Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. phon und Demetrios Nikator ward der Makkabaeer Simon aus-drücklich anerkannt als unabhängiger Fürst der Juden (611). -- Folgenreicher noch als diese Insurrection der Israeliten wa- ren die gleichzeitig und wahrscheinlich aus gleicher Ursache ent- standenen Bewegungen in den östlichen Landschaften, wo Antio- chos Epiphanes die Tempel von Ekbatana nicht minder leerte wie den von Jerusalem und dort den Anhängern des Ahuramazda und des Mithra es nicht besser gemacht haben wird wie hier denen des Jehovah. Das Ergebniss war eben wie in Judaea, nur in einem weiteren Umfang und in grossartigeren Verhältnissen, eine Reaction der einheimischen Weise und der einheimischen Religion gegen die hellenische Sitte und die hellenischen Götter; die Träger dieser Bewegung waren die Parther und ihnen entsprang das grosse Partherreich. Die ,Parthwa' oder Parther, die als eine der zahllosen in das grosse Perserreich aufgegangenen Völkerschaf- ten schon früh begegnen und im heutigen Khorasan südöstlich vom kaspischen Meere ihre ältesten bekannten Sitze hatten, erscheinen schon seit 500 d. St. unter dem skythischen, das heisst turanischen Fürstengeschlecht der Arsakes als ein selbstständiger Staat, der indess erst ein Jahrhundert später aus seiner Dunkelheit hervor- trat. Der sechste Arsakide, Mithradates I (579?-618?) griff das baktrische Reich an, das, durch die Fehden mit den skythi- schen Reiterschaaren von Turan und mit den Staaten am Indus und durch innere Wirren bereits in allen Fugen erschüttert, dem viel schwächeren Feinde erlag. Sodann wandte er sich zur Unter- werfung der Landschaften westlich der grossen Wüste und fast mit gleichem Erfolg. Das syrische Reich war eben damals theils in Folge der verfehlten Hellenisirungsversuche des Antiochos Epiphanes, theils durch die nach seinem Tode eintretenden Suc- cessionswirren aufs tiefste zerrüttet und die inneren Provinzen im vollen Zuge sich von Antiocheia und der Küstenlandschaft zu lösen; in Kommagene zum Beispiel, der nördlichsten Landschaft Syriens an der kappadokischen Grenze, machte der Satrap Pto- lemaeos, auf dem entgegengesetzten Ufer des Euphrat im nörd- lichen Mesopotamien oder der Landschaft Osroene der Fürst von Edessa, in der wichtigen Provinz Medien der Satrap Timar- chos sich unabhängig; ja der letztere liess sich vom römischen Senat seine Unabhängigkeit bestätigen und herrschte, gestützt auf das verbündete Armenien, bis hinab nach Seleukeia am Ti- gris. Es gelang wohl den einen oder den andern dieser Rebellen noch einmal zur Ordnung zu bringen; aber die Unordnung blieb darum nicht weniger in Permanenz. Die Lage der syrischen Kö- DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. phon und Demetrios Nikator ward der Makkabaeer Simon aus-drücklich anerkannt als unabhängiger Fürst der Juden (611). — Folgenreicher noch als diese Insurrection der Israeliten wa- ren die gleichzeitig und wahrscheinlich aus gleicher Ursache ent- standenen Bewegungen in den östlichen Landschaften, wo Antio- chos Epiphanes die Tempel von Ekbatana nicht minder leerte wie den von Jerusalem und dort den Anhängern des Ahuramazda und des Mithra es nicht besser gemacht haben wird wie hier denen des Jehovah. Das Ergebniſs war eben wie in Judaea, nur in einem weiteren Umfang und in groſsartigeren Verhältnissen, eine Reaction der einheimischen Weise und der einheimischen Religion gegen die hellenische Sitte und die hellenischen Götter; die Träger dieser Bewegung waren die Parther und ihnen entsprang das groſse Partherreich. Die ‚Parthwa‘ oder Parther, die als eine der zahllosen in das groſse Perserreich aufgegangenen Völkerschaf- ten schon früh begegnen und im heutigen Khorasan südöstlich vom kaspischen Meere ihre ältesten bekannten Sitze hatten, erscheinen schon seit 500 d. St. unter dem skythischen, das heiſst turanischen Fürstengeschlecht der Arsakes als ein selbstständiger Staat, der indeſs erst ein Jahrhundert später aus seiner Dunkelheit hervor- trat. Der sechste Arsakide, Mithradates I (579?