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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
jeden Vorwand den Krieg. In der Gegend des heutigen Philippeville
ward Adherbal vollständig geschlagen und warf sich in seine nahe
Hauptstadt Cirta. Während die Belagerung ihren Fortgang nahm
und Jugurthas Truppen mit den in Cirta zahlreich ansässigen
und bei der Vertheidigung der Stadt lebhafter als die Africaner
sich betheiligenden Italikern täglich sich herumschlugen, erschien
die von dem römischen Senat auf Adherbals erste Beschwerden
abgeordnete Commission; natürlich junge unerfahrene Menschen,
wie die Regierung damals sie zu gewöhnlichen Staatsreisen regel-
mässig verwandte. Die Gesandten verlangten, dass Jugurtha sie
als von der Schutzmacht an Adherbal abgeordnet in die Stadt
einlasse, überhaupt aber den Kampf einstelle und ihre Vermitte-
lung annehme. Jugurtha schlug beides kurzweg ab und die Ge-
sandten zogen schleunigst heim, wie die Knaben die sie waren,
um zu berichten an die Väter der Stadt. Die Väter hörten den
Bericht an und liessen ihre Landsleute in Cirta eben weiter fech-
ten, so lange es ihnen beliebte. Erst als im fünften Monat der
Belagerung ein Bote des Adherbal durch die Verschanzungen der
Feinde sich durchschlich und ein Schreiben des Königs voll der
flehentlichsten Bitten an den Senat kam, raffte der Senat sich auf
und fasste wirklich einen Beschluss -- nicht etwa den Krieg zu er-
klären, wie die Minorität es verlangte, sondern eine neue Gesandt-
schaft zu schicken, aber eine Gesandtschaft mit Marcus Scaurus
an der Spitze, dem grossen Bezwinger der Taurisker und der
Freigelassenen, dem imponirenden Heros der Aristokratie, des-
sen blosses Erscheinen genügen werde den ungehorsamen König
auf andere Gedanken zu bringen. In der That erschien Jugurtha,
wie geheissen, in Utica um mit Scaurus zu verhandeln; endlose
Debatten wurden gepflogen; als endlich die Conferenz geschlos-
sen ward, war nicht das geringste Resultat erreicht. Die Gesandt-
schaft ging ohne den Krieg erklärt zu haben nach Rom zurück
und der König wieder ab zur Belagerung von Cirta. Adherbal
sah sich aufs Aeusserste gebracht und verzweifelte an der römi-
schen Unterstützung; die Italiker in Cirta, der Belagerung müde
und ihrer eigenen Sicherheit wegen fest vertrauend auf die
Furcht vor dem römischen Namen, drängten überdies zur
Uebergabe. So capitulirte die Stadt. Jugurtha gab Befehl seinen
Adoptivbruder unter grausamen Martern hinzurichten, die sämmt-
liche erwachsene männliche Bevölkerung der Stadt aber, Africa-
ner wie Italiker über die Klinge springen zu lassen (642).

Ein Schrei der Entrüstung ging durch ganz Italien. Die Mi-
norität des Senats selbst und alles was nicht Senat war ver-

DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
jeden Vorwand den Krieg. In der Gegend des heutigen Philippeville
ward Adherbal vollständig geschlagen und warf sich in seine nahe
Hauptstadt Cirta. Während die Belagerung ihren Fortgang nahm
und Jugurthas Truppen mit den in Cirta zahlreich ansässigen
und bei der Vertheidigung der Stadt lebhafter als die Africaner
sich betheiligenden Italikern täglich sich herumschlugen, erschien
die von dem römischen Senat auf Adherbals erste Beschwerden
abgeordnete Commission; natürlich junge unerfahrene Menschen,
wie die Regierung damals sie zu gewöhnlichen Staatsreisen regel-
mäſsig verwandte. Die Gesandten verlangten, daſs Jugurtha sie
als von der Schutzmacht an Adherbal abgeordnet in die Stadt
einlasse, überhaupt aber den Kampf einstelle und ihre Vermitte-
lung annehme. Jugurtha schlug beides kurzweg ab und die Ge-
sandten zogen schleunigst heim, wie die Knaben die sie waren,
um zu berichten an die Väter der Stadt. Die Väter hörten den
Bericht an und lieſsen ihre Landsleute in Cirta eben weiter fech-
ten, so lange es ihnen beliebte. Erst als im fünften Monat der
Belagerung ein Bote des Adherbal durch die Verschanzungen der
Feinde sich durchschlich und ein Schreiben des Königs voll der
flehentlichsten Bitten an den Senat kam, raffte der Senat sich auf
und faſste wirklich einen Beschluſs — nicht etwa den Krieg zu er-
klären, wie die Minorität es verlangte, sondern eine neue Gesandt-
schaft zu schicken, aber eine Gesandtschaft mit Marcus Scaurus
an der Spitze, dem groſsen Bezwinger der Taurisker und der
Freigelassenen, dem imponirenden Heros der Aristokratie, des-
sen bloſses Erscheinen genügen werde den ungehorsamen König
auf andere Gedanken zu bringen. In der That erschien Jugurtha,
wie geheiſsen, in Utica um mit Scaurus zu verhandeln; endlose
Debatten wurden gepflogen; als endlich die Conferenz geschlos-
sen ward, war nicht das geringste Resultat erreicht. Die Gesandt-
schaft ging ohne den Krieg erklärt zu haben nach Rom zurück
und der König wieder ab zur Belagerung von Cirta. Adherbal
sah sich aufs Aeuſserste gebracht und verzweifelte an der römi-
schen Unterstützung; die Italiker in Cirta, der Belagerung müde
und ihrer eigenen Sicherheit wegen fest vertrauend auf die
Furcht vor dem römischen Namen, drängten überdies zur
Uebergabe. So capitulirte die Stadt. Jugurtha gab Befehl seinen
Adoptivbruder unter grausamen Martern hinzurichten, die sämmt-
liche erwachsene männliche Bevölkerung der Stadt aber, Africa-
ner wie Italiker über die Klinge springen zu lassen (642).

