Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.LITTERATUR UND KUNST. offenbart. Mit der Begründung dieser Wissenschaften, welcherecht eigentlich in die gegenwärtige Epoche fällt, und zugleich mit den ersten geringen Anfängen der Nachdichtung der alexan- drinischen Treibhauspoesie beginnt bereits die Epoche des rö- mischen Alexandrinismus sich anzukündigen. Alles, was diese Epoche geschaffen hat, ist glatter, fehlerfreier, systematischer als die Schöpfungen des sechsten Jahrhunderts; nicht ganz mit Un- recht sahen die Litteraten und Litteraturfreunde dieser Zeit auf ihre Vorgänger wie auf stümperhafte Anfänger herab. Aber wenn sie die Mangelhaftigkeit jener Anfängerarbeiten belächelten oder beschalten, so mochten doch auch eben die geistreichsten von ihnen sich es gestehen, dass die Jugendzeit der Nation vergan- gen war, und vielleicht diesen oder jenen doch wieder im stillen Grunde des Herzens die Sehnsucht beschleichen den lieblichen Irrthum der Jugend abermals zu irren. LITTERATUR UND KUNST. offenbart. Mit der Begründung dieser Wissenschaften, welcherecht eigentlich in die gegenwärtige Epoche fällt, und zugleich mit den ersten geringen Anfängen der Nachdichtung der alexan- drinischen Treibhauspoesie beginnt bereits die Epoche des rö- mischen Alexandrinismus sich anzukündigen. Alles, was diese Epoche geschaffen hat, ist glatter, fehlerfreier, systematischer als die Schöpfungen des sechsten Jahrhunderts; nicht ganz mit Un- recht sahen die Litteraten und Litteraturfreunde dieser Zeit auf ihre Vorgänger wie auf stümperhafte Anfänger herab. Aber wenn sie die Mangelhaftigkeit jener Anfängerarbeiten belächelten oder beschalten, so mochten doch auch eben die geistreichsten von ihnen sich es gestehen, daſs die Jugendzeit der Nation vergan- gen war, und vielleicht diesen oder jenen doch wieder im stillen Grunde des Herzens die Sehnsucht beschleichen den lieblichen Irrthum der Jugend abermals zu irren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0449" n="439"/><fw place="top" type="header">LITTERATUR UND KUNST.</fw><lb/> offenbart. Mit der Begründung dieser Wissenschaften, welche<lb/> recht eigentlich in die gegenwärtige Epoche fällt, und zugleich<lb/> mit den ersten geringen Anfängen der Nachdichtung der alexan-<lb/> drinischen Treibhauspoesie beginnt bereits die Epoche des rö-<lb/> mischen Alexandrinismus sich anzukündigen. Alles, was diese<lb/> Epoche geschaffen hat, ist glatter, fehlerfreier, systematischer als<lb/> die Schöpfungen des sechsten Jahrhunderts; nicht ganz mit Un-<lb/> recht sahen die Litteraten und Litteraturfreunde dieser Zeit auf<lb/> ihre Vorgänger wie auf stümperhafte Anfänger herab. Aber wenn<lb/> sie die Mangelhaftigkeit jener Anfängerarbeiten belächelten oder<lb/> beschalten, so mochten doch auch eben die geistreichsten von<lb/> ihnen sich es gestehen, daſs die Jugendzeit der Nation vergan-<lb/> gen war, und vielleicht diesen oder jenen doch wieder im stillen<lb/> Grunde des Herzens die Sehnsucht beschleichen den lieblichen<lb/> Irrthum der Jugend abermals zu irren.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> <back> </back> </text> </TEI> [439/0449]
LITTERATUR UND KUNST.
offenbart. Mit der Begründung dieser Wissenschaften, welche
recht eigentlich in die gegenwärtige Epoche fällt, und zugleich
mit den ersten geringen Anfängen der Nachdichtung der alexan-
drinischen Treibhauspoesie beginnt bereits die Epoche des rö-
mischen Alexandrinismus sich anzukündigen. Alles, was diese
Epoche geschaffen hat, ist glatter, fehlerfreier, systematischer als
die Schöpfungen des sechsten Jahrhunderts; nicht ganz mit Un-
recht sahen die Litteraten und Litteraturfreunde dieser Zeit auf
ihre Vorgänger wie auf stümperhafte Anfänger herab. Aber wenn
sie die Mangelhaftigkeit jener Anfängerarbeiten belächelten oder
beschalten, so mochten doch auch eben die geistreichsten von
ihnen sich es gestehen, daſs die Jugendzeit der Nation vergan-
gen war, und vielleicht diesen oder jenen doch wieder im stillen
Grunde des Herzens die Sehnsucht beschleichen den lieblichen
Irrthum der Jugend abermals zu irren.
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