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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
auch mit unzulänglichen Streitkräften und unzulänglicher Sorg-
falt übernahmen. Die neue Provinz ward zugleich die natürliche
Basis theils für die Züge gegen die unruhigen Dalmater, theils
für die zahlreichen Expeditionen gegen die nordwärts der grie-
chischen Halbinsel ansässigen illyrischen, keltischen und thraki-
schen Stämme, die später in ihrem geschichtlichen Zusammen-
hang darzustellen sein werden.

In dem eigentlichen Griechenland sah es immer noch wüst
genug aus. Das Land verödete, nicht durch Krieg und Pest, son-
dern durch die immer weiter um sich greifende Abneigung der hö-
heren Stände mit Frau und Kindern sich zu plagen; dafür strömte
wie bisher das verbrecherische oder leichtsinnige Gesindel dort-
hin um daselbst den Werbeoffizier zu erwarten. Der tiefe ökono-
mische Verfall war um nichts gebessert und es kam noch vor,
dass einzelne Städte, namentlich Athen und Theben, in ihrer
finanziellen Bedrängniss dazu griffen die Nachbargemeinden zu
plündern; auch der innere Hader in den Bünden, zum Beispiel
zwischen den freiwilligen und den gezwungenen Mitgliedern der
achäischen Eidgenossenschaft, war keineswegs beigelegt. Das[s]
man den Römern, was sie auch thun mochten um den hellen[i]-
schen Patriotismus zu versöhnen, dennoch gerade ebenso grol[lt]e
wie vorher, versteht sich von selbst; es ist bezeichnend, dass Kö-
nig Eumenes II, der als Römerfreund in Griechenland im höch-
sten Grade verhasst war (I, 578), nach der zwischen ihm und
den Römern eingetretenen Verstimmung plötzlich daselbst popu-
lär ward und der hellenische Euelpides statt von Makedonien
jetzt von Pergamon den Erlöser von der Fremdherrschaft er-
wartete. Indess schienen doch allmählich leidlichere Verhältnisse
sich anzubahnen und die Nachwehen des perseischen Krieges aus
den Gemüthern der Hellenen zu verschwinden. Die verbissen-
sten Anhänger Roms, Lykiskos der Aetoler, Mnasippos der Böote,
Chrematas der Akarnane, der schandbare Epirote Charop, dem
selbst ehrenhafte Römer das Haus verboten, stiegen einer nach
dem andern ins Grab; ein anderes Geschlecht wuchs heran, in
dem die alten Erinnerungen und die alten Gegensätze erblasst

kennt diese Strasse schon der Verfasser der aristotelischen Schrift ,von
den merkwürdigen Dingen' als diejenige, in deren Mitte die korkyräi-
schen Weinkrüge den thasischen und lesbischen begegnen; und auch heute
noch läuft dieselbe wesentlich in gleicher Richtung von Durazzo, die Berge
von Bagora (kandavisches Gebirge) am See von Ochrida (Lychnitis) durch-
schneidend, über Monastir nach Salonik.

VIERTES BUCH. KAPITEL I.
auch mit unzulänglichen Streitkräften und unzulänglicher Sorg-
falt übernahmen. Die neue Provinz ward zugleich die natürliche
Basis theils für die Züge gegen die unruhigen Dalmater, theils
für die zahlreichen Expeditionen gegen die nordwärts der grie-
chischen Halbinsel ansäſsigen illyrischen, keltischen und thraki-
schen Stämme, die später in ihrem geschichtlichen Zusammen-
hang darzustellen sein werden.

