rückte. Der Dictator erklärte, dass Rom nicht Ruhe finden werde, so lange Samnium bestehe und machte, diese Gefahr zu beseitigen, aus der bis dahin blühenden und bevölkerten Land- schaft eine Einöde. Das siegreiche Heer wurde durch Italien ver- theilt und alle unsicheren Ortschaften mit starken Besatzungen belegt; unter der eisernen Hand der sullanischen Offiziere ver- endeten langsam die letzten Zuckungen der revolutionären und nationalen Opposition.
Noch gab es in den Provinzen zu thun. Zwar Sardinien war dem Statthalter der revolutionären Regierung Quintus Antonius rasch durch Lucius Philippus entrissen worden (672) und auch das transalpinische Gallien leistete geringen oder gar keinen Widerstand; aber in Sicilien, Spanien, Africa schien die Sache der in Italien geschlagenen Partei noch keineswegs verloren. Si- cilien regierte für sie der zuverlässige Statthalter Marcus Per- penna. Quintus Sertorius hatte im diesseitigen Spanien die Pro- vinzialen an sich zu fesseln und aus den in Spanien ansässigen Römern eine nicht unansehnliche Armee sich zu bilden gewusst, mit der er zunächst die Pyrenäenpässe sperren liess; er hatte auch hier wieder bewiesen, dass, wo man ihn auch hinstellte, er an seinem Platze und unter all den revolutionären Incapacitäten der einzige praktisch brauchbare Mann war. In Africa war der Statthalter Hadrianus zwar, da er das Revolutioniren allzu gründ- lich betrieb und den Sclaven die Freiheit zu schenken anfing, bei einem durch die römischen Kaufleute von Utica angezettelten Auflauf in seiner Amtswohnung überfallen und mit seinem Ge- sinde verbrannt worden (672); indess hielt die Provinz, in der Cinnas Schwiegersohn, der junge fähige Gnaeus Domitius Aheno- barbus, den Oberbefehl übernahm, nichts desto weniger zu der revolutionären Regierung. Es war sogar von dort aus die Pro- paganda auch in die Clientelstaaten Numidien und Mauretanien getragen worden. Deren legitime Regenten Hiempsal II., des Gauda und Bogud, des Bocchus Sohn, hielten zwar mit Sulla; aber mit Hülfe der Cinnaner war jener durch den demokrati- schen Prätendenten Hiarbas vom Thron gestossen worden und ähnliche Fehden bewegten gleichfalls das mauretanische Reich. Auch der aus Italien geflüchtete Consul Carbo verweilte auf der Insel Kossyra (Pantellaria) zwischen Africa und Sicilien, un- schlüssig, wie es scheint, ob er nach Aegypten sich flüchten oder in einer der treuen Provinzen versuchen solle den Kampf zu er- neuern. -- Sulla sandte nach Spanien den Gaius Annius und zu- nächst nach Sicilien den Gnaeus Pompeius, beide mit proconsu-
VIERTES BUCH. KAPITEL IX.
rückte. Der Dictator erklärte, daſs Rom nicht Ruhe finden werde, so lange Samnium bestehe und machte, diese Gefahr zu beseitigen, aus der bis dahin blühenden und bevölkerten Land- schaft eine Einöde. Das siegreiche Heer wurde durch Italien ver- theilt und alle unsicheren Ortschaften mit starken Besatzungen belegt; unter der eisernen Hand der sullanischen Offiziere ver- endeten langsam die letzten Zuckungen der revolutionären und nationalen Opposition.
