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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
Geleitschaft seines Sohnes Gulussa nach der Stadt zurück. Da
die Karthager ihnen die Thore schlossen, auch von den heim-
kehrenden Numidiern einige erschlugen, begann Massinissa den
Krieg, und die karthagische Patriotenpartei nahm ihn auf. Indess
Hasdrubal der Samnite, der an die Spitze ihrer Armee trat, war
einer der gewöhnlichen Heerverderber, die die Karthager zu Feld-
herren zu machen pflegten; im Feldherrnpurpur einherstolzirend
wie ein Theaterkönig und seines stattlichen Bauches auch im La-
ger pflegend war der eitle und schwerfällige Mann wenig geeignet
den Helfer zu machen in einer Bedrängniss, die vielleicht selbst
Hannibals Geist und Hannibals Arm nicht mehr hätten abwenden
können. Vor den Augen des Scipio Aemilianus, der als Kriegs-
tribun der spanischen Armee an Massinissa gesandt worden war,
um Elephanten nach Spanien zu führen und von einem Berge
herab ,wie Zeus vom Ida' der Schlacht zuschaute, lieferten die Kar-
thager und die Numidier sich ein grosses Treffen, in welchem jene,
obwohl durch 6000 von unzufriedenen Hauptleuten Massinissas
ihnen zugeführte numidische Reiter verstärkt und an Zahl dem
Feinde überlegen, dennoch den Kürzern zogen. Scipio versuchte
auf Anrufen der Karthager den Frieden zu vermitteln; sie erbo-
ten sich zu Gebietsabtretungen und Geldzahlungen, allein an ihrer
Weigerung die Ueberläufer auszuliefern scheiterte das Friedens-
geschäft. Bald nachher sah Hasdrubal sich genöthigt auf jede von
Massinissa gestellte Bedingung zu capituliren: auf Auslieferung der
Ueberläufer, Rückkehr der Verbannten, Abgabe der Waffen, Ab-
zug unter dem Joch, Zahlung von jährlich 100 Talenten
(170000 Thlr.) für die nächsten funfzig Jahre ging er ein:
dennoch ward der Vertrag von den Numidiern nicht gehalten,
sondern der entwaffnete Rest des karthagischen Heeres auf der
Heimkehr von ihnen zusammengehauen. -- Die Römer, die den
Krieg durch ihre Gesandten zu hemmen sich wohl gehütet hat-
ten, hatten jetzt was sie begehrten: einen brauchbaren Kriegsgrund
-- denn die Bestimmungen des Vertrags nicht gegen römische
Bundesgenossen noch ausserhalb der eigenen Grenzen Krieg zu
führen (I, 478) waren jetzt allerdings von den Karthagern über-
treten worden -- und einen bereits im Voraus geschlagenen Geg-
ner. Schon wurden die italischen Contingente nach Rom gemahnt
und die Schiffe zusammenberufen; jeden Augenblick konnte man
die Kriegserklärung erwarten. Die Karthager boten alles auf den
drohenden Schlag abzuwenden. Die Führer der Patriotenpartei,
Hasdrubal und Karthalo wurden zum Tode verurtheilt und eine
Gesandtschaft nach Rom geschickt um auf sie die Verantwortung

VIERTES BUCH. KAPITEL I.
Geleitschaft seines Sohnes Gulussa nach der Stadt zurück. Da
die Karthager ihnen die Thore schlossen, auch von den heim-
kehrenden Numidiern einige erschlugen, begann Massinissa den
Krieg, und die karthagische Patriotenpartei nahm ihn auf. Indeſs
Hasdrubal der Samnite, der an die Spitze ihrer Armee trat, war
einer der gewöhnlichen Heerverderber, die die Karthager zu Feld-
herren zu machen pflegten; im Feldherrnpurpur einherstolzirend
wie ein Theaterkönig und seines stattlichen Bauches auch im La-
ger pflegend war der eitle und schwerfällige Mann wenig geeignet
den Helfer zu machen in einer Bedrängniſs, die vielleicht selbst
Hannibals Geist und Hannibals Arm nicht mehr hätten abwenden
können. Vor den Augen des Scipio Aemilianus, der als Kriegs-
tribun der spanischen Armee an Massinissa gesandt worden war,
um Elephanten nach Spanien zu führen und von einem Berge
herab ‚wie Zeus vom Ida‘ der Schlacht zuschaute, lieferten die Kar-
thager und die Numidier sich ein groſses Treffen, in welchem jene,
obwohl durch 6000 von unzufriedenen Hauptleuten Massinissas
ihnen zugeführte numidische Reiter verstärkt und an Zahl dem
Feinde überlegen, dennoch den Kürzern zogen. Scipio versuchte
auf Anrufen der Karthager den Frieden zu vermitteln; sie erbo-
ten sich zu Gebietsabtretungen und Geldzahlungen, allein an ihrer
Weigerung die Ueberläufer auszuliefern scheiterte das Friedens-
geschäft. Bald nachher sah Hasdrubal sich genöthigt auf jede von
Massinissa gestellte Bedingung zu capituliren: auf Auslieferung der
Ueberläufer, Rückkehr der Verbannten, Abgabe der Waffen, Ab-
zug unter dem Joch, Zahlung von jährlich 100 Talenten
(170000 Thlr.) für die nächsten funfzig Jahre ging er ein:
dennoch ward der Vertrag von den Numidiern nicht gehalten,
sondern der entwaffnete Rest des karthagischen Heeres auf der
Heimkehr von ihnen zusammengehauen. — Die Römer, die den
Krieg durch ihre Gesandten zu hemmen sich wohl gehütet hat-
ten, hatten jetzt was sie begehrten: einen brauchbaren Kriegsgrund
— denn die Bestimmungen des Vertrags nicht gegen römische
Bundesgenossen noch auſserhalb der eigenen Grenzen Krieg zu
führen (I, 478) waren jetzt allerdings von den Karthagern über-
treten worden — und einen bereits im Voraus geschlagenen Geg-
ner. Schon wurden die italischen Contingente nach Rom gemahnt
und die Schiffe zusammenberufen; jeden Augenblick konnte man
die Kriegserklärung erwarten. Die Karthager boten alles auf den
drohenden Schlag abzuwenden. Die Führer der Patriotenpartei,
Hasdrubal und Karthalo wurden zum Tode verurtheilt und eine
Gesandtschaft nach Rom geschickt um auf sie die Verantwortung

