Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE. seien, nothwendig entweder die Kasse bestohlen würde oderdie Bundesgenossen geplündert und es daher rathsamer sei von dem übrigens so ergiebigen Betrieb ganz abzustehen -- freilich ein seltsames Armuthszeugniss, das die controlirende Behörde sich selber ausstellte. Im Gefolge der Steuerpächter überschwemmten römische Banquiers die Provinzen, um den verlegenen Schuldnern vorzuschiessen und also ihnen hülfreich zu sein bei ihrem ökonomischen Ruin. Ihr Treiben war so verderblich, dass zum Beispiel Cato in seiner sardinischen Verwaltung es nöthig fand sämmtliche römische Banquiers aus der Insel auszuweisen, und unter seinen Maximen den Satz mit aufstellte, dass wenig Unterschied sei zwischen einem Banquier und einem Mörder. -- In minderem Grade als die Aemter, jedoch auch schon nicht gering hatten die abhängigen Freistaaten und Königreiche von den mittelbaren und unmittel- baren Erpressungen der römischen Beamten und von dem Uebermuth der italischen Grosshändler und Banquiers zu lei- den; die Raubzüge des Gnaeus Vulso in Kleinasien und die heillose Wirthschaft während des Krieges gegen Perseus in Griechenland zeigen ungefähr, was man am Ende dieser Pe- riode sich schon gegen die Clientelstaaten herausnahm. -- Was die Controle anlangt, so fanden die Provinzialen gegen die Bedrückungen durch die römischen Speculanten Schutz bei den Amtmännern, der allerdings sehr ungleich war und wesentlich von dem guten Willen und der Tüchtigkeit der letztern abhing; allein es muss anerkannt werden, dass die Senatoren verhält- nissmässig sich in den Provinzen rechtschaffener und ehrbarer verhielten als die Geldleute, und wenn auch nicht alle so derb und entschlossen durchgriffen wie zum Beispiel Cato, so ist es doch hauptsächlich in dieser Beziehung, dass den Unter- thanen späterhin das sechste Jahrhundert der Stadt als die goldene Zeit der Provinzialherrschaft erschien. Gegen Ueber- griffe der Beamten stand dagegen den Unterthanen und Clien- telstaaten kein anderer Weg offen als entweder eine Civilklage in Rom zu erheben, wobei aber, da die Civilgerichte damals in den Händen des Senats sich befanden, jedenfalls ein sena- torisches Gericht vom römischen Prätor bestellt ward, oder zu appelliren an die Administrativjurisdiction des Senats; eine Criminalklage zu erheben war den Verletzten nicht anders möglich als wenn irgend ein römischer Beamter, der Crimi- naljurisdiction besass, die Sache in die Hand zu nehmen und sie an das Volksgericht zu bringen sich entschloss. Der ge- VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE. seien, nothwendig entweder die Kasse bestohlen würde oderdie Bundesgenossen geplündert und es daher rathsamer sei von dem übrigens so ergiebigen Betrieb ganz abzustehen — freilich ein seltsames Armuthszeugniſs, das die controlirende Behörde sich selber ausstellte. Im Gefolge der Steuerpächter überschwemmten römische Banquiers die Provinzen, um den verlegenen Schuldnern vorzuschieſsen und also ihnen hülfreich zu sein bei ihrem ökonomischen Ruin. Ihr Treiben war so verderblich, daſs zum Beispiel Cato in seiner sardinischen Verwaltung es nöthig fand sämmtliche römische Banquiers aus der Insel auszuweisen, und unter seinen Maximen den Satz mit aufstellte, daſs wenig Unterschied sei zwischen einem Banquier und einem Mörder. — In minderem Grade als die Aemter, jedoch auch schon nicht gering hatten die abhängigen Freistaaten und Königreiche von den mittelbaren und unmittel- baren Erpressungen der römischen Beamten und von dem Uebermuth der italischen Groſshändler und Banquiers zu lei- den; die Raubzüge des Gnaeus Vulso in Kleinasien und die heillose Wirthschaft während des Krieges gegen Perseus in Griechenland zeigen ungefähr, was man am Ende dieser Pe- riode sich schon gegen die Clientelstaaten herausnahm. — Was die Controle anlangt, so fanden die Provinzialen gegen die Bedrückungen durch die römischen Speculanten Schutz bei den Amtmännern, der allerdings sehr ungleich war und wesentlich von dem guten Willen und der Tüchtigkeit der letztern abhing; allein es muſs anerkannt werden, daſs die Senatoren verhält- niſsmäſsig sich in den Provinzen rechtschaffener und ehrbarer verhielten als die Geldleute, und wenn auch nicht alle so derb und entschlossen durchgriffen wie zum Beispiel Cato, so ist es doch hauptsächlich in dieser Beziehung, daſs den Unter- thanen späterhin das sechste Jahrhundert der Stadt als die goldene Zeit der Provinzialherrschaft erschien. Gegen Ueber- griffe der Beamten stand dagegen den Unterthanen und Clien- telstaaten kein anderer Weg offen als entweder eine Civilklage in Rom zu erheben, wobei aber, da die Civilgerichte damals in den Händen des Senats sich befanden, jedenfalls ein sena- torisches Gericht vom römischen Prätor bestellt ward, oder zu appelliren an die Administrativjurisdiction des Senats; eine Criminalklage zu erheben war den Verletzten nicht anders möglich als wenn irgend ein römischer Beamter, der Crimi- naljurisdiction besaſs, die Sache in die Hand zu nehmen und sie an das Volksgericht zu bringen sich entschloſs. 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VERFASSUNG UND INNERE VERHAELTNISSE.
seien, nothwendig entweder die Kasse bestohlen würde oder
die Bundesgenossen geplündert und es daher rathsamer sei
von dem übrigens so ergiebigen Betrieb ganz abzustehen —
freilich ein seltsames Armuthszeugniſs, das die controlirende
Behörde sich selber ausstellte. Im Gefolge der Steuerpächter
überschwemmten römische Banquiers die Provinzen, um den
verlegenen Schuldnern vorzuschieſsen und also ihnen hülfreich
zu sein bei ihrem ökonomischen Ruin. Ihr Treiben war so
verderblich, daſs zum Beispiel Cato in seiner sardinischen
Verwaltung es nöthig fand sämmtliche römische Banquiers aus
der Insel auszuweisen, und unter seinen Maximen den Satz
mit aufstellte, daſs wenig Unterschied sei zwischen einem
Banquier und einem Mörder. — In minderem Grade als die
Aemter, jedoch auch schon nicht gering hatten die abhängigen
Freistaaten und Königreiche von den mittelbaren und unmittel-
baren Erpressungen der römischen Beamten und von dem
Uebermuth der italischen Groſshändler und Banquiers zu lei-
den; die Raubzüge des Gnaeus Vulso in Kleinasien und die
heillose Wirthschaft während des Krieges gegen Perseus in
Griechenland zeigen ungefähr, was man am Ende dieser Pe-
riode sich schon gegen die Clientelstaaten herausnahm. —
Was die Controle anlangt, so fanden die Provinzialen gegen die
Bedrückungen durch die römischen Speculanten Schutz bei den
Amtmännern, der allerdings sehr ungleich war und wesentlich
von dem guten Willen und der Tüchtigkeit der letztern abhing;
allein es muſs anerkannt werden, daſs die Senatoren verhält-
niſsmäſsig sich in den Provinzen rechtschaffener und ehrbarer
verhielten als die Geldleute, und wenn auch nicht alle so derb
und entschlossen durchgriffen wie zum Beispiel Cato, so ist
es doch hauptsächlich in dieser Beziehung, daſs den Unter-
thanen späterhin das sechste Jahrhundert der Stadt als die
goldene Zeit der Provinzialherrschaft erschien. Gegen Ueber-
griffe der Beamten stand dagegen den Unterthanen und Clien-
telstaaten kein anderer Weg offen als entweder eine Civilklage
in Rom zu erheben, wobei aber, da die Civilgerichte damals
in den Händen des Senats sich befanden, jedenfalls ein sena-
torisches Gericht vom römischen Prätor bestellt ward, oder
zu appelliren an die Administrativjurisdiction des Senats; eine
Criminalklage zu erheben war den Verletzten nicht anders
möglich als wenn irgend ein römischer Beamter, der Crimi-
naljurisdiction besaſs, die Sache in die Hand zu nehmen und
sie an das Volksgericht zu bringen sich entschloſs. Der ge-
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