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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
festigung seiner Herrschaft zu erwarten. Seit Jahrhunderten
war den Römern gegenüber diese Sprache der vollkommen
selbstständigen und ihre Selbstständigkeit schroff und rück-
sichtslos äussernden Macht nicht geführt worden, wie man sie
jetzt von dem deutschen Heerkönig vernahm: kurzweg weigerte
er sich zu kommen, als der römische Feldherr nach der bei
Clientelfürsten hergebrachten Uebung ihm ansann persönlich vor
ihm zu erscheinen. Um so nothwendiger war es nicht zu zau-
dern. Sogleich brach Caesar auf gegen Ariovist. Die tief gesun-
kene Sitten- und Kriegszucht machte auch in seinem Lager sich
geltend; ein panischer Schrecken ergriff seine Truppen, vor al-
lem seine Offiziere, als sie daran sollten mit den seit vierzehn
Jahren nicht unter Dach und Fach gekommenen Kernschaaren
Ariovists sich zu messen. Desertion und Meuterei schien bevor-
zustehen; allein der Feldherr, indem er erklärte nöthigenfalls
mit der zehnten Legion allein gegen den Feind zu ziehen, wusste
nicht bloss durch solche Ehrenmahnung diese, sondern durch den
kriegerischen Wetteifer auch die übrigen Regimenter an die Adler
zu fesseln und etwas von seiner eigenen Energie den Truppen
einzuhauchen. Ohne ihnen Zeit zu lassen sich zu besinnen
führte er in raschen Märschen sie weiter und kam glücklich
Ariovist in der Besetzung der sequanischen Hauptstadt Vesontio
(Besancon) zuvor. Eine persönliche Zusammenkunft der beiden
Feldherren, die auf Ariovists Begehren stattfand, schien einzig
einen Versuch gegen Caesars Person bedecken zu sollen; zwi-
schen den beiden Zwingherren Galliens konnten nur die Waffen
entscheiden. Vorläufig kam der Krieg zum Stehen. Etwa in der
Gegend von Belfort und Mömpelgard lagerten die beiden Heere
in geringer Entfernung von einander, bis es Ariovist gelang mit
seiner sehr überlegenen Macht an dem römischen Lager vorbei-
marschirend sich ihm in den Rücken zu legen und die Römer
von ihrer Basis und ihren Zufuhren abzuschneiden. Caesar ver-
suchte sich aus seiner peinlichen Lage durch eine Schlacht zu
befreien; allein Ariovist nahm sie nicht an. Dem römischen
Feldherrn blieb nichts übrig als trotz seiner geringen Stärke
die Bewegung des Feindes nachzuahmen, und seine Verbin-
dungen dadurch wieder zu gewinnen, dass er zwei Legionen
am Feinde vorbeiziehen und jenseit des Lagers der Deutschen
eine Stellung nehmen liess, während vier Legionen in dem bis-
herigen Lager zurückblieben. Ariovist, da er die Römer getheilt
sah, versuchte einen Sturm auf ihr kleineres Lager; allein die
Römer schlugen ihn ab. Unter dem Eindruck dieses Erfolges

DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS.
festigung seiner Herrschaft zu erwarten. Seit Jahrhunderten
war den Römern gegenüber diese Sprache der vollkommen
selbstständigen und ihre Selbstständigkeit schroff und rück-
sichtslos äuſsernden Macht nicht geführt worden, wie man sie
jetzt von dem deutschen Heerkönig vernahm: kurzweg weigerte
er sich zu kommen, als der römische Feldherr nach der bei
Clientelfürsten hergebrachten Uebung ihm ansann persönlich vor
ihm zu erscheinen. Um so nothwendiger war es nicht zu zau-
dern. Sogleich brach Caesar auf gegen Ariovist. Die tief gesun-
kene Sitten- und Kriegszucht machte auch in seinem Lager sich
geltend; ein panischer Schrecken ergriff seine Truppen, vor al-
lem seine Offiziere, als sie daran sollten mit den seit vierzehn
Jahren nicht unter Dach und Fach gekommenen Kernschaaren
Ariovists sich zu messen. Desertion und Meuterei schien bevor-
zustehen; allein der Feldherr, indem er erklärte nöthigenfalls
mit der zehnten Legion allein gegen den Feind zu ziehen, wuſste
nicht bloſs durch solche Ehrenmahnung diese, sondern durch den
kriegerischen Wetteifer auch die übrigen Regimenter an die Adler
zu fesseln und etwas von seiner eigenen Energie den Truppen
einzuhauchen. Ohne ihnen Zeit zu lassen sich zu besinnen
führte er in raschen Märschen sie weiter und kam glücklich
Ariovist in der Besetzung der sequanischen Hauptstadt Vesontio
(Besancon) zuvor. Eine persönliche Zusammenkunft der beiden
Feldherren, die auf Ariovists Begehren stattfand, schien einzig
einen Versuch gegen Caesars Person bedecken zu sollen; zwi-
schen den beiden Zwingherren Galliens konnten nur die Waffen
entscheiden. Vorläufig kam der Krieg zum Stehen. Etwa in der
Gegend von Belfort und Mömpelgard lagerten die beiden Heere
in geringer Entfernung von einander, bis es Ariovist gelang mit
seiner sehr überlegenen Macht an dem römischen Lager vorbei-
marschirend sich ihm in den Rücken zu legen und die Römer
von ihrer Basis und ihren Zufuhren abzuschneiden. Caesar ver-
suchte sich aus seiner peinlichen Lage durch eine Schlacht zu
befreien; allein Ariovist nahm sie nicht an. Dem römischen
Feldherrn blieb nichts übrig als trotz seiner geringen Stärke
die Bewegung des Feindes nachzuahmen, und seine Verbin-
dungen dadurch wieder zu gewinnen, daſs er zwei Legionen
am Feinde vorbeiziehen und jenseit des Lagers der Deutschen
eine Stellung nehmen lieſs, während vier Legionen in dem bis-
herigen Lager zurückblieben. Ariovist, da er die Römer getheilt
sah, versuchte einen Sturm auf ihr kleineres Lager; allein die
Römer schlugen ihn ab. Unter dem Eindruck dieses Erfolges

