Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. tischen Meeres, jene von Salonae, diese von Apollonia und Dyrrha-chion, in das Binnenland hinein -- Anlagen, über deren Entstehung zwar in der trümmerhaften Ueberlieferung dieser Epoche keine An- gabe zu finden ist, die aber nichts desto weniger mit den gallischen, dalmatischen, makedonischen Kriegen dieser Zeit unzweifelhaft in Zusammenhang standen und für die Centralisirung des Staats und die Civilisirung der unterworfenen barbarischen Districte von der grössten Bedeutung geworden sind. -- Wie für die Strassen war man wenigstens in Italien auch für die grossen Entsum- pfungsarbeiten thätig. So ward im J.594 die Trockenlegung der pomptinischen Sümpfe, diese Lebensfrage für Mittelitalien, mit grossem Kraftaufwand und wenigstens scheinbarem Erfolg angegriffen; so im J. 645 in Verbindung mit den norditalischen Chausseebauten zugleich die Entsumpfung der Niederungen zwi- schen Parma und Placentia bewerkstelligt. Endlich that die Re- gierung viel für die zur Gesundheit und Annehmlichkeit der Haupt- stadt ebenso unentbehrlichen wie kostspieligen römischen Was- serleitungen. Nicht bloss wurden die beiden seit den J. 442 und 492 bereits bestehenden, die appische und die Anioleitung, im J. 610 von Grund aus reparirt, sondern auch zwei neue Leitun- gen angelegt: im J. 610 die marcische, die an Güte und Fülle des Wassers auch später unübertroffen blieb, und neunzehn Jahre nachher die sogenannte laue Quelle. Welche Operationen die rö- mische Staatscasse, ohne vom Creditsystem Gebrauch zu machen, mittelst reiner Baarzahlung auszuführen vermochte, zeigt nichts deutlicher als die Art, wie die marcische Leitung angelegt ward: die dazu erforderliche Summe von 180 Mill. Sesterzen (in Gold fast 13 Mill. Thlr.) ward innerhalb dreier Jahre disponibel ge- macht und verwandt. Es lässt dies schliessen auf eine sehr an- sehnliche Reserve des Staatsschatzes, die ja auch schon im An- fang dieser Periode fast 6 Mill. Thlr. betrug (I, 617) und ohne Zweifel beständig im Steigen war. -- Indess darf über dem Glanz und der Bedeutung dieser grossartigen Anlagen doch nicht über- sehen werden, dass die römische Finanzverwaltung den Anfor- derungen, welche an einen Staat, wie der römische war, gestellt werden konnten und mussten, keineswegs entsprach. Für das Militärwesen ward in der ungenügendsten Weise gesorgt; in den Grenzlandschaften, selbst im Pothal (S. 160) plünderten die Bar- baren, im Innern hausten selbst in Kleinasien, Sicilien, Italien die Räuberbanden. Die Flotte gar ward völlig vernachlässigt; rö- mische Kriegsschiffe gab es kaum mehr und die Kriegsschiffe, die man durch die Unterthanenstädte bauen und erhalten liess, reich- 24*
DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE. tischen Meeres, jene von Salonae, diese von Apollonia und Dyrrha-chion, in das Binnenland hinein — Anlagen, über deren Entstehung zwar in der trümmerhaften Ueberlieferung dieser Epoche keine An- gabe zu finden ist, die aber nichts desto weniger mit den gallischen, dalmatischen, makedonischen Kriegen dieser Zeit unzweifelhaft in Zusammenhang standen und für die Centralisirung des Staats und die Civilisirung der unterworfenen barbarischen Districte von der gröſsten Bedeutung geworden sind. — Wie für die Straſsen war man wenigstens in Italien auch für die groſsen Entsum- pfungsarbeiten thätig. So ward im J.594 die Trockenlegung der pomptinischen Sümpfe, diese Lebensfrage für Mittelitalien, mit groſsem Kraftaufwand und wenigstens scheinbarem Erfolg angegriffen; so im J. 645 in Verbindung mit den norditalischen Chausseebauten zugleich die Entsumpfung der Niederungen zwi- schen Parma und Placentia bewerkstelligt. Endlich that die Re- gierung viel für die zur Gesundheit und Annehmlichkeit der Haupt- stadt ebenso unentbehrlichen wie kostspieligen römischen Was- serleitungen. Nicht bloſs wurden die beiden seit den J. 442 und 492 bereits bestehenden, die appische und die Anioleitung, im J. 610 von Grund aus reparirt, sondern auch zwei neue Leitun- gen angelegt: im J. 610 die marcische, die an Güte und Fülle des Wassers auch