den von Pompeius theils genommen, theils ihm ausgeliefert; im Ganzen sollen an 1300 Piratenfahrzeuge zu Grunde gerichtet und ausserdem die reichgefüllten Arsenale und Zeughäuser der Fli- bustier in Flammen aufgegangen sein. Von den Seeräubern wa- ren gegen 10000 umgekommen, über 20000 dem Sieger lebend in die Hände gefallen, wogegen Publius Clodius, der Flottenfüh- rer der in Kilikien stehenden römischen Armee, und eine Menge anderer von den Piraten weggeführter, zum Theil daheim längst todtgeglaubter Individuen durch Pompeius ihre Freiheit wieder erlangten. Im Sommer 687, drei Monate nach dem Beginn des Feldzugs, gingen Handel und Wandel wieder ihren gewohnten Gang und anstatt der befürchteten Hungersnoth herrschte in Ita- lien Ueberfluss.
Ein verdriessliches Zwischenspiel auf der Insel Kreta trübte indess einigermassen diesen erfreulichen Erfolg der römischen Waf- fen. Dort stand schon im zweiten Jahre Quintus Metellus, be- schäftigt die im Wesentlichen bereits bewirkte Unterwerfung der Insel zu vollenden (S. 71), als Pompeius in den östlichen Ge- wässern erschien. Eine Collision lag nahe, denn nach dem ga- binischen Gesetz erstreckte sich Pompeius Commando concur- rirend mit dem des Metellus auf die ganze langgestreckte, aber nirgends über zwanzig deutsche Meilen breite Insel; doch war Pompeius so rücksichtsvoll sie keinem seiner Unterbefehlshaber zu überweisen. Allein die noch widerstrebenden kretischen Ge- meinden, die ihre früher unterworfenen Landsleute von Metellus mit der grausamsten Strenge zur Verantwortung hatten ziehen sehen und dagegen die milden Bedingungen vernahmen, welche Pompeius den ihm sich ergebenden Ortschaften des südlichen Kleinasiens zu stellen pflegte, zogen es vor ihre Gesammtunter- werfung an Pompeius einzugeben, der sie auch in Pamphylien, wo er eben sich befand, von ihren Gesandten entgegennahm und ihnen seinen Legaten Lucius Octavius mitgab, um Metellus den Abschluss der Verträge anzuzeigen und die Städte zu über- nehmen. Collegialisch war dies Verfahren freilich nicht; allein das formelle Recht war durchaus auf Seiten des Pompeius und Metellus im offenbarsten Unrecht, wenn er, den Vertrag der Städte mit Pompeius vollständig ignorirend, dieselben als feindliche zu behandeln fortfuhr. Vergeblich protestirte Octavius; vergeblich berief er, da er selbst ohne Truppen gekommen war, aus Africa den dort stehenden Unterfeldherrn des Pompeius Lucius Sisenna herbei: Metellus, ohne weder um Octavius noch um Sisenna sich zu kümmern, belagerte Eleutherna und nahm Lappa mit Sturm,
FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
den von Pompeius theils genommen, theils ihm ausgeliefert; im Ganzen sollen an 1300 Piratenfahrzeuge zu Grunde gerichtet und auſserdem die reichgefüllten Arsenale und Zeughäuser der Fli- bustier in Flammen aufgegangen sein. Von den Seeräubern wa- ren gegen 10000 umgekommen, über 20000 dem Sieger lebend in die Hände gefallen, wogegen Publius Clodius, der Flottenfüh- rer der in Kilikien stehenden römischen Armee, und eine Menge anderer von den Piraten weggeführter, zum Theil daheim längst todtgeglaubter Individuen durch Pompeius ihre Freiheit wieder erlangten. Im Sommer 687, drei Monate nach dem Beginn des Feldzugs, gingen Handel und Wandel wieder ihren gewohnten Gang und anstatt der befürchteten Hungersnoth herrschte in Ita- lien Ueberfluſs.
