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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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STURZ DER OLIGARCHIE.
durch einen der Consuln des laufenden Jahres Gaius Piso oder
Manius Glabrio verfügte, der zweite den sieben Jahre zuvor zur
Reinigung der Meere von den Piraten vom Senat selbst aufge-
stellten Plan wieder aufnahm und erweiterte. Ein einziger vom
Senat aus den Consularen zu bezeichnender Feldherr sollte bestellt
werden, um zur See auf dem gesammten mittelländischen Meer
von den Säulen des Hercules bis an die pontische und syrische
Küste ausschliesslich, zu Lande über sämmtliche Küsten bis zehn
deutsche Meilen landeinwärts mit den betreffenden römischen
Statthaltern concurrirend, den Oberbefehl zu übernehmen. Auf
drei Jahre hinaus war demselben das Amt gesichert. Ihn umgab
ein Generalstab, wie Rom noch keinen gesehen hatte, von fünf-
undzwanzig Unterbefehlshabern senatorischen Standes, alle mit
prätorischen Insignien und prätorischer Gewalt bekleidet, und
von zwei Unterschatzmeistern mit quästorischen Befugnissen, sie
alle erlesen durch den ausschliesslichen Willen des höchstcom-
mandirenden Feldherrn. Es ward demselben gestattet bis zu
120000 Mann Fussvolk, 4000 Reitern, 500 Kriegsschiffen auf-
zustellen und zu dem Ende über die Mittel der Provinzen und
Clientelstaaten unbeschränkt zu verfügen; überdies wurden die
vorhandenen Kriegsschiffe und eine ansehnliche Truppenzahl
sofort ihm überwiesen. Die Kassen des Staats in der Hauptstadt
wie in den Provinzen so wie die der abhängigen Gemeinden soll-
ten ihm unbeschränkt zu Gebot stehen und trotz der peinlichen
Finanznoth sofort aus der Staatskasse ihm eine Summe von
9 Mill. Thlr. (144 Mill. Sest.) ausgezahlt werden. -- Es leuchtet
ein, dass durch diese Gesetzentwürfe, namentlich durch den die
Expedition gegen die Piraten betreffenden, das Regiment des Se-
nats über den Haufen fiel. Die Oberleitung der Militärangelegen-
heiten hatte ihm zugestanden, seit es einen römischen Freistaat
gab. Wohl waren die von der Bürgerschaft ernannten ordentli-
chen höchsten Beamten von selbst die rechten Feldherren der
Gemeinde und bedurften auch die ausserordentlichen Beamten,
um Feldherren sein zu können, wenigstens nach strengem Recht
der Bestätigung durch die Bürgerschaft; aber auf die Besetzung
der einzelnen Commandos stand ihr verfassungsmässig kein Ein-
fluss zu und nur entweder auf Antrag des Senats oder doch auf An-
trag eines an sich zum Feldherrnamt berechtigten Beamten hat-
ten bisher die Comitien in die Besetzung der Commandos sich
so gemischt, dass sie nicht bloss über die allgemeine, sondern
auch über die specielle Competenz entschieden. Selbst in dem
bedenklichsten der bisher vorgekommenen Fälle, in der Ueber-