Noch gab es in den Provinzen zu thun. Zwar Sardinien war dem Statthalter der revolutionären Regierung Quintus Antonius rasch durch Lucius Philippus entrissen worden (672) und auch das transalpinische Gallien leistete geringen oder gar keinen Widerstand; aber in Sicilien, Spanien, Africa schien die Sache der in Italien geschlagenen Partei noch keineswegs verloren. Si- cilien regierte für sie der zuverlässige Statthalter Marcus Per- penna. Quintus Sertorius hatte im diesseitigen Spanien die Pro- vinzialen an sich zu fesseln und aus den in Spanien ansässigen Römern eine nicht unansehnliche Armee sich zu bilden gewuſst, mit der er zunächst die Pyrenäenpässe sperren lieſs; er hatte auch hier wieder bewiesen, daſs, wo man ihn auch hinstellte, er an seinem Platze und unter all den revolutionären Incapacitäten der einzige praktisch brauchbare Mann war. In Africa war der Statthalter Hadrianus zwar, da er das Revolutioniren allzu gründ- lich betrieb und den Sclaven die Freiheit zu schenken anfing, bei einem durch die römischen Kaufleute von Utica angezettelten Auflauf in seiner Amtswohnung überfallen und mit seinem Ge- sinde verbrannt worden (672); indeſs hielt die Provinz, in der Cinnas Schwiegersohn, der junge fähige Gnaeus Domitius Aheno- barbus, den Oberbefehl übernahm, nichts desto weniger zu der revolutionären Regierung. Es war sogar von dort aus die Pro- paganda auch in die Clientelstaaten Numidien und Mauretanien getragen worden. Deren legitime Regenten Hiempsal II., des Gauda und Bogud, des Bocchus Sohn, hielten zwar mit Sulla; aber mit Hülfe der Cinnaner war jener durch den demokrati- schen Prätendenten Hiarbas vom Thron gestoſsen worden und ähnliche Fehden bewegten gleichfalls das mauretanische Reich. Auch der aus Italien geflüchtete Consul Carbo verweilte auf der Insel Kossyra (Pantellaria) zwischen Africa und Sicilien, un- schlüssig, wie es scheint, ob er nach Aegypten sich flüchten oder in einer der treuen Provinzen versuchen solle den Kampf zu er- neuern. — Sulla sandte nach Spanien den Gaius Annius und zu- nächst nach Sicilien den Gnaeus Pompeius, beide mit proconsu-
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VIERTES BUCH. KAPITEL IX.
rückte. Der Dictator erklärte, daſs Rom nicht Ruhe finden
werde, so lange Samnium bestehe und machte, diese Gefahr zu
beseitigen, aus der bis dahin blühenden und bevölkerten Land-
schaft eine Einöde. Das siegreiche Heer wurde durch Italien ver-
theilt und alle unsicheren Ortschaften mit starken Besatzungen
belegt; unter der eisernen Hand der sullanischen Offiziere ver-
endeten langsam die letzten Zuckungen der revolutionären und
nationalen Opposition.
Noch gab es in den Provinzen zu thun. Zwar Sardinien war
dem Statthalter der revolutionären Regierung Quintus Antonius
rasch durch Lucius Philippus entrissen worden (672) und auch
das transalpinische Gallien leistete geringen oder gar keinen
Widerstand; aber in Sicilien, Spanien, Africa schien die Sache
der in Italien geschlagenen Partei noch keineswegs verloren. Si-
cilien regierte für sie der zuverlässige Statthalter Marcus Per-
penna. Quintus Sertorius hatte im diesseitigen Spanien die Pro-
vinzialen an sich zu fesseln und aus den in Spanien ansässigen
Römern eine nicht unansehnliche Armee sich zu bilden gewuſst,
mit der er zunächst die Pyrenäenpässe sperren lieſs; er hatte
auch hier wieder bewiesen, daſs, wo man ihn auch hinstellte, er
an seinem Platze und unter all den revolutionären Incapacitäten
der einzige praktisch brauchbare Mann war. In Africa war der
Statthalter Hadrianus zwar, da er das Revolutioniren allzu gründ-
lich betrieb und den Sclaven die Freiheit zu schenken anfing, bei
einem durch die römischen Kaufleute von Utica angezettelten
Auflauf in seiner Amtswohnung überfallen und mit seinem Ge-
sinde verbrannt worden (672); indeſs hielt die Provinz, in der
Cinnas Schwiegersohn, der junge fähige Gnaeus Domitius Aheno-
barbus, den Oberbefehl übernahm, nichts desto weniger zu der
revolutionären Regierung. Es war sogar von dort aus die Pro-
paganda auch in die Clientelstaaten Numidien und Mauretanien
getragen worden. Deren legitime Regenten Hiempsal II., des
Gauda und Bogud, des Bocchus Sohn, hielten zwar mit Sulla;
aber mit Hülfe der Cinnaner war jener durch den demokrati-
schen Prätendenten Hiarbas vom Thron gestoſsen worden und
ähnliche Fehden bewegten gleichfalls das mauretanische Reich.
Auch der aus Italien geflüchtete Consul Carbo verweilte auf der
Insel Kossyra (Pantellaria) zwischen Africa und Sicilien, un-
schlüssig, wie es scheint, ob er nach Aegypten sich flüchten oder
in einer der treuen Provinzen versuchen solle den Kampf zu er-
neuern. — Sulla sandte nach Spanien den Gaius Annius und zu-
nächst nach Sicilien den Gnaeus Pompeius, beide mit proconsu-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/328>, abgerufen am 16.02.2025.
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