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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE REVOLUTION UND GAIUS GRACCHUS.
über der altväterischen Strenge der bestehenden Verfassung gelin-
dere und modernere Grundsätze zur Geltung zu bringen. Hieher
gehören die Milderungen im Militärwesen. Hinsichtlich der Länge
der Dienstzeit bestand nach altem Recht keine andere Grenze, als
dass kein Bürger vor vollendetem siebzehnten und nach vollen-
detem sechsundvierzigsten Jahre zum ordentlichen Felddienst
pflichtig war. Als sodann in Folge der Besetzung Spaniens der
Dienst anfing stehend zu werden (I, 498), scheint zuerst gesetz-
lich verfügt zu sein, dass wer sechs Jahre hinter einander im
Felde gestanden, dadurch zunächst ein Recht erhalte auf den
Abschied, wenn gleich nicht auf definitive Befreiung vom Kriegs-
dienst; später, vielleicht um den Anfang dieses Jahrhunderts,
kam der Satz auf, dass zwanzigjähriger Dienst zu Fuss oder
zehnjähriger zu Ross überhaupt vom weiteren Kriegsdienst be-
freie *. Gracchus erneuerte die vermuthlich öfter gewaltsam ver-
letzte Vorschrift keinen Bürger vor dem vollendeten siebzehnten
Jahr in das Heer einzustellen und beschränkte auch, wie es
scheint, die zur vollen Befreiung von der Militärpflicht erforder-
liche Zahl von Feldzügen; überdies wurde den Soldaten die
Kleidung, deren Betrag bisher ihnen vom Solde gekürzt worden
war, fortan vom Staat unentgeltlich geliefert. -- Hieher gehört
ferner die mehrfach in der gracchischen Gesetzgebung hervor-
tretende Tendenz die Todesstrafe wo nicht abzuschaffen doch
noch mehr als es schon geschehen war zu beschränken, die zum
Theil selbst in der Militärgerichtsbarkeit sich geltend macht.
Schon seit Einführung der Republik hatte der Beamte das Recht
verloren über den Bürger die Todesstrafe ohne Befragung der
Gemeinde zu verhängen ausser nach Kriegsrecht (I, 161. 290);
wenn bald nach der Gracchenzeit dies Provocationsrecht des
Bürgers auch im Lager anwendbar und das Recht des Feldherrn
Todesstrafen zu vollstrecken auf Bundesgenossen und Untertha-
nen beschränkt erscheint, so ist wahrscheinlich die Quelle hie-
von zu suchen in dem Provocationsgesetz des Gaius Gracchus.
Aber auch das Recht des Volkes den verurtheilten Verbrecher

* So scheint die Angabe Appians (Hisp. 78), dass sechsjähriger Dienst
berechtige den Abschied zu fordern, auszugleichen mit der bekannteren des
Polybios 6, 19, über welche Marquardt (Alterth. 3, 1, 286 A. 1580) rich-
tig urtheilt. Die Zeit, wo beide Neuerungen aufkamen, lässt sich nicht wei-
ter bestimmen, als dass die erste schon im J. 603 bestanden zu haben
scheint (Nitzsch Gracchen S. 231), die zweite sicher schon zu Polybios
Zeit bestand. Dass Gracchus die Zahl der Feldzüge herabsetzte, scheint
aus Asconus in Cornel. p. 68 zu folgen.

DIE REVOLUTION UND GAIUS GRACCHUS.
über der altväterischen Strenge der bestehenden Verfassung gelin-
dere und modernere Grundsätze zur Geltung zu bringen. Hieher
gehören die Milderungen im Militärwesen. Hinsichtlich der Länge
der Dienstzeit bestand nach altem Recht keine andere Grenze, als
daſs kein Bürger vor vollendetem siebzehnten und nach vollen-
detem sechsundvierzigsten Jahre zum ordentlichen Felddienst
pflichtig war. Als sodann in Folge der Besetzung Spaniens der
Dienst anfing stehend zu werden (I, 498), scheint zuerst gesetz-
lich verfügt zu sein, daſs wer sechs Jahre hinter einander im
Felde gestanden, dadurch zunächst ein Recht erhalte auf den
Abschied, wenn gleich nicht auf definitive Befreiung vom Kriegs-
dienst; später, vielleicht um den Anfang dieses Jahrhunderts,
kam der Satz auf, daſs zwanzigjähriger Dienst zu Fuſs oder
zehnjähriger zu Roſs überhaupt vom weiteren Kriegsdienst be-
freie *. Gracchus erneuerte die vermuthlich öfter gewaltsam ver-
letzte Vorschrift keinen Bürger vor dem vollendeten siebzehnten
Jahr in das Heer einzustellen und beschränkte auch, wie es
scheint, die zur vollen Befreiung von der Militärpflicht erforder-
liche Zahl von Feldzügen; überdies wurde den Soldaten die
Kleidung, deren Betrag bisher ihnen vom Solde gekürzt worden
war, fortan vom Staat unentgeltlich geliefert. — Hieher gehört
ferner die mehrfach in der gracchischen Gesetzgebung hervor-
tretende Tendenz die Todesstrafe wo nicht abzuschaffen doch
noch mehr als es schon geschehen war zu beschränken, die zum
Theil selbst in der Militärgerichtsbarkeit sich geltend macht.
Schon seit Einführung der Republik hatte der Beamte das Recht
verloren über den Bürger die Todesstrafe ohne Befragung der
Gemeinde zu verhängen auſser nach Kriegsrecht (I, 161. 290);
wenn bald nach der Gracchenzeit dies Provocationsrecht des
Bürgers auch im Lager anwendbar und das Recht des Feldherrn
Todesstrafen zu vollstrecken auf Bundesgenossen und Untertha-
nen beschränkt erscheint, so ist wahrscheinlich die Quelle hie-
von zu suchen in dem Provocationsgesetz des Gaius Gracchus.
Aber auch das Recht des Volkes den verurtheilten Verbrecher

