Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.POMPEIUS RÜCKTRITT. DIE COALITION. lassen ihn noch vor seinem Abgang in die Provinz von demdrückendsten Theil seiner Schuldenlast zu befreien. Er selbst hatte den kurzen Aufenthalt daselbst energisch benutzt. Im Jahr 694 mit gefüllten Kassen und als Imperator mit wohlgegründeten Ansprüchen auf den Triumph aus Spanien zurückgekehrt, trat er für das folgende Jahr als Bewerber um das Consulat auf, um dessen willen er, da der Senat ihm die Erlaubniss abwesend sich als Bewerber um das Consulat zu melden abschlug, die Ehre des Triumphes unbedenklich darangab. Seit Jahren hatte die Demo- kratie danach gerungen einen der Ihrigen in den Besitz des höch- sten Amtes zu bringen um auf dieser Brücke zur Gründung einer eigenen militärischen Macht zu gelangen. Längst war es ja den Einsichtigen aller Farben klar geworden, dass der Parteienstreit nicht durch bürgerlichen Kampf, sondern nur noch durch Mili- tärmacht entschieden werden könne; der Verlauf aber der Coali- tion zwischen der Demokratie und den mächtigen Militärchefs, durch die der Senatsherrschaft ein Ende gemacht worden war, zeigte mit unerbittlicher Schärfe, dass jede solche Allianz that- sächlich auf eine Unterordnung der bürgerlichen unter die mili- tärischen Elemente derselben hinauslief und dass die Volkspartei, wenn sie wirklich herrschen wollte, nicht mit ihr eigentlich frem- den, ja feindlichen Generalen sich verbünden, sondern selbst ihre Führer zu Generalen machen müsse. Die Versuche Catilinas Wahl zum Consul durchzusetzen, in Spanien oder Aegypten einen mi- litärischen Rückhalt zu gewinnen waren gescheitert; jetzt bot sich die Möglichkeit ihrem bedeutendsten Führer das Consulat und die Consularprovinz auf dem gewöhnlichen verfassungsmässigen Wege zu verschaffen und durch Begründung, wenn man so sagen darf, einer demokratischen Hausmacht sich von dem zweifelhaf- ten und gefährlichen Bundesgenossen Pompeius unabhängig zu machen. -- Aber je mehr der Demokratie daran gelegen sein musste sich diese Bahn zu eröffnen, die ihr nicht so sehr die günstigste als die einzige Aussicht auf ernstliche Erfolge dar- bot, desto gewisser konnte sie dabei auf den energischsten Wi- derstand ihrer politischen Gegner zählen. Es kam darauf an, wen sie hiebei sich gegenüber fand. Die Aristokratie isolirt war nicht furchtbar; aber es hatte doch so eben in der catilinarischen An- gelegenheit sich herausgestellt, dass sie da allerdings noch etwas vermochte, wo sie von den Männern der materiellen Interessen und von den Anhängern des Pompeius mehr oder minder offen unterstützt ward. Sie hatte Catilinas Bewerbung um das Consulat mehrmals vereitelt und dass sie das Gleiche gegen Caesar ver- POMPEIUS RÜCKTRITT. DIE COALITION. lassen ihn noch vor seinem Abgang in die Provinz von demdrückendsten Theil seiner Schuldenlast zu befreien. Er selbst hatte den kurzen Aufenthalt daselbst energisch benutzt. Im Jahr 694 mit gefüllten Kassen und als Imperator mit wohlgegründeten Ansprüchen auf den Triumph aus Spanien zurückgekehrt, trat er für das folgende Jahr als Bewerber um das Consulat auf, um dessen willen er, da der Senat ihm die Erlaubniſs abwesend sich als Bewerber um das Consulat zu melden abschlug, die Ehre des Triumphes unbedenklich darangab. Seit Jahren hatte die Demo- kratie danach gerungen einen der Ihrigen in den Besitz des höch- sten Amtes zu bringen um auf dieser Brücke zur Gründung einer eigenen militärischen Macht zu gelangen. Längst war es ja den Einsichtigen aller Farben klar geworden, daſs der Parteienstreit nicht durch bürgerlichen Kampf, sondern nur noch durch Mili- tärmacht entschieden werden könne; der Verlauf aber der Coali- tion zwischen der Demokratie und den mächtigen Militärchefs, durch die der Senatsherrschaft ein Ende gemacht worden war, zeigte mit unerbittlicher Schärfe, daſs jede solche Allianz that- sächlich auf eine Unterordnung der bürgerlichen unter die mili- tärischen Elemente derselben hinauslief und daſs die Volkspartei, wenn sie wirklich herrschen wollte, nicht mit ihr eigentlich frem- den, ja feindlichen Generalen sich verbünden, sondern selbst ihre Führer zu Generalen machen müsse. Die Versuche Catilinas Wahl zum Consul durchzusetzen, in