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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
regeln bedurfte es hinsichtlich der höchsten Beamten, der Tribu-
nen, der Consuln und der diesen gleichartigen Volksvorsteher, end-
lich der Censoren. Die Tribunen behielten ihr Recht sowohl mit
dem Volke zu verhandeln als auch die Amtshandlungen der Magi-
strate durch ihr Einschreiten zu cassiren, eventuell zu brüchen und
die weitere Bestrafung zu veranlassen; in beiden Beziehungen aber
waren sie jetzt gesetzlich nichts als Werkzeuge des Senats, der ja
auch bisher schon regelmässig seine Anträge und Mittheilungen
durch sie an das Volk gebracht und Ausschreitungen der Beam-
ten durch die tribunicische Intercession beseitigt hatte. Auf den
Missbrauch des Intercessionsrechts wurde eine schwere Geldstrafe
gesetzt. Um endlich von diesem allein seines populären Namens
wegen in den Händen eines Demagogen immer gefährlichen Amte
alle Ehrgeizigen zu entfernen, wurde die Bestimmung getroffen, dass
die Bekleidung des Tribunats in Zukunft zur Uebernahme eines hö-
heren Amtes unfähig machen solle. -- Nach der Geschäftstheilung,
wie sie für die römischen Consuln und Prätoren alten Herkom-
mens war, fielen den beiden Consuln die städtischen Geschäfte
nebst der Verwaltung Italiens und des diesseitigen Galliens zu,
zweien der Prätoren die Leitung des städtischen Gerichtswesens,
den vier übrigen die Verwaltung der vier ältesten überseeischen
Aemter, Siciliens, Sardiniens und beider Spanien; auf die specielle
Vertheilung der Geschäfte unter diese acht höchsten Beamten
übte der Senat einen wesentlichen Einfluss, übrigens aber griff
er in ihre Competenzen nicht weiter ein. Allein schon in älterer
Zeit gab es sehr häufig mehr Aemter als Beamte, da nicht selten
einer oder der andere der Beamten durch eine ausserordentliche
Competenz in Anspruch genommen ward. Die in diesem Fall
entstehenden Lücken ergänzte der Senat, gewöhnlich in der Art,
dass einzelne zum Abgang stehende höchste Beamte von der Ver-
pflichtung abzutreten dispensirt und sei es in ihrem bisherigen,
sei es in einem neuen Wirkungskreis verwendet wurden; eine
Verfügung, die allerdings nach dem Buchstaben des Rechts der
Bestätigung durch die Bürgerschaft bedurft hätte, aber längst, wie
alle andern Dispensationen von den Gesetzen, auch ohne Bür-
gerschaftsbestätigung schon durch Senatsbeschluss gültig ward
(I, 201). Im Laufe des siebenten Jahrhunderts wurden aber
nicht bloss ausserordentliche Commissionen immer häufiger, son-
dern es traten auch als stehende höchste Aemter theils die fünf
neuen Statthalterschaften von Makedonien, Africa, Asia, Narbo
und Kilikien, theils die Vorsitzerstelle in dem stehenden Com-
missionsgericht wegen Erpressungen (S. 77) hinzu. Nichts

Röm. Gesch. II. 22

DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
regeln bedurfte es hinsichtlich der höchsten Beamten, der Tribu-
nen, der Consuln und der diesen gleichartigen Volksvorsteher, end-
lich der Censoren. Die Tribunen behielten ihr Recht sowohl mit
dem Volke zu verhandeln als auch die Amtshandlungen der Magi-
strate durch ihr Einschreiten zu cassiren, eventuell zu brüchen und
die weitere Bestrafung zu veranlassen; in beiden Beziehungen aber
waren sie jetzt gesetzlich nichts als Werkzeuge des Senats, der ja
auch bisher schon regelmäſsig seine Anträge und Mittheilungen
durch sie an das Volk gebracht und Ausschreitungen der Beam-
ten durch die tribunicische Intercession beseitigt hatte. Auf den
Miſsbrauch des Intercessionsrechts wurde eine schwere Geldstrafe
gesetzt. Um endlich von diesem allein seines populären Namens
wegen in den Händen eines Demagogen immer gefährlichen Amte
alle Ehrgeizigen zu entfernen, wurde die Bestimmung getroffen, daſs
die Bekleidung des Tribunats in Zukunft zur Uebernahme eines hö-
heren Amtes unfähig machen solle. — Nach der Geschäftstheilung,
wie sie für die römischen Consuln und Prätoren alten Herkom-
mens war, fielen den beiden Consuln die städtischen Geschäfte
nebst der Verwaltung Italiens und des diesseitigen Galliens zu,
zweien der Prätoren die Leitung des städtischen Gerichtswesens,
den vier übrigen die Verwaltung der vier ältesten überseeischen
Aemter, Siciliens, Sardiniens und beider Spanien; auf die specielle
Vertheilung der Geschäfte unter diese acht höchsten Beamten
übte der Senat einen wesentlichen Einfluſs, übrigens aber griff
er in ihre Competenzen nicht weiter ein. Allein schon in älterer
Zeit gab es sehr häufig mehr Aemter als Beamte, da nicht selten
einer oder der andere der Beamten durch eine auſserordentliche
Competenz in Anspruch genommen ward. Die in diesem Fall
entstehenden Lücken ergänzte der Senat, gewöhnlich in der Art,
daſs einzelne zum Abgang stehende höchste Beamte von der Ver-
pflichtung abzutreten dispensirt und sei es in ihrem bisherigen,
sei es in einem neuen Wirkungskreis verwendet wurden; eine
Verfügung, die allerdings nach dem Buchstaben des Rechts der
Bestätigung durch die Bürgerschaft bedurft hätte, aber längst, wie
alle andern Dispensationen von den Gesetzen, auch ohne Bür-
gerschaftsbestätigung schon durch Senatsbeschluſs gültig ward
(I, 201). Im Laufe des siebenten Jahrhunderts wurden aber
nicht bloſs auſserordentliche Commissionen immer häufiger, son-
dern es traten auch als stehende höchste Aemter theils die fünf
neuen Statthalterschaften von Makedonien, Africa, Asia, Narbo
und Kilikien, theils die Vorsitzerstelle in dem stehenden Com-
missionsgericht wegen Erpressungen (S. 77) hinzu. Nichts