* So scheint die Angabe Appians (Hisp. 78), daſs sechsjähriger Dienst
berechtige den Abschied zu fordern, auszugleichen mit der bekannteren des
Polybios 6, 19, über welche Marquardt (Alterth. 3, 1, 286 A. 1580) rich-
tig urtheilt. Die Zeit, wo beide Neuerungen aufkamen, läſst sich nicht wei-
ter bestimmen, als daſs die erste schon im J. 603 bestanden zu haben
scheint (Nitzsch Gracchen S. 231), die zweite sicher schon zu Polybios
Zeit bestand. Daſs Gracchus die Zahl der Feldzüge herabsetzte, scheint
aus Asconus in Cornel. p. 68 zu folgen.
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[101/0111] DIE REVOLUTION UND GAIUS GRACCHUS. über der altväterischen Strenge der bestehenden Verfassung gelin- dere und modernere Grundsätze zur Geltung zu bringen. Hieher gehören die Milderungen im Militärwesen. Hinsichtlich der Länge der Dienstzeit bestand nach altem Recht keine andere Grenze, als daſs kein Bürger vor vollendetem siebzehnten und nach vollen- detem sechsundvierzigsten Jahre zum ordentlichen Felddienst pflichtig war. Als sodann in Folge der Besetzung Spaniens der Dienst anfing stehend zu werden (I, 498), scheint zuerst gesetz- lich verfügt zu sein, daſs wer sechs Jahre hinter einander im Felde gestanden, dadurch zunächst ein Recht erhalte auf den Abschied, wenn gleich nicht auf definitive Befreiung vom Kriegs- dienst; später, vielleicht um den Anfang dieses Jahrhunderts, kam der Satz auf, daſs zwanzigjähriger Dienst zu Fuſs oder zehnjähriger zu Roſs überhaupt vom weiteren Kriegsdienst be- freie *. Gracchus erneuerte die vermuthlich öfter gewaltsam ver- letzte Vorschrift keinen Bürger vor dem vollendeten siebzehnten Jahr in das Heer einzustellen und beschränkte auch, wie es scheint, die zur vollen Befreiung von der Militärpflicht erforder- liche Zahl von Feldzügen; überdies wurde den Soldaten die Kleidung, deren Betrag bisher ihnen vom Solde gekürzt worden war, fortan vom Staat unentgeltlich geliefert. — Hieher gehört ferner die mehrfach in der gracchischen Gesetzgebung hervor- tretende Tendenz die Todesstrafe wo nicht abzuschaffen doch noch mehr als es schon geschehen war zu beschränken, die zum Theil selbst in der Militärgerichtsbarkeit sich geltend macht. Schon seit Einführung der Republik hatte der Beamte das Recht verloren über den Bürger die Todesstrafe ohne Befragung der Gemeinde zu verhängen auſser nach Kriegsrecht (I, 161. 290); wenn bald nach der Gracchenzeit dies Provocationsrecht des Bürgers auch im Lager anwendbar und das Recht des Feldherrn Todesstrafen zu vollstrecken auf Bundesgenossen und Untertha- nen beschränkt erscheint, so ist wahrscheinlich die Quelle hie- von zu suchen in dem Provocationsgesetz des Gaius Gracchus. Aber auch das Recht des Volkes den verurtheilten Verbrecher * So scheint die Angabe Appians (Hisp. 78), daſs sechsjähriger Dienst berechtige den Abschied zu fordern, auszugleichen mit der bekannteren des Polybios 6, 19, über welche Marquardt (Alterth. 3, 1, 286 A. 1580) rich- tig urtheilt. Die Zeit, wo beide Neuerungen aufkamen, läſst sich nicht wei- ter bestimmen, als daſs die erste schon im J. 603 bestanden zu haben scheint (Nitzsch Gracchen S. 231), die zweite sicher schon zu Polybios Zeit bestand. Daſs Gracchus die Zahl der Feldzüge herabsetzte, scheint aus Asconus in Cornel. p. 68 zu folgen.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/111>, abgerufen am 23.11.2024.