Spanien oder Aegypten einen mi- litärischen Rückhalt zu gewinnen waren gescheitert; jetzt bot sich die Möglichkeit ihrem bedeutendsten Führer das Consulat und die Consularprovinz auf dem gewöhnlichen verfassungsmäſsigen Wege zu verschaffen und durch Begründung, wenn man so sagen darf, einer demokratischen Hausmacht sich von dem zweifelhaf- ten und gefährlichen Bundesgenossen Pompeius unabhängig zu machen. — Aber je mehr der Demokratie daran gelegen sein muſste sich diese Bahn zu eröffnen, die ihr nicht so sehr die günstigste als die einzige Aussicht auf ernstliche Erfolge dar- bot, desto gewisser konnte sie dabei auf den energischsten Wi- derstand ihrer politischen Gegner zählen. Es kam darauf an, wen sie hiebei sich gegenüber fand. Die Aristokratie isolirt war nicht furchtbar; aber es hatte doch so eben in der catilinarischen An- gelegenheit sich herausgestellt, daſs sie da allerdings noch etwas vermochte, wo sie von den Männern der materiellen Interessen und von den Anhängern des Pompeius mehr oder minder offen unterstützt ward. Sie hatte Catilinas Bewerbung um das Consulat mehrmals vereitelt und daſs sie das Gleiche gegen Caesar ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0199" n="189"/><fw place="top" type="header">POMPEIUS RÜCKTRITT. DIE COALITION.</fw><lb/> lassen ihn noch vor seinem Abgang in die Provinz von dem<lb/> drückendsten Theil seiner Schuldenlast zu befreien. Er selbst<lb/> hatte den kurzen Aufenthalt daselbst energisch benutzt. Im Jahr<lb/> 694 mit gefüllten Kassen und als Imperator mit wohlgegründeten<lb/> Ansprüchen auf den Triumph aus Spanien zurückgekehrt, trat<lb/> er für das folgende Jahr als Bewerber um das Consulat auf, um<lb/> dessen willen er, da der Senat ihm die Erlaubniſs abwesend sich<lb/> als Bewerber um das Consulat zu melden abschlug, die Ehre des<lb/> Triumphes unbedenklich darangab. Seit Jahren hatte die Demo-<lb/> kratie danach gerungen einen der Ihrigen in den Besitz des höch-<lb/> sten Amtes zu bringen um auf dieser Brücke zur Gründung einer<lb/> eigenen militärischen Macht zu gelangen. Längst war es ja den<lb/> Einsichtigen aller Farben klar geworden, daſs der Parteienstreit<lb/> nicht durch bürgerlichen Kampf, sondern nur noch durch Mili-<lb/> tärmacht entschieden werden könne; der Verlauf aber der Coali-<lb/> tion zwischen der Demokratie und den mächtigen Militärchefs,<lb/> durch die der Senatsherrschaft ein Ende gemacht worden war,<lb/> zeigte mit unerbittlicher Schärfe, daſs jede solche Allianz that-<lb/> sächlich auf eine Unterordnung der bürgerlichen unter die mili-<lb/> tärischen Elemente derselben hinauslief und daſs die Volkspartei,<lb/> wenn sie wirklich herrschen wollte, nicht mit ihr eigentlich frem-<lb/> den, ja feindlichen Generalen sich verbünden, sondern selbst ihre<lb/> Führer zu Generalen machen müsse. Die Versuche Catilinas Wahl<lb/> zum Consul durchzusetzen, in Spanien oder Aegypten einen mi-<lb/> litärischen Rückhalt zu gewinnen waren gescheitert; jetzt bot sich<lb/> die Möglichkeit ihrem bedeutendsten Führer das Consulat und<lb/> die Consularprovinz auf dem gewöhnlichen verfassungsmäſsigen<lb/> Wege zu verschaffen und durch Begründung, wenn man so sagen<lb/> darf, einer demokratischen Hausmacht sich von dem zweifelhaf-<lb/> ten und gefährlichen Bundesgenossen Pompeius unabhängig zu<lb/> machen. — Aber je mehr der Demokratie daran gelegen sein<lb/> muſste sich diese Bahn zu eröffnen, die ihr nicht so sehr die<lb/> günstigste als die einzige Aussicht auf ernstliche Erfolge dar-<lb/> bot, desto gewisser konnte sie dabei auf den energischsten Wi-<lb/> derstand ihrer politischen Gegner zählen. Es kam darauf an, wen<lb/> sie hiebei sich gegenüber fand. Die Aristokratie isolirt war nicht<lb/> furchtbar; aber es hatte doch so eben in der catilinarischen An-<lb/> gelegenheit sich herausgestellt, daſs sie da allerdings noch etwas<lb/> vermochte, wo sie von den Männern der materiellen Interessen<lb/> und von den Anhängern des Pompeius mehr oder minder offen<lb/> unterstützt ward. Sie hatte Catilinas Bewerbung um das Consulat<lb/> mehrmals vereitelt und daſs sie das Gleiche gegen Caesar ver-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0199]
POMPEIUS RÜCKTRITT. DIE COALITION.