In dem eigentlichen Griechenland sah es immer noch wüst
genug aus. Das Land verödete, nicht durch Krieg und Pest, son-
dern durch die immer weiter um sich greifende Abneigung der hö-
heren Stände mit Frau und Kindern sich zu plagen; dafür strömte
wie bisher das verbrecherische oder leichtsinnige Gesindel dort-
hin um daselbst den Werbeoffizier zu erwarten. Der tiefe ökono-
mische Verfall war um nichts gebessert und es kam noch vor,
daſs einzelne Städte, namentlich Athen und Theben, in ihrer
finanziellen Bedrängniſs dazu griffen die Nachbargemeinden zu
plündern; auch der innere Hader in den Bünden, zum Beispiel
zwischen den freiwilligen und den gezwungenen Mitgliedern der
achäischen Eidgenossenschaft, war keineswegs beigelegt. Das[s]
man den Römern, was sie auch thun mochten um den hellen[i]-
schen Patriotismus zu versöhnen, dennoch gerade ebenso grol[lt]e
wie vorher, versteht sich von selbst; es ist bezeichnend, daſs Kö-
nig Eumenes II, der als Römerfreund in Griechenland im höch-
sten Grade verhaſst war (I, 578), nach der zwischen ihm und
den Römern eingetretenen Verstimmung plötzlich daselbst popu-
lär ward und der hellenische Euelpides statt von Makedonien
jetzt von Pergamon den Erlöser von der Fremdherrschaft er-
wartete. Indeſs schienen doch allmählich leidlichere Verhältnisse
sich anzubahnen und die Nachwehen des perseischen Krieges aus
den Gemüthern der Hellenen zu verschwinden. Die verbissen-
sten Anhänger Roms, Lykiskos der Aetoler, Mnasippos der Böote,
Chrematas der Akarnane, der schandbare Epirote Charop, dem
selbst ehrenhafte Römer das Haus verboten, stiegen einer nach
dem andern ins Grab; ein anderes Geschlecht wuchs heran, in
dem die alten Erinnerungen und die alten Gegensätze erblaſst

kennt diese Straſse schon der Verfasser der aristotelischen Schrift ‚von
den merkwürdigen Dingen‘ als diejenige, in deren Mitte die korkyräi-
schen Weinkrüge den thasischen und lesbischen begegnen; und auch heute
noch läuft dieselbe wesentlich in gleicher Richtung von Durazzo, die Berge
von Bagora (kandavisches Gebirge) am See von Ochrida (Lychnitis) durch-
schneidend, über Monastir nach Salonik.
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[40/0050] VIERTES BUCH. KAPITEL I. auch mit unzulänglichen Streitkräften und unzulänglicher Sorg- falt übernahmen. Die neue Provinz ward zugleich die natürliche Basis theils für die Züge gegen die unruhigen Dalmater, theils für die zahlreichen Expeditionen gegen die nordwärts der grie- chischen Halbinsel ansäſsigen illyrischen, keltischen und thraki- schen Stämme, die später in ihrem geschichtlichen Zusammen- hang darzustellen sein werden. In dem eigentlichen Griechenland sah es immer noch wüst genug aus. Das Land verödete, nicht durch Krieg und Pest, son- dern durch die immer weiter um sich greifende Abneigung der hö- heren Stände mit Frau und Kindern sich zu plagen; dafür strömte wie bisher das verbrecherische oder leichtsinnige Gesindel dort- hin um daselbst den Werbeoffizier zu erwarten. Der tiefe ökono- mische Verfall war um nichts gebessert und es kam noch vor, daſs einzelne Städte, namentlich Athen und Theben, in ihrer finanziellen Bedrängniſs dazu griffen die Nachbargemeinden zu plündern; auch der innere Hader in den Bünden, zum Beispiel zwischen den freiwilligen und den gezwungenen Mitgliedern der achäischen Eidgenossenschaft, war keineswegs beigelegt. Dass man den Römern, was sie auch thun mochten um den helleni- schen Patriotismus zu versöhnen, dennoch gerade ebenso grollte wie vorher, versteht sich von selbst; es ist bezeichnend, daſs Kö- nig Eumenes II, der als Römerfreund in Griechenland im höch- sten Grade verhaſst war (I, 578), nach der zwischen ihm und den Römern eingetretenen Verstimmung plötzlich daselbst popu- lär ward und der hellenische Euelpides statt von Makedonien jetzt von Pergamon den Erlöser von der Fremdherrschaft er- wartete. Indeſs schienen doch allmählich leidlichere Verhältnisse sich anzubahnen und die Nachwehen des perseischen Krieges aus den Gemüthern der Hellenen zu verschwinden. Die verbissen- sten Anhänger Roms, Lykiskos der Aetoler, Mnasippos der Böote, Chrematas der Akarnane, der schandbare Epirote Charop, dem selbst ehrenhafte Römer das Haus verboten, stiegen einer nach dem andern ins Grab; ein anderes Geschlecht wuchs heran, in dem die alten Erinnerungen und die alten Gegensätze erblaſst * * kennt diese Straſse schon der Verfasser der aristotelischen Schrift ‚von den merkwürdigen Dingen‘ als diejenige, in deren Mitte die korkyräi- schen Weinkrüge den thasischen und lesbischen begegnen; und auch heute noch läuft dieselbe wesentlich in gleicher Richtung von Durazzo, die Berge von Bagora (kandavisches Gebirge) am See von Ochrida (Lychnitis) durch- schneidend, über Monastir nach Salonik.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/50>, abgerufen am 23.11.2024.