Röm. Gesch. II. 22
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[337/0347] DIE SULLANISCHE VERFASSUNG. regeln bedurfte es hinsichtlich der höchsten Beamten, der Tribu- nen, der Consuln und der diesen gleichartigen Volksvorsteher, end- lich der Censoren. Die Tribunen behielten ihr Recht sowohl mit dem Volke zu verhandeln als auch die Amtshandlungen der Magi- strate durch ihr Einschreiten zu cassiren, eventuell zu brüchen und die weitere Bestrafung zu veranlassen; in beiden Beziehungen aber waren sie jetzt gesetzlich nichts als Werkzeuge des Senats, der ja auch bisher schon regelmäſsig seine Anträge und Mittheilungen durch sie an das Volk gebracht und Ausschreitungen der Beam- ten durch die tribunicische Intercession beseitigt hatte. Auf den Miſsbrauch des Intercessionsrechts wurde eine schwere Geldstrafe gesetzt. Um endlich von diesem allein seines populären Namens wegen in den Händen eines Demagogen immer gefährlichen Amte alle Ehrgeizigen zu entfernen, wurde die Bestimmung getroffen, daſs die Bekleidung des Tribunats in Zukunft zur Uebernahme eines hö- heren Amtes unfähig machen solle. — Nach der Geschäftstheilung, wie sie für die römischen Consuln und Prätoren alten Herkom- mens war, fielen den beiden Consuln die städtischen Geschäfte nebst der Verwaltung Italiens und des diesseitigen Galliens zu, zweien der Prätoren die Leitung des städtischen Gerichtswesens, den vier übrigen die Verwaltung der vier ältesten überseeischen Aemter, Siciliens, Sardiniens und beider Spanien; auf die specielle Vertheilung der Geschäfte unter diese acht höchsten Beamten übte der Senat einen wesentlichen Einfluſs, übrigens aber griff er in ihre Competenzen nicht weiter ein. Allein schon in älterer Zeit gab es sehr häufig mehr Aemter als Beamte, da nicht selten einer oder der andere der Beamten durch eine auſserordentliche Competenz in Anspruch genommen ward. Die in diesem Fall entstehenden Lücken ergänzte der Senat, gewöhnlich in der Art, daſs einzelne zum Abgang stehende höchste Beamte von der Ver- pflichtung abzutreten dispensirt und sei es in ihrem bisherigen, sei es in einem neuen Wirkungskreis verwendet wurden; eine Verfügung, die allerdings nach dem Buchstaben des Rechts der Bestätigung durch die Bürgerschaft bedurft hätte, aber längst, wie alle andern Dispensationen von den Gesetzen, auch ohne Bür- gerschaftsbestätigung schon durch Senatsbeschluſs gültig ward (I, 201). Im Laufe des siebenten Jahrhunderts wurden aber nicht bloſs auſserordentliche Commissionen immer häufiger, son- dern es traten auch als stehende höchste Aemter theils die fünf neuen Statthalterschaften von Makedonien, Africa, Asia, Narbo und Kilikien, theils die Vorsitzerstelle in dem stehenden Com- missionsgericht wegen Erpressungen (S. 77) hinzu. Nichts Röm. Gesch. II. 22

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/347>, abgerufen am 15.05.2024.