Ein Schrei der Entrüstung ging durch ganz Italien. Die Mi-
norität des Senats selbst und alles was nicht Senat war ver-

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[135/0145] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. jeden Vorwand den Krieg. In der Gegend des heutigen Philippeville ward Adherbal vollständig geschlagen und warf sich in seine nahe Hauptstadt Cirta. Während die Belagerung ihren Fortgang nahm und Jugurthas Truppen mit den in Cirta zahlreich ansässigen und bei der Vertheidigung der Stadt lebhafter als die Africaner sich betheiligenden Italikern täglich sich herumschlugen, erschien die von dem römischen Senat auf Adherbals erste Beschwerden abgeordnete Commission; natürlich junge unerfahrene Menschen, wie die Regierung damals sie zu gewöhnlichen Staatsreisen regel- mäſsig verwandte. Die Gesandten verlangten, daſs Jugurtha sie als von der Schutzmacht an Adherbal abgeordnet in die Stadt einlasse, überhaupt aber den Kampf einstelle und ihre Vermitte- lung annehme. Jugurtha schlug beides kurzweg ab und die Ge- sandten zogen schleunigst heim, wie die Knaben die sie waren, um zu berichten an die Väter der Stadt. Die Väter hörten den Bericht an und lieſsen ihre Landsleute in Cirta eben weiter fech- ten, so lange es ihnen beliebte. Erst als im fünften Monat der Belagerung ein Bote des Adherbal durch die Verschanzungen der Feinde sich durchschlich und ein Schreiben des Königs voll der flehentlichsten Bitten an den Senat kam, raffte der Senat sich auf und faſste wirklich einen Beschluſs — nicht etwa den Krieg zu er- klären, wie die Minorität es verlangte, sondern eine neue Gesandt- schaft zu schicken, aber eine Gesandtschaft mit Marcus Scaurus an der Spitze, dem groſsen Bezwinger der Taurisker und der Freigelassenen, dem imponirenden Heros der Aristokratie, des- sen bloſses Erscheinen genügen werde den ungehorsamen König auf andere Gedanken zu bringen. In der That erschien Jugurtha, wie geheiſsen, in Utica um mit Scaurus zu verhandeln; endlose Debatten wurden gepflogen; als endlich die Conferenz geschlos- sen ward, war nicht das geringste Resultat erreicht. Die Gesandt- schaft ging ohne den Krieg erklärt zu haben nach Rom zurück und der König wieder ab zur Belagerung von Cirta. Adherbal sah sich aufs Aeuſserste gebracht und verzweifelte an der römi- schen Unterstützung; die Italiker in Cirta, der Belagerung müde und ihrer eigenen Sicherheit wegen fest vertrauend auf die Furcht vor dem römischen Namen, drängten überdies zur Uebergabe. So capitulirte die Stadt. Jugurtha gab Befehl seinen Adoptivbruder unter grausamen Martern hinzurichten, die sämmt- liche erwachsene männliche Bevölkerung der Stadt aber, Africa- ner wie Italiker über die Klinge springen zu lassen (642). Ein Schrei der Entrüstung ging durch ganz Italien. Die Mi- norität des Senats selbst und alles was nicht Senat war ver-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/145>, abgerufen am 27.11.2024.