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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
toren zu ernennen und zu cassiren denselben entzogen und der Se-
nat auf dieselbe rechtliche Grundlage gestellt wurde, auf welcher
die Beamtengewalt selber ruhte. Die exorbitante Befugniss der
Censoren von fünf zu fünf Jahren die Rathliste zu revidiren und
nach Gutdünken Namen zu streichen oder zuzusetzen vertrug
in der That sich nicht mit einer geordneten oligarchischen Ver-
fassung. Indem jetzt durch die Quästorenwahl für eine genügende
regelmässige Ergänzung gesorgt ward, wurden die censorischen
Revisionen überflüssig und das wesentliche Grundprincip jeder
Oligarchie, die Inamovibilität und Lebenslänglichkeit der zu Sitz
und Stimme gelangten Oligarchen, wurde consolidirt durch die
wenigstens factische Beseitigung der Censur.

Hinsichtlich der Gesetzgebung begnügte sich Sulla die im
J. 666 getroffenen Bestimmungen wieder aufzunehmen und die
legislatorische Initiative dem Senat zu überweisen. Die Bür-
gerschaft blieb der formelle Souverän; allein ihre Urversamm-
lungen wurden durchaus behandelt als eine Institution, deren
Name sorgfältig zu conserviren, die wirkliche Thätigkeit aber
noch sorgfältiger zu verhüten war. Sogar mit dem Bürger-
recht selbst ging Sulla in der geringschätzigsten Weise um; er
machte keine Schwierigkeit weder den Neubürgergemeinden es
zuzugestehen noch Spanier und Kelten in Masse damit zu be-
schenken; ja es geschah, wahrscheinlich nicht ohne Absicht,
schlechterdings gar nichts für die Feststellung der Bürgerliste,
die doch nach so gewaltigen Umwälzungen einer Revision drin-
gend bedurfte, wenn es überhaupt der Regierung noch Ernst war
mit den hieran sich knüpfenden Rechtsbefugnissen. Geradezu
beschränkt wurde die legislatorische Competenz der Comitien
übrigens nicht; es war auch nicht nöthig, da ja in Folge der Ini-
tiative des Senats das Volk ohnehin nicht wider den Willen des
Senats in die Verwaltung, das Finanzwesen und die Criminal-
jurisdiction eingreifen konnte und seine legislative Mitwirkung
wesentlich wieder zurückgeführt ward auf das Recht zu Aende-
rungen der Verfassung Ja zu sagen. -- Wichtiger war die Be-
theiligung der Bürgerschaft bei den Wahlen, deren man nun ein-
mal nicht entbehren zu können schien, ohne mehr aufzurütteln
und zu zerrütten als Sullas obenhin sich haltende Restauration
aufrütteln konnte und wollte. Die Uebergriffe, welche die Revo-
lution sich hinsichtlich der Priesterwahlen erlaubt hatte, wurden
beseitigt; nicht bloss das domitische Gesetz von 650, das die
Wahlen zu den höchsten Priesterämtern überhaupt dem Volke
übertrug (S. 188), sondern auch die älteren gleichartigen Ver-

DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
toren zu ernennen und zu cassiren denselben entzogen und der Se-
nat auf dieselbe rechtliche Grundlage gestellt wurde, auf welcher
die Beamtengewalt selber ruhte. Die exorbitante Befugniſs der
Censoren von fünf zu fünf Jahren die Rathliste zu revidiren und
nach Gutdünken Namen zu streichen oder zuzusetzen vertrug
in der That sich nicht mit einer geordneten oligarchischen Ver-
fassung. Indem jetzt durch die Quästorenwahl für eine genügende
regelmäſsige Ergänzung gesorgt ward, wurden die censorischen
Revisionen überflüssig und das wesentliche Grundprincip jeder
Oligarchie, die Inamovibilität und Lebenslänglichkeit der zu Sitz
und Stimme gelangten Oligarchen, wurde consolidirt durch die
wenigstens factische Beseitigung der Censur.

Hinsichtlich der Gesetzgebung begnügte sich Sulla die im
J. 666 getroffenen Bestimmungen wieder aufzunehmen und die
legislatorische Initiative dem Senat zu überweisen. Die Bür-
gerschaft blieb der formelle Souverän; allein ihre Urversamm-
lungen wurden durchaus behandelt als eine Institution, deren
Name sorgfältig zu conserviren, die wirkliche Thätigkeit aber
noch sorgfältiger zu verhüten war. Sogar mit dem Bürger-
recht selbst ging Sulla in der geringschätzigsten Weise um; er
machte keine Schwierigkeit weder den Neubürgergemeinden es
zuzugestehen noch Spanier und Kelten in Masse damit zu be-
schenken; ja es geschah, wahrscheinlich nicht ohne Absicht,
schlechterdings gar nichts für die Feststellung der Bürgerliste,
die doch nach so gewaltigen Umwälzungen einer Revision drin-
gend bedurfte, wenn es überhaupt der Regierung noch Ernst war
mit den hieran sich knüpfenden Rechtsbefugnissen. Geradezu
beschränkt wurde die legislatorische Competenz der Comitien
übrigens nicht; es war auch nicht nöthig, da ja in Folge der Ini-
tiative des Senats das Volk ohnehin nicht wider den Willen des
Senats in die Verwaltung, das Finanzwesen und die Criminal-
jurisdiction eingreifen konnte und seine legislative Mitwirkung
wesentlich wieder zurückgeführt ward auf das Recht zu Aende-
rungen der Verfassung Ja zu sagen. — Wichtiger war die Be-
theiligung der Bürgerschaft bei den Wahlen, deren man nun ein-
mal nicht entbehren zu können schien, ohne mehr aufzurütteln
und zu zerrütten als Sullas obenhin sich haltende Restauration
aufrütteln konnte und wollte. Die Uebergriffe, welche die Revo-
lution sich hinsichtlich der Priesterwahlen erlaubt hatte, wurden
beseitigt; nicht bloſs das domitische Gesetz von 650, das die
Wahlen zu den höchsten Priesterämtern überhaupt dem Volke
übertrug (S. 188), sondern auch die älteren gleichartigen Ver-

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[335/0345] DIE SULLANISCHE VERFASSUNG. toren zu ernennen und zu cassiren denselben entzogen und der Se- nat auf dieselbe rechtliche Grundlage gestellt wurde, auf welcher die Beamtengewalt selber ruhte. Die exorbitante Befugniſs der Censoren von fünf zu fünf Jahren die Rathliste zu revidiren und nach Gutdünken Namen zu streichen oder zuzusetzen vertrug in der That sich nicht mit einer geordneten oligarchischen Ver- fassung. Indem jetzt durch die Quästorenwahl für eine genügende regelmäſsige Ergänzung gesorgt ward, wurden die censorischen Revisionen überflüssig und das wesentliche Grundprincip jeder Oligarchie, die Inamovibilität und Lebenslänglichkeit der zu Sitz und Stimme gelangten Oligarchen, wurde consolidirt durch die wenigstens factische Beseitigung der Censur. Hinsichtlich der Gesetzgebung begnügte sich Sulla die im J. 666 getroffenen Bestimmungen wieder aufzunehmen und die legislatorische Initiative dem Senat zu überweisen. Die Bür- gerschaft blieb der formelle Souverän; allein ihre Urversamm- lungen wurden durchaus behandelt als eine Institution, deren Name sorgfältig zu conserviren, die wirkliche Thätigkeit aber noch sorgfältiger zu verhüten war. Sogar mit dem Bürger- recht selbst ging Sulla in der geringschätzigsten Weise um; er machte keine Schwierigkeit weder den Neubürgergemeinden es zuzugestehen noch Spanier und Kelten in Masse damit zu be- schenken; ja es geschah, wahrscheinlich nicht ohne Absicht, schlechterdings gar nichts für die Feststellung der Bürgerliste, die doch nach so gewaltigen Umwälzungen einer Revision drin- gend bedurfte, wenn es überhaupt der Regierung noch Ernst war mit den hieran sich knüpfenden Rechtsbefugnissen. Geradezu beschränkt wurde die legislatorische Competenz der Comitien übrigens nicht; es war auch nicht nöthig, da ja in Folge der Ini- tiative des Senats das Volk ohnehin nicht wider den Willen des Senats in die Verwaltung, das Finanzwesen und die Criminal- jurisdiction eingreifen konnte und seine legislative Mitwirkung wesentlich wieder zurückgeführt ward auf das Recht zu Aende- rungen der Verfassung Ja zu sagen. — Wichtiger war die Be- theiligung der Bürgerschaft bei den Wahlen, deren man nun ein- mal nicht entbehren zu können schien, ohne mehr aufzurütteln und zu zerrütten als Sullas obenhin sich haltende Restauration aufrütteln konnte und wollte. Die Uebergriffe, welche die Revo- lution sich hinsichtlich der Priesterwahlen erlaubt hatte, wurden beseitigt; nicht bloſs das domitische Gesetz von 650, das die Wahlen zu den höchsten Priesterämtern überhaupt dem Volke übertrug (S. 188), sondern auch die älteren gleichartigen Ver-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/345>, abgerufen am 22.11.2024.