lassen ihn noch vor seinem Abgang in die Provinz von dem
drückendsten Theil seiner Schuldenlast zu befreien. Er selbst
hatte den kurzen Aufenthalt daselbst energisch benutzt. Im Jahr
694 mit gefüllten Kassen und als Imperator mit wohlgegründeten
Ansprüchen auf den Triumph aus Spanien zurückgekehrt, trat
er für das folgende Jahr als Bewerber um das Consulat auf, um
dessen willen er, da der Senat ihm die Erlaubniſs abwesend sich
als Bewerber um das Consulat zu melden abschlug, die Ehre des
Triumphes unbedenklich darangab. Seit Jahren hatte die Demo-
kratie danach gerungen einen der Ihrigen in den Besitz des höch-
sten Amtes zu bringen um auf dieser Brücke zur Gründung einer
eigenen militärischen Macht zu gelangen. Längst war es ja den
Einsichtigen aller Farben klar geworden, daſs der Parteienstreit
nicht durch bürgerlichen Kampf, sondern nur noch durch Mili-
tärmacht entschieden werden könne; der Verlauf aber der Coali-
tion zwischen der Demokratie und den mächtigen Militärchefs,
durch die der Senatsherrschaft ein Ende gemacht worden war,
zeigte mit unerbittlicher Schärfe, daſs jede solche Allianz that-
sächlich auf eine Unterordnung der bürgerlichen unter die mili-
tärischen Elemente derselben hinauslief und daſs die Volkspartei,
wenn sie wirklich herrschen wollte, nicht mit ihr eigentlich frem-
den, ja feindlichen Generalen sich verbünden, sondern selbst ihre
Führer zu Generalen machen müsse. Die Versuche Catilinas Wahl
zum Consul durchzusetzen, in Spanien oder Aegypten einen mi-
litärischen Rückhalt zu gewinnen waren gescheitert; jetzt bot sich
die Möglichkeit ihrem bedeutendsten Führer das Consulat und
die Consularprovinz auf dem gewöhnlichen verfassungsmäſsigen
Wege zu verschaffen und durch Begründung, wenn man so sagen
darf, einer demokratischen Hausmacht sich von dem zweifelhaf-
ten und gefährlichen Bundesgenossen Pompeius unabhängig zu
machen. — Aber je mehr der Demokratie daran gelegen sein
muſste sich diese Bahn zu eröffnen, die ihr nicht so sehr die
günstigste als die einzige Aussicht auf ernstliche Erfolge dar-
bot, desto gewisser konnte sie dabei auf den energischsten Wi-
derstand ihrer politischen Gegner zählen. Es kam darauf an, wen
sie hiebei sich gegenüber fand. Die Aristokratie isolirt war nicht
furchtbar; aber es hatte doch so eben in der catilinarischen An-
gelegenheit sich herausgestellt, daſs sie da allerdings noch etwas
vermochte, wo sie von den Männern der materiellen Interessen
und von den Anhängern des Pompeius mehr oder minder offen
unterstützt ward. Sie hatte Catilinas Bewerbung um das Consulat
mehrmals vereitelt und daſs sie das Gleiche gegen Caesar ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |