unbewegliches Gut in Rom zu erwerben. Es ist eben Rom eine Handelsstadt gewesen, die den Anfang ihrer Bedeutung dem internationalen Verkehr verdankte und das Niederlas- sungsrecht mit grossartiger Freisinnigkeit jedem Kinde un- gleicher Ehe, jedem freigelassenen Knecht, ja jedem nach Rom auf die Dauer übersiedelnden und sich in den Schutz eines römischen Hauses begebenden Fremden gewährte.
Anfänglich waren also die Bürger in der That die Schutz- herren, die Nichtbürger die Geschützten; allein wie in allen Gemeinden, die ihr Bürgerrecht schliessen, ward es bald schwer und wurde immer schwerer dieses rechtliche Verhältniss mit dem factischen Zustand in Harmonie zu erhalten. Das Auf- blühen des Verkehrs, das durch das latinische Bündniss ge- währleistete Niederlassungsrecht aller Latiner in der Haupt- stadt, die mit dem Wohlstand steigende Zahl der Freilassungen mussten schon im Frieden die Zahl der Nichtbürger unver- hältnissmässig vermehren. Es kam dazu nach Ueberwindung der umliegenden Gemeinden der grössere Theil der Bevölke- rung der Nachbarstädte, welcher, mochte er nun gezwungen nach Rom übersiedelnd dort eintreten in die Clientel oder in seiner alten zum Dorf herabgesetzten Heimath verbleiben, immer sein eigenes Bürgerrecht mit römischem Metökenrecht vertauschte. Dazu lastete der Krieg ausschliesslich auf den Altbürgern und lichtete beständig die Reihen der patricischen Nachkommenschaft, während die Insassen den Erfolg der Siege theilten, ohne mit ihrem Blute dafür zu bezahlen. -- Unter solchen Verhältnissen ist es fast befremdlich, dass der römische Patriciat nicht noch viel schneller zusammenschwand als es in der That der Fall war. Dass er noch längere Zeit eine zahlreiche Gemeinde blieb, davon ist der Grund wohl weniger zu suchen in der Verleihung des römischen Bürger- rechts an einzelne ansehnliche auswärtige Geschlechter, die freiwillig oder nach der Ueberwindung ihrer Stadt das römische Bürgerrecht empfingen -- denn diese Verleihungen scheinen von Anfang an sparsam erfolgt und immer seltener geworden zu sein, je mehr das römische Bürgerrecht im Preise stieg. Von grösserer Bedeutung war vermuthlich die Einführung der Civilehe, wonach das von patricischen als Eheleute wenn auch ohne Confarreation zusammenlebenden Aeltern erzeugte Kind volles Bürgerrecht erwarb so gut wie das in confarreirter Ehe erzeugte; es ist wenigstens wahrscheinlich, dass die schon vor den zwölf Tafeln in Rom bestehende, aber doch gewiss nicht
Röm. Gesch. I. 5
NICHTBUERGER UND REFORMIRTE VERFASSUNG.
unbewegliches Gut in Rom zu erwerben. Es ist eben Rom eine Handelsstadt gewesen, die den Anfang ihrer Bedeutung dem internationalen Verkehr verdankte und das Niederlas- sungsrecht mit groſsartiger Freisinnigkeit jedem Kinde un- gleicher Ehe, jedem freigelassenen Knecht, ja jedem nach Rom auf die Dauer übersiedelnden und sich in den Schutz eines römischen Hauses begebenden Fremden gewährte.
Anfänglich waren also die Bürger in der That die Schutz- herren, die Nichtbürger die Geschützten; allein wie in allen Gemeinden, die ihr Bürgerrecht schlieſsen, ward es bald schwer und wurde immer schwerer dieses rechtliche Verhältniſs mit dem factischen Zustand in Harmonie zu erhalten. Das Auf- blühen des Verkehrs, das durch das latinische Bündniſs ge- währleistete Niederlassungsrecht aller Latiner in der Haupt- stadt, die mit dem Wohlstand steigende Zahl der Freilassungen muſsten schon im Frieden die Zahl der Nichtbürger unver- hältniſsmäſsig vermehren. Es kam dazu nach Ueberwindung der umliegenden Gemeinden der gröſsere Theil der Bevölke- rung der Nachbarstädte, welcher, mochte er nun gezwungen nach Rom übersiedelnd dort eintreten in die Clientel oder in seiner alten zum Dorf herabgesetzten Heimath verbleiben, immer sein eigenes Bürgerrecht mit römischem Metökenrecht vertauschte. Dazu lastete der Krieg ausschlieſslich auf den Altbürgern und lichtete beständig die Reihen der patricischen Nachkommenschaft, während die Insassen den Erfolg der Siege theilten, ohne mit ihrem Blute dafür zu bezahlen. — Unter solchen Verhältnissen ist es fast befremdlich, daſs der römische Patriciat nicht noch viel schneller zusammenschwand als es in der That der Fall war. Daſs er noch längere Zeit eine zahlreiche Gemeinde blieb, davon ist der Grund wohl weniger zu suchen in der Verleihung des römischen Bürger- rechts an einzelne ansehnliche auswärtige Geschlechter, die freiwillig oder nach der Ueberwindung ihrer Stadt das römische Bürgerrecht empfingen — denn diese Verleihungen scheinen von Anfang an sparsam erfolgt und immer seltener geworden zu sein, je mehr das römische Bürgerrecht im Preise stieg. Von gröſserer Bedeutung war vermuthlich die Einführung der Civilehe, wonach das von patricischen als Eheleute wenn auch ohne Confarreation zusammenlebenden Aeltern erzeugte Kind volles Bürgerrecht erwarb so gut wie das in confarreirter Ehe erzeugte; es ist wenigstens wahrscheinlich, daſs die schon vor den zwölf Tafeln in Rom bestehende, aber doch gewiſs nicht
Röm. Gesch. I. 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0079"n="65"/><fwplace="top"type="header">NICHTBUERGER UND REFORMIRTE VERFASSUNG.</fw><lb/>
unbewegliches Gut in Rom zu erwerben. Es ist eben Rom<lb/>
eine Handelsstadt gewesen, die den Anfang ihrer Bedeutung<lb/>
dem internationalen Verkehr verdankte und das Niederlas-<lb/>
sungsrecht mit groſsartiger Freisinnigkeit jedem Kinde un-<lb/>
gleicher Ehe, jedem freigelassenen Knecht, ja jedem nach<lb/>
Rom auf die Dauer übersiedelnden und sich in den Schutz<lb/>
eines römischen Hauses begebenden Fremden gewährte.</p><lb/><p>Anfänglich waren also die Bürger in der That die Schutz-<lb/>
herren, die Nichtbürger die Geschützten; allein wie in allen<lb/>
Gemeinden, die ihr Bürgerrecht schlieſsen, ward es bald schwer<lb/>
und wurde immer schwerer dieses rechtliche Verhältniſs mit<lb/>
dem factischen Zustand in Harmonie zu erhalten. Das Auf-<lb/>
blühen des Verkehrs, das durch das latinische Bündniſs ge-<lb/>
währleistete Niederlassungsrecht aller Latiner in der Haupt-<lb/>
stadt, die mit dem Wohlstand steigende Zahl der Freilassungen<lb/>
muſsten schon im Frieden die Zahl der Nichtbürger unver-<lb/>
hältniſsmäſsig vermehren. Es kam dazu nach Ueberwindung<lb/>
der umliegenden Gemeinden der gröſsere Theil der Bevölke-<lb/>
rung der Nachbarstädte, welcher, mochte er nun gezwungen<lb/>
nach Rom übersiedelnd dort eintreten in die Clientel oder<lb/>
in seiner alten zum Dorf herabgesetzten Heimath verbleiben,<lb/>
immer sein eigenes Bürgerrecht mit römischem Metökenrecht<lb/>
vertauschte. Dazu lastete der Krieg ausschlieſslich auf den<lb/>
Altbürgern und lichtete beständig die Reihen der patricischen<lb/>
Nachkommenschaft, während die Insassen den Erfolg der<lb/>
Siege theilten, ohne mit ihrem Blute dafür zu bezahlen. —<lb/>
Unter solchen Verhältnissen ist es fast befremdlich, daſs der<lb/>
römische Patriciat nicht noch viel schneller zusammenschwand<lb/>
als es in der That der Fall war. Daſs er noch längere Zeit<lb/>
eine zahlreiche Gemeinde blieb, davon ist der Grund wohl<lb/>
weniger zu suchen in der Verleihung des römischen Bürger-<lb/>
rechts an einzelne ansehnliche auswärtige Geschlechter, die<lb/>
freiwillig oder nach der Ueberwindung ihrer Stadt das römische<lb/>
Bürgerrecht empfingen — denn diese Verleihungen scheinen<lb/>
von Anfang an sparsam erfolgt und immer seltener geworden<lb/>
zu sein, je mehr das römische Bürgerrecht im Preise stieg.<lb/>
Von gröſserer Bedeutung war vermuthlich die Einführung der<lb/>
Civilehe, wonach das von patricischen als Eheleute wenn auch<lb/>
ohne Confarreation zusammenlebenden Aeltern erzeugte Kind<lb/>
volles Bürgerrecht erwarb so gut wie das in confarreirter Ehe<lb/>
erzeugte; es ist wenigstens wahrscheinlich, daſs die schon vor<lb/>
den zwölf Tafeln in Rom bestehende, aber doch gewiſs nicht<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Röm. Gesch. I. 5</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[65/0079]
NICHTBUERGER UND REFORMIRTE VERFASSUNG.
unbewegliches Gut in Rom zu erwerben. Es ist eben Rom
eine Handelsstadt gewesen, die den Anfang ihrer Bedeutung
dem internationalen Verkehr verdankte und das Niederlas-
sungsrecht mit groſsartiger Freisinnigkeit jedem Kinde un-
gleicher Ehe, jedem freigelassenen Knecht, ja jedem nach
Rom auf die Dauer übersiedelnden und sich in den Schutz
eines römischen Hauses begebenden Fremden gewährte.
Anfänglich waren also die Bürger in der That die Schutz-
herren, die Nichtbürger die Geschützten; allein wie in allen
Gemeinden, die ihr Bürgerrecht schlieſsen, ward es bald schwer
und wurde immer schwerer dieses rechtliche Verhältniſs mit
dem factischen Zustand in Harmonie zu erhalten. Das Auf-
blühen des Verkehrs, das durch das latinische Bündniſs ge-
währleistete Niederlassungsrecht aller Latiner in der Haupt-
stadt, die mit dem Wohlstand steigende Zahl der Freilassungen
muſsten schon im Frieden die Zahl der Nichtbürger unver-
hältniſsmäſsig vermehren. Es kam dazu nach Ueberwindung
der umliegenden Gemeinden der gröſsere Theil der Bevölke-
rung der Nachbarstädte, welcher, mochte er nun gezwungen
nach Rom übersiedelnd dort eintreten in die Clientel oder
in seiner alten zum Dorf herabgesetzten Heimath verbleiben,
immer sein eigenes Bürgerrecht mit römischem Metökenrecht
vertauschte. Dazu lastete der Krieg ausschlieſslich auf den
Altbürgern und lichtete beständig die Reihen der patricischen
Nachkommenschaft, während die Insassen den Erfolg der
Siege theilten, ohne mit ihrem Blute dafür zu bezahlen. —
Unter solchen Verhältnissen ist es fast befremdlich, daſs der
römische Patriciat nicht noch viel schneller zusammenschwand
als es in der That der Fall war. Daſs er noch längere Zeit
eine zahlreiche Gemeinde blieb, davon ist der Grund wohl
weniger zu suchen in der Verleihung des römischen Bürger-
rechts an einzelne ansehnliche auswärtige Geschlechter, die
freiwillig oder nach der Ueberwindung ihrer Stadt das römische
Bürgerrecht empfingen — denn diese Verleihungen scheinen
von Anfang an sparsam erfolgt und immer seltener geworden
zu sein, je mehr das römische Bürgerrecht im Preise stieg.
Von gröſserer Bedeutung war vermuthlich die Einführung der
Civilehe, wonach das von patricischen als Eheleute wenn auch
ohne Confarreation zusammenlebenden Aeltern erzeugte Kind
volles Bürgerrecht erwarb so gut wie das in confarreirter Ehe
erzeugte; es ist wenigstens wahrscheinlich, daſs die schon vor
den zwölf Tafeln in Rom bestehende, aber doch gewiſs nicht
Röm. Gesch. I. 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/79>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.