Ein verdrieſsliches Zwischenspiel auf der Insel Kreta trübte indeſs einigermaſsen diesen erfreulichen Erfolg der römischen Waf- fen. Dort stand schon im zweiten Jahre Quintus Metellus, be- schäftigt die im Wesentlichen bereits bewirkte Unterwerfung der Insel zu vollenden (S. 71), als Pompeius in den östlichen Ge- wässern erschien. Eine Collision lag nahe, denn nach dem ga- binischen Gesetz erstreckte sich Pompeius Commando concur- rirend mit dem des Metellus auf die ganze langgestreckte, aber nirgends über zwanzig deutsche Meilen breite Insel; doch war Pompeius so rücksichtsvoll sie keinem seiner Unterbefehlshaber zu überweisen. Allein die noch widerstrebenden kretischen Ge- meinden, die ihre früher unterworfenen Landsleute von Metellus mit der grausamsten Strenge zur Verantwortung hatten ziehen sehen und dagegen die milden Bedingungen vernahmen, welche Pompeius den ihm sich ergebenden Ortschaften des südlichen Kleinasiens zu stellen pflegte, zogen es vor ihre Gesammtunter- werfung an Pompeius einzugeben, der sie auch in Pamphylien, wo er eben sich befand, von ihren Gesandten entgegennahm und ihnen seinen Legaten Lucius Octavius mitgab, um Metellus den Abschluſs der Verträge anzuzeigen und die Städte zu über- nehmen. Collegialisch war dies Verfahren freilich nicht; allein das formelle Recht war durchaus auf Seiten des Pompeius und Metellus im offenbarsten Unrecht, wenn er, den Vertrag der Städte mit Pompeius vollständig ignorirend, dieselben als feindliche zu behandeln fortfuhr. Vergeblich protestirte Octavius; vergeblich berief er, da er selbst ohne Truppen gekommen war, aus Africa den dort stehenden Unterfeldherrn des Pompeius Lucius Sisenna herbei: Metellus, ohne weder um Octavius noch um Sisenna sich zu kümmern, belagerte Eleutherna und nahm Lappa mit Sturm,
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
den von Pompeius theils genommen, theils ihm ausgeliefert; im
Ganzen sollen an 1300 Piratenfahrzeuge zu Grunde gerichtet und
auſserdem die reichgefüllten Arsenale und Zeughäuser der Fli-
bustier in Flammen aufgegangen sein. Von den Seeräubern wa-
ren gegen 10000 umgekommen, über 20000 dem Sieger lebend
in die Hände gefallen, wogegen Publius Clodius, der Flottenfüh-
rer der in Kilikien stehenden römischen Armee, und eine Menge
anderer von den Piraten weggeführter, zum Theil daheim längst
todtgeglaubter Individuen durch Pompeius ihre Freiheit wieder
erlangten. Im Sommer 687, drei Monate nach dem Beginn des
Feldzugs, gingen Handel und Wandel wieder ihren gewohnten
Gang und anstatt der befürchteten Hungersnoth herrschte in Ita-
lien Ueberfluſs.
Ein verdrieſsliches Zwischenspiel auf der Insel Kreta trübte
indeſs einigermaſsen diesen erfreulichen Erfolg der römischen Waf-
fen. Dort stand schon im zweiten Jahre Quintus Metellus, be-
schäftigt die im Wesentlichen bereits bewirkte Unterwerfung der
Insel zu vollenden (S. 71), als Pompeius in den östlichen Ge-
wässern erschien. Eine Collision lag nahe, denn nach dem ga-
binischen Gesetz erstreckte sich Pompeius Commando concur-
rirend mit dem des Metellus auf die ganze langgestreckte, aber
nirgends über zwanzig deutsche Meilen breite Insel; doch war
Pompeius so rücksichtsvoll sie keinem seiner Unterbefehlshaber
zu überweisen. Allein die noch widerstrebenden kretischen Ge-
meinden, die ihre früher unterworfenen Landsleute von Metellus
mit der grausamsten Strenge zur Verantwortung hatten ziehen
sehen und dagegen die milden Bedingungen vernahmen, welche
Pompeius den ihm sich ergebenden Ortschaften des südlichen
Kleinasiens zu stellen pflegte, zogen es vor ihre Gesammtunter-
werfung an Pompeius einzugeben, der sie auch in Pamphylien,
wo er eben sich befand, von ihren Gesandten entgegennahm
und ihnen seinen Legaten Lucius Octavius mitgab, um Metellus
den Abschluſs der Verträge anzuzeigen und die Städte zu über-
nehmen. Collegialisch war dies Verfahren freilich nicht; allein
das formelle Recht war durchaus auf Seiten des Pompeius und
Metellus im offenbarsten Unrecht, wenn er, den Vertrag der Städte
mit Pompeius vollständig ignorirend, dieselben als feindliche zu
behandeln fortfuhr. Vergeblich protestirte Octavius; vergeblich
berief er, da er selbst ohne Truppen gekommen war, aus Africa
den dort stehenden Unterfeldherrn des Pompeius Lucius Sisenna
herbei: Metellus, ohne weder um Octavius noch um Sisenna sich
zu kümmern, belagerte Eleutherna und nahm Lappa mit Sturm,
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/120>, abgerufen am 23.11.2024.
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