später unübertroffen blieb, und neunzehn Jahre nachher die sogenannte laue Quelle. Welche Operationen die rö- mische Staatscasse, ohne vom Creditsystem Gebrauch zu machen, mittelst reiner Baarzahlung auszuführen vermochte, zeigt nichts deutlicher als die Art, wie die marcische Leitung angelegt ward: die dazu erforderliche Summe von 180 Mill. Sesterzen (in Gold fast 13 Mill. Thlr.) ward innerhalb dreier Jahre disponibel ge- macht und verwandt. Es läſst dies schlieſsen auf eine sehr an- sehnliche Reserve des Staatsschatzes, die ja auch schon im An- fang dieser Periode fast 6 Mill. Thlr. betrug (I, 617) und ohne Zweifel beständig im Steigen war. — Indeſs darf über dem Glanz und der Bedeutung dieser groſsartigen Anlagen doch nicht über- sehen werden, daſs die römische Finanzverwaltung den Anfor- derungen, welche an einen Staat, wie der römische war, gestellt werden konnten und muſsten, keineswegs entsprach. Für das Militärwesen ward in der ungenügendsten Weise gesorgt; in den Grenzlandschaften, selbst im Pothal (S. 160) plünderten die Bar- baren, im Innern hausten selbst in Kleinasien, Sicilien, Italien die Räuberbanden. Die Flotte gar ward völlig vernachlässigt; rö- mische Kriegsschiffe gab es kaum mehr und die Kriegsschiffe, die man durch die Unterthanenstädte bauen und erhalten lieſs, reich- 24*
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DAS GEMEINWESEN UND SEINE OEKONOMIE.
tischen Meeres, jene von Salonae, diese von Apollonia und Dyrrha-
chion, in das Binnenland hinein — Anlagen, über deren Entstehung
zwar in der trümmerhaften Ueberlieferung dieser Epoche keine An-
gabe zu finden ist, die aber nichts desto weniger mit den gallischen,
dalmatischen, makedonischen Kriegen dieser Zeit unzweifelhaft in
Zusammenhang standen und für die Centralisirung des Staats
und die Civilisirung der unterworfenen barbarischen Districte von
der gröſsten Bedeutung geworden sind. — Wie für die Straſsen
war man wenigstens in Italien auch für die groſsen Entsum-
pfungsarbeiten thätig. So ward im J.594 die Trockenlegung
der pomptinischen Sümpfe, diese Lebensfrage für Mittelitalien,
mit groſsem Kraftaufwand und wenigstens scheinbarem Erfolg
angegriffen; so im J. 645 in Verbindung mit den norditalischen
Chausseebauten zugleich die Entsumpfung der Niederungen zwi-
schen Parma und Placentia bewerkstelligt. Endlich that die Re-
gierung viel für die zur Gesundheit und Annehmlichkeit der Haupt-
stadt ebenso unentbehrlichen wie kostspieligen römischen Was-
serleitungen. Nicht bloſs wurden die beiden seit den J. 442 und
492 bereits bestehenden, die appische und die Anioleitung, im
J. 610 von Grund aus reparirt, sondern auch zwei neue Leitun-
gen angelegt: im J. 610 die marcische, die an Güte und Fülle des
Wassers auch später unübertroffen blieb, und neunzehn Jahre
nachher die sogenannte laue Quelle. Welche Operationen die rö-
mische Staatscasse, ohne vom Creditsystem Gebrauch zu machen,
mittelst reiner Baarzahlung auszuführen vermochte, zeigt nichts
deutlicher als die Art, wie die marcische Leitung angelegt ward:
die dazu erforderliche Summe von 180 Mill. Sesterzen (in Gold
fast 13 Mill. Thlr.) ward innerhalb dreier Jahre disponibel ge-
macht und verwandt. Es läſst dies schlieſsen auf eine sehr an-
sehnliche Reserve des Staatsschatzes, die ja auch schon im An-
fang dieser Periode fast 6 Mill. Thlr. betrug (I, 617) und ohne
Zweifel beständig im Steigen war. — Indeſs darf über dem Glanz
und der Bedeutung dieser groſsartigen Anlagen doch nicht über-
sehen werden, daſs die römische Finanzverwaltung den Anfor-
derungen, welche an einen Staat, wie der römische war, gestellt
werden konnten und muſsten, keineswegs entsprach. Für das
Militärwesen ward in der ungenügendsten Weise gesorgt; in den
Grenzlandschaften, selbst im Pothal (S. 160) plünderten die Bar-
baren, im Innern hausten selbst in Kleinasien, Sicilien, Italien
die Räuberbanden. Die Flotte gar ward völlig vernachlässigt; rö-
mische Kriegsschiffe gab es kaum mehr und die Kriegsschiffe, die
man durch die Unterthanenstädte bauen und erhalten lieſs, reich-
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