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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
Geheimniss ruchtbar. Die Regierung wagte zwar nicht offen der
Verschwörung entgegenzutreten, aber sie gab doch den zunächst
bedrohten Consuln Wache bei und stellte der Bande der Ver-
schwornen eine von der Regierung bezahlte entgegen. Um Piso
zu entfernen wurde der Antrag gestellt ihn als Quaestor mit prä-
torischen Befugnissen nach dem diesseitigen Spanien zu senden;
worauf Crassus einging, in der Hoffnung durch denselben die
Hülfsquellen dieser wichtigen Provinz für die Insurrection zu ge-
winnen. Weiter gehende Vorschläge wurden durch die Tribunen
verhindert. -- Also lautet die offenbar wesentlich aus den Be-
hauptungen der Gegner der Verschwornen geflossene Ueberlie-
ferung, deren Glaubwürdigkeit im Einzelnen in Ermangelung
jeder Controle dahingestellt bleiben muss. Was die Hauptsache
anlangt, die Betheiligung von Caesar und Crassus, so kann aller-
dings der von ihren politischen Gegnern herrührende Bericht
nicht als ausreichender Beweis für dieselbe angesehen werden.
Aber bemerkenswerth bleibt es doch, wie gut ihre offenkundige
Thätigkeit in dieser Epoche zu der geheimen passt, die dieser
Bericht ihnen beimisst. Dass Crassus, der in diesem Jahre Cen-
sor war, als solcher den Versuch machte die Transpadaner in
die Bürgerliste einzuschreiben (S. 152), war schon geradezu
ein revolutionäres Beginnen. Noch bemerkenswerther ist es,
dass Crassus ebenfalls in seiner Censur Aegypten und Kypros in
das Verzeichniss der römischen Domänen einschreiben wollte *
und dass Caesar um die gleiche Zeit (689 oder 690) durch
einige Tribune bei der Bürgerschaft den Antrag stellen liess ihn
nach Aegypten zu senden, um den von den Alexandrinern ver-
triebenen König Ptolemaeos wieder einzusetzen. Diese Machina-
tionen stimmen mit den von den Gegnern erhobenen Anklagen
in bedenklicher Weise zusammen. Gewisses lässt sich hier nicht
ermitteln; aber die grosse Wahrscheinlichkeit ist dafür, dass

* Plutarch Crass. 13; Cicero de l. agr. 2, 17, 44. In dies Jahr (689)
gehört Ciceros Rede de rege Alexandrino, die man unrichtig in das J. 698
gesetzt hat. Cicero widerlegt darin, wie die Fragmente deutlich zeigen,
Crassus Behauptung, dass durch das Testament des Königs Alexandros
Aegypten römisches Eigenthum geworden sei. Diese Rechtsfrage konnte
und musste im J. 689 discutirt werden; im J. 698 aber war sie bereits er-
ledigt durch das julische Gesetz von 695. Auch handelte es sich im J. 698
gar nicht um die Frage, wem Aegypten gehöre, sondern um die Zurückfüh-
rung des durch einen Aufstand vertriebenen Königs und es hat bei dieser
uns genau bekannten Verhandlung Crassus keine Rolle gespielt. Endlich
war Cicero nach der Conferenz von Luca durchaus nicht in der Lage gegen
einen der Triumvirn ernstlich zu opponiren.

FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
Geheimniſs ruchtbar. Die Regierung wagte zwar nicht offen der
Verschwörung entgegenzutreten, aber sie gab doch den zunächst
bedrohten Consuln Wache bei und stellte der Bande der Ver-
schwornen eine von der Regierung bezahlte entgegen. Um Piso
zu entfernen wurde der Antrag gestellt ihn als Quaestor mit prä-
torischen Befugnissen nach dem diesseitigen Spanien zu senden;
worauf Crassus einging, in der Hoffnung durch denselben die
Hülfsquellen dieser wichtigen Provinz für die Insurrection zu ge-
winnen. Weiter gehende Vorschläge wurden durch die Tribunen
verhindert. — Also lautet die offenbar wesentlich aus den Be-
hauptungen der Gegner der Verschwornen geflossene Ueberlie-
ferung, deren Glaubwürdigkeit im Einzelnen in Ermangelung
jeder Controle dahingestellt bleiben muſs. Was die Hauptsache
anlangt, die Betheiligung von Caesar und Crassus, so kann aller-
dings der von ihren politischen Gegnern herrührende Bericht
nicht als ausreichender Beweis für dieselbe angesehen werden.
Aber bemerkenswerth bleibt es doch, wie gut ihre offenkundige
Thätigkeit in dieser Epoche zu der geheimen paſst, die dieser
Bericht ihnen beimiſst. Daſs Crassus, der in diesem Jahre Cen-
sor war, als solcher den Versuch machte die Transpadaner in
die Bürgerliste einzuschreiben (S. 152), war schon geradezu
ein revolutionäres Beginnen. Noch bemerkenswerther ist es,
daſs Crassus ebenfalls in seiner Censur Aegypten und Kypros in
das Verzeichniſs der römischen Domänen einschreiben wollte *
und daſs Caesar um die gleiche Zeit (689 oder 690) durch
einige Tribune bei der Bürgerschaft den Antrag stellen lieſs ihn
nach Aegypten zu senden, um den von den Alexandrinern ver-
triebenen König Ptolemaeos wieder einzusetzen. Diese Machina-
tionen stimmen mit den von den Gegnern erhobenen Anklagen
in bedenklicher Weise zusammen. Gewisses läſst sich hier nicht
ermitteln; aber die groſse Wahrscheinlichkeit ist dafür, daſs