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[233/0243] DIE UNTERWERFUNG DES WESTENS. festigung seiner Herrschaft zu erwarten. Seit Jahrhunderten war den Römern gegenüber diese Sprache der vollkommen selbstständigen und ihre Selbstständigkeit schroff und rück- sichtslos äuſsernden Macht nicht geführt worden, wie man sie jetzt von dem deutschen Heerkönig vernahm: kurzweg weigerte er sich zu kommen, als der römische Feldherr nach der bei Clientelfürsten hergebrachten Uebung ihm ansann persönlich vor ihm zu erscheinen. Um so nothwendiger war es nicht zu zau- dern. Sogleich brach Caesar auf gegen Ariovist. Die tief gesun- kene Sitten- und Kriegszucht machte auch in seinem Lager sich geltend; ein panischer Schrecken ergriff seine Truppen, vor al- lem seine Offiziere, als sie daran sollten mit den seit vierzehn Jahren nicht unter Dach und Fach gekommenen Kernschaaren Ariovists sich zu messen. Desertion und Meuterei schien bevor- zustehen; allein der Feldherr, indem er erklärte nöthigenfalls mit der zehnten Legion allein gegen den Feind zu ziehen, wuſste nicht bloſs durch solche Ehrenmahnung diese, sondern durch den kriegerischen Wetteifer auch die übrigen Regimenter an die Adler zu fesseln und etwas von seiner eigenen Energie den Truppen einzuhauchen. Ohne ihnen Zeit zu lassen sich zu besinnen führte er in raschen Märschen sie weiter und kam glücklich Ariovist in der Besetzung der sequanischen Hauptstadt Vesontio (Besancon) zuvor. Eine persönliche Zusammenkunft der beiden Feldherren, die auf Ariovists Begehren stattfand, schien einzig einen Versuch gegen Caesars Person bedecken zu sollen; zwi- schen den beiden Zwingherren Galliens konnten nur die Waffen entscheiden. Vorläufig kam der Krieg zum Stehen. Etwa in der Gegend von Belfort und Mömpelgard lagerten die beiden Heere in geringer Entfernung von einander, bis es Ariovist gelang mit seiner sehr überlegenen Macht an dem römischen Lager vorbei- marschirend sich ihm in den Rücken zu legen und die Römer von ihrer Basis und ihren Zufuhren abzuschneiden. Caesar ver- suchte sich aus seiner peinlichen Lage durch eine Schlacht zu befreien; allein Ariovist nahm sie nicht an. Dem römischen Feldherrn blieb nichts übrig als trotz seiner geringen Stärke die Bewegung des Feindes nachzuahmen, und seine Verbin- dungen dadurch wieder zu gewinnen, daſs er zwei Legionen am Feinde vorbeiziehen und jenseit des Lagers der Deutschen eine Stellung nehmen lieſs, während vier Legionen in dem bis- herigen Lager zurückblieben. Ariovist, da er die Römer getheilt sah, versuchte einen Sturm auf ihr kleineres Lager; allein die Römer schlugen ihn ab. Unter dem Eindruck dieses Erfolges

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/243>, abgerufen am 24.11.2024.