-618?) griff das baktrische Reich an, das, durch die Fehden mit den skythi- schen Reiterschaaren von Turan und mit den Staaten am Indus und durch innere Wirren bereits in allen Fugen erschüttert, dem viel schwächeren Feinde erlag. Sodann wandte er sich zur Unter- werfung der Landschaften westlich der groſsen Wüste und fast mit gleichem Erfolg. Das syrische Reich war eben damals theils in Folge der verfehlten Hellenisirungsversuche des Antiochos Epiphanes, theils durch die nach seinem Tode eintretenden Suc- cessionswirren aufs tiefste zerrüttet und die inneren Provinzen im vollen Zuge sich von Antiocheia und der Küstenlandschaft zu lösen; in Kommagene zum Beispiel, der nördlichsten Landschaft Syriens an der kappadokischen Grenze, machte der Satrap Pto- lemaeos, auf dem entgegengesetzten Ufer des Euphrat im nörd- lichen Mesopotamien oder der Landschaft Osroene der Fürst von Edessa, in der wichtigen Provinz Medien der Satrap Timar- chos sich unabhängig; ja der letztere lieſs sich vom römischen Senat seine Unabhängigkeit bestätigen und herrschte, gestützt auf das verbündete Armenien, bis hinab nach Seleukeia am Ti- gris. Es gelang wohl den einen oder den andern dieser Rebellen noch einmal zur Ordnung zu bringen; aber die Unordnung blieb darum nicht weniger in Permanenz. 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DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
phon und Demetrios Nikator ward der Makkabaeer Simon aus-
drücklich anerkannt als unabhängiger Fürst der Juden (611).
— Folgenreicher noch als diese Insurrection der Israeliten wa-
ren die gleichzeitig und wahrscheinlich aus gleicher Ursache ent-
standenen Bewegungen in den östlichen Landschaften, wo Antio-
chos Epiphanes die Tempel von Ekbatana nicht minder leerte
wie den von Jerusalem und dort den Anhängern des Ahuramazda
und des Mithra es nicht besser gemacht haben wird wie hier
denen des Jehovah. Das Ergebniſs war eben wie in Judaea, nur
in einem weiteren Umfang und in groſsartigeren Verhältnissen,
eine Reaction der einheimischen Weise und der einheimischen
Religion gegen die hellenische Sitte und die hellenischen Götter;
die Träger dieser Bewegung waren die Parther und ihnen entsprang
das groſse Partherreich. Die ‚Parthwa‘ oder Parther, die als eine
der zahllosen in das groſse Perserreich aufgegangenen Völkerschaf-
ten schon früh begegnen und im heutigen Khorasan südöstlich vom
kaspischen Meere ihre ältesten bekannten Sitze hatten, erscheinen
schon seit 500 d. St. unter dem skythischen, das heiſst turanischen
Fürstengeschlecht der Arsakes als ein selbstständiger Staat, der
indeſs erst ein Jahrhundert später aus seiner Dunkelheit hervor-
trat. Der sechste Arsakide, Mithradates I (579?-618?) griff
das baktrische Reich an, das, durch die Fehden mit den skythi-
schen Reiterschaaren von Turan und mit den Staaten am Indus und
durch innere Wirren bereits in allen Fugen erschüttert, dem viel
schwächeren Feinde erlag. Sodann wandte er sich zur Unter-
werfung der Landschaften westlich der groſsen Wüste und fast
mit gleichem Erfolg. Das syrische Reich war eben damals theils
in Folge der verfehlten Hellenisirungsversuche des Antiochos
Epiphanes, theils durch die nach seinem Tode eintretenden Suc-
cessionswirren aufs tiefste zerrüttet und die inneren Provinzen
im vollen Zuge sich von Antiocheia und der Küstenlandschaft zu
lösen; in Kommagene zum Beispiel, der nördlichsten Landschaft
Syriens an der kappadokischen Grenze, machte der Satrap Pto-
lemaeos, auf dem entgegengesetzten Ufer des Euphrat im nörd-
lichen Mesopotamien oder der Landschaft Osroene der Fürst
von Edessa, in der wichtigen Provinz Medien der Satrap Timar-
chos sich unabhängig; ja der letztere lieſs sich vom römischen
Senat seine Unabhängigkeit bestätigen und herrschte, gestützt
auf das verbündete Armenien, bis hinab nach Seleukeia am Ti-
gris. Es gelang wohl den einen oder den andern dieser Rebellen
noch einmal zur Ordnung zu bringen; aber die Unordnung blieb
darum nicht weniger in Permanenz. Die Lage der syrischen Kö-
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