7 *

STURZ DER OLIGARCHIE.
durch einen der Consuln des laufenden Jahres Gaius Piso oder
Manius Glabrio verfügte, der zweite den sieben Jahre zuvor zur
Reinigung der Meere von den Piraten vom Senat selbst aufge-
stellten Plan wieder aufnahm und erweiterte. Ein einziger vom
Senat aus den Consularen zu bezeichnender Feldherr sollte bestellt
werden, um zur See auf dem gesammten mittelländischen Meer
von den Säulen des Hercules bis an die pontische und syrische
Küste ausschlieſslich, zu Lande über sämmtliche Küsten bis zehn
deutsche Meilen landeinwärts mit den betreffenden römischen
Statthaltern concurrirend, den Oberbefehl zu übernehmen. Auf
drei Jahre hinaus war demselben das Amt gesichert. Ihn umgab
ein Generalstab, wie Rom noch keinen gesehen hatte, von fünf-
undzwanzig Unterbefehlshabern senatorischen Standes, alle mit
prätorischen Insignien und prätorischer Gewalt bekleidet, und
von zwei Unterschatzmeistern mit quästorischen Befugnissen, sie
alle erlesen durch den ausschlieſslichen Willen des höchstcom-
mandirenden Feldherrn. Es ward demselben gestattet bis zu
120000 Mann Fuſsvolk, 4000 Reitern, 500 Kriegsschiffen auf-
zustellen und zu dem Ende über die Mittel der Provinzen und
Clientelstaaten unbeschränkt zu verfügen; überdies wurden die
vorhandenen Kriegsschiffe und eine ansehnliche Truppenzahl
sofort ihm überwiesen. Die Kassen des Staats in der Hauptstadt
wie in den Provinzen so wie die der abhängigen Gemeinden soll-
ten ihm unbeschränkt zu Gebot stehen und trotz der peinlichen
Finanznoth sofort aus der Staatskasse ihm eine Summe von
9 Mill. Thlr. (144 Mill. Sest.) ausgezahlt werden. — Es leuchtet
ein, daſs durch diese Gesetzentwürfe, namentlich durch den die
Expedition gegen die Piraten betreffenden, das Regiment des Se-
nats über den Haufen fiel. Die Oberleitung der Militärangelegen-
heiten hatte ihm zugestanden, seit es einen römischen Freistaat
gab. Wohl waren die von der Bürgerschaft ernannten ordentli-
chen höchsten Beamten von selbst die rechten Feldherren der
Gemeinde und bedurften auch die auſserordentlichen Beamten,
um Feldherren sein zu können, wenigstens nach strengem Recht
der Bestätigung durch die Bürgerschaft; aber auf die Besetzung
der einzelnen Commandos stand ihr verfassungsmäſsig kein Ein-
fluſs zu und nur entweder auf Antrag des Senats oder doch auf An-
trag eines an sich zum Feldherrnamt berechtigten Beamten hat-
ten bisher die Comitien in die Besetzung der Commandos sich
so gemischt, daſs sie nicht bloſs über die allgemeine, sondern
auch über die specielle Competenz entschieden. Selbst in dem
bedenklichsten der bisher vorgekommenen Fälle, in der Ueber-

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[99/0109] STURZ DER OLIGARCHIE. durch einen der Consuln des laufenden Jahres Gaius Piso oder Manius Glabrio verfügte, der zweite den sieben Jahre zuvor zur Reinigung der Meere von den Piraten vom Senat selbst aufge- stellten Plan wieder aufnahm und erweiterte. Ein einziger vom Senat aus den Consularen zu bezeichnender Feldherr sollte bestellt werden, um zur See auf dem gesammten mittelländischen Meer von den Säulen des Hercules bis an die pontische und syrische Küste ausschlieſslich, zu Lande über sämmtliche Küsten bis zehn deutsche Meilen landeinwärts mit den betreffenden römischen Statthaltern concurrirend, den Oberbefehl zu übernehmen. Auf drei Jahre hinaus war demselben das Amt gesichert. Ihn umgab ein Generalstab, wie Rom noch keinen gesehen hatte, von fünf- undzwanzig Unterbefehlshabern senatorischen Standes, alle mit prätorischen Insignien und prätorischer Gewalt bekleidet, und von zwei Unterschatzmeistern mit quästorischen Befugnissen, sie alle erlesen durch den ausschlieſslichen Willen des höchstcom- mandirenden Feldherrn. Es ward demselben gestattet bis zu 120000 Mann Fuſsvolk, 4000 Reitern, 500 Kriegsschiffen auf- zustellen und zu dem Ende über die Mittel der Provinzen und Clientelstaaten unbeschränkt zu verfügen; überdies wurden die vorhandenen Kriegsschiffe und eine ansehnliche Truppenzahl sofort ihm überwiesen. Die Kassen des Staats in der Hauptstadt wie in den Provinzen so wie die der abhängigen Gemeinden soll- ten ihm unbeschränkt zu Gebot stehen und trotz der peinlichen Finanznoth sofort aus der Staatskasse ihm eine Summe von 9 Mill. Thlr. (144 Mill. Sest.) ausgezahlt werden. — Es leuchtet ein, daſs durch diese Gesetzentwürfe, namentlich durch den die Expedition gegen die Piraten betreffenden, das Regiment des Se- nats über den Haufen fiel. Die Oberleitung der Militärangelegen- heiten hatte ihm zugestanden, seit es einen römischen Freistaat gab. Wohl waren die von der Bürgerschaft ernannten ordentli- chen höchsten Beamten von selbst die rechten Feldherren der Gemeinde und bedurften auch die auſserordentlichen Beamten, um Feldherren sein zu können, wenigstens nach strengem Recht der Bestätigung durch die Bürgerschaft; aber auf die Besetzung der einzelnen Commandos stand ihr verfassungsmäſsig kein Ein- fluſs zu und nur entweder auf Antrag des Senats oder doch auf An- trag eines an sich zum Feldherrnamt berechtigten Beamten hat- ten bisher die Comitien in die Besetzung der Commandos sich so gemischt, daſs sie nicht bloſs über die allgemeine, sondern auch über die specielle Competenz entschieden. Selbst in dem bedenklichsten der bisher vorgekommenen Fälle, in der Ueber- 7 *

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/109>, abgerufen am 23.11.2024.