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[24/0034] VIERTES BUCH. KAPITEL I. Geleitschaft seines Sohnes Gulussa nach der Stadt zurück. Da die Karthager ihnen die Thore schlossen, auch von den heim- kehrenden Numidiern einige erschlugen, begann Massinissa den Krieg, und die karthagische Patriotenpartei nahm ihn auf. Indeſs Hasdrubal der Samnite, der an die Spitze ihrer Armee trat, war einer der gewöhnlichen Heerverderber, die die Karthager zu Feld- herren zu machen pflegten; im Feldherrnpurpur einherstolzirend wie ein Theaterkönig und seines stattlichen Bauches auch im La- ger pflegend war der eitle und schwerfällige Mann wenig geeignet den Helfer zu machen in einer Bedrängniſs, die vielleicht selbst Hannibals Geist und Hannibals Arm nicht mehr hätten abwenden können. Vor den Augen des Scipio Aemilianus, der als Kriegs- tribun der spanischen Armee an Massinissa gesandt worden war, um Elephanten nach Spanien zu führen und von einem Berge herab ‚wie Zeus vom Ida‘ der Schlacht zuschaute, lieferten die Kar- thager und die Numidier sich ein groſses Treffen, in welchem jene, obwohl durch 6000 von unzufriedenen Hauptleuten Massinissas ihnen zugeführte numidische Reiter verstärkt und an Zahl dem Feinde überlegen, dennoch den Kürzern zogen. Scipio versuchte auf Anrufen der Karthager den Frieden zu vermitteln; sie erbo- ten sich zu Gebietsabtretungen und Geldzahlungen, allein an ihrer Weigerung die Ueberläufer auszuliefern scheiterte das Friedens- geschäft. Bald nachher sah Hasdrubal sich genöthigt auf jede von Massinissa gestellte Bedingung zu capituliren: auf Auslieferung der Ueberläufer, Rückkehr der Verbannten, Abgabe der Waffen, Ab- zug unter dem Joch, Zahlung von jährlich 100 Talenten (170000 Thlr.) für die nächsten funfzig Jahre ging er ein: dennoch ward der Vertrag von den Numidiern nicht gehalten, sondern der entwaffnete Rest des karthagischen Heeres auf der Heimkehr von ihnen zusammengehauen. — Die Römer, die den Krieg durch ihre Gesandten zu hemmen sich wohl gehütet hat- ten, hatten jetzt was sie begehrten: einen brauchbaren Kriegsgrund — denn die Bestimmungen des Vertrags nicht gegen römische Bundesgenossen noch auſserhalb der eigenen Grenzen Krieg zu führen (I, 478) waren jetzt allerdings von den Karthagern über- treten worden — und einen bereits im Voraus geschlagenen Geg- ner. Schon wurden die italischen Contingente nach Rom gemahnt und die Schiffe zusammenberufen; jeden Augenblick konnte man die Kriegserklärung erwarten. Die Karthager boten alles auf den drohenden Schlag abzuwenden. Die Führer der Patriotenpartei, Hasdrubal und Karthalo wurden zum Tode verurtheilt und eine Gesandtschaft nach Rom geschickt um auf sie die Verantwortung

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/34>, abgerufen am 23.04.2024.