueben angelangt waren und in der ungünstigsten Oertlich- keit die Römer an und wurden vollständig geschlagen. Den zu spät eintreffenden Deutschen blieb nichts übrig als umzukehren, dem treverischen Gau nichts als sich zu unterwerfen; das Regi- ment daselbst kam wieder an das Haupt der römischen Partei, an des Indutiomarus Schwiegersohn Cingetorix. Nach diesen Expe- ditionen Caesars gegen die Menapier und Labienus gegen die Tre- verer traf in dem Gebiet der letzteren die ganze römische Armee wieder zusammen. Um den Deutschen das Wiederkommen zu verleiden, hatte Caesar sich entschlossen noch einmal über den Rhein zu gehen und wo möglich gegen die lästigen Nachbarn im

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/262>, abgerufen am 27.11.2024.