* Plutarch Crass. 13; Cicero de l. agr. 2, 17, 44. In dies Jahr (689)
gehört Ciceros Rede de rege Alexandrino, die man unrichtig in das J. 698
gesetzt hat. Cicero widerlegt darin, wie die Fragmente deutlich zeigen,
Crassus Behauptung, daſs durch das Testament des Königs Alexandros
Aegypten römisches Eigenthum geworden sei. Diese Rechtsfrage konnte
und muſste im J. 689 discutirt werden; im J. 698 aber war sie bereits er-
ledigt durch das julische Gesetz von 695. Auch handelte es sich im J. 698
gar nicht um die Frage, wem Aegypten gehöre, sondern um die Zurückfüh-
rung des durch einen Aufstand vertriebenen Königs und es hat bei dieser
uns genau bekannten Verhandlung Crassus keine Rolle gespielt. Endlich
war Cicero nach der Conferenz von Luca durchaus nicht in der Lage gegen
einen der Triumvirn ernstlich zu opponiren.
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[160/0170] FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. Geheimniſs ruchtbar. Die Regierung wagte zwar nicht offen der Verschwörung entgegenzutreten, aber sie gab doch den zunächst bedrohten Consuln Wache bei und stellte der Bande der Ver- schwornen eine von der Regierung bezahlte entgegen. Um Piso zu entfernen wurde der Antrag gestellt ihn als Quaestor mit prä- torischen Befugnissen nach dem diesseitigen Spanien zu senden; worauf Crassus einging, in der Hoffnung durch denselben die Hülfsquellen dieser wichtigen Provinz für die Insurrection zu ge- winnen. Weiter gehende Vorschläge wurden durch die Tribunen verhindert. — Also lautet die offenbar wesentlich aus den Be- hauptungen der Gegner der Verschwornen geflossene Ueberlie- ferung, deren Glaubwürdigkeit im Einzelnen in Ermangelung jeder Controle dahingestellt bleiben muſs. Was die Hauptsache anlangt, die Betheiligung von Caesar und Crassus, so kann aller- dings der von ihren politischen Gegnern herrührende Bericht nicht als ausreichender Beweis für dieselbe angesehen werden. Aber bemerkenswerth bleibt es doch, wie gut ihre offenkundige Thätigkeit in dieser Epoche zu der geheimen paſst, die dieser Bericht ihnen beimiſst. Daſs Crassus, der in diesem Jahre Cen- sor war, als solcher den Versuch machte die Transpadaner in die Bürgerliste einzuschreiben (S. 152), war schon geradezu ein revolutionäres Beginnen. Noch bemerkenswerther ist es, daſs Crassus ebenfalls in seiner Censur Aegypten und Kypros in das Verzeichniſs der römischen Domänen einschreiben wollte * und daſs Caesar um die gleiche Zeit (689 oder 690) durch einige Tribune bei der Bürgerschaft den Antrag stellen lieſs ihn nach Aegypten zu senden, um den von den Alexandrinern ver- triebenen König Ptolemaeos wieder einzusetzen. Diese Machina- tionen stimmen mit den von den Gegnern erhobenen Anklagen in bedenklicher Weise zusammen. Gewisses läſst sich hier nicht ermitteln; aber die groſse Wahrscheinlichkeit ist dafür, daſs * Plutarch Crass. 13; Cicero de l. agr. 2, 17, 44. In dies Jahr (689) gehört Ciceros Rede de rege Alexandrino, die man unrichtig in das J. 698 gesetzt hat. Cicero widerlegt darin, wie die Fragmente deutlich zeigen, Crassus Behauptung, daſs durch das Testament des Königs Alexandros Aegypten römisches Eigenthum geworden sei. Diese Rechtsfrage konnte und muſste im J. 689 discutirt werden; im J. 698 aber war sie bereits er- ledigt durch das julische Gesetz von 695. Auch handelte es sich im J. 698 gar nicht um die Frage, wem Aegypten gehöre, sondern um die Zurückfüh- rung des durch einen Aufstand vertriebenen Königs und es hat bei dieser uns genau bekannten Verhandlung Crassus keine Rolle gespielt. Endlich war Cicero nach der Conferenz von Luca durchaus nicht in der Lage gegen einen der Triumvirn ernstlich zu opponiren.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/170>, abgerufen am 03.05.2024.