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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL XI.
die Italiker für Rom entschieden hatten, fühlte die Bürger-
schaft sich so sicher, dass sie der Stützen ihrer Macht nicht
ferner zu bedürfen vermeinte. Dass die vom Waffendienst
ausgeschlossenen Bundesgenossen, wie die Brettier und die
südlichen Picenter, da man sie wie Sclaven behandelte, auch
gleich Sclaven sich verhielten und zum Beispiel von der Flotte,
auf der sie als Ruderknechte dienten, ausrissen wo sie konn-
ten und gern Dienste nahmen gegen Rom, versteht sich ohne-
hin; aber auch die Verbündeten besseren Rechts, namentlich
die latinischen Colonien, dieser Fels auf dem die römische
Herrschaft über Italien ruhte, wurden schon vielfach zurück-
gesetzt und gekränkt. Zum Kriegsdienst fing man an die
Bundesgenossen immer stärker und drückender anzuziehen:
so wurden zum Beispiel 536 fast doppelt so viel Bundesge-
nossen aufgeboten als Bürger; so nach dem hannibalischen
Krieg die Bürger alle verabschiedet, nicht aber die Bundes-
genossen; so die letztern vorzugsweise verwandt für den ver-
hassten spanischen Dienst und für die Besatzungen; so ward
(571) das Triumphalgeschenk der Bundesgenossen gegen das
der Bürger um die Hälfte verkürzt, so dass inmitten des aus-
gelassenen Jubels dieses Soldatencarnevals jene stumm hinter
dem Siegeswagen einhergingen. Das alte Recht der Bundes-
städte auf einen gesetzlichen Antheil an der Beute war längst
und mit Fug beseitigt; aber es war üblich anstatt dessen den
einzelnen Städten theils aus dem Erlös der beweglichen Beute
eine Verehrung zu machen, theils von dem gewonnenen Lande,
so lange es römische Domäne blieb, den Bundesgemeinden
einzelne Striche zur Sondernutzung anzuweisen, bei der Auf-
theilung aber Bürger und Bundesgenossen gleichmässig zu
berücksichtigen. Diese Geschenke und Anweisungen an die
Bundesgenossen unterblieben zwar nicht ganz, aber sie wur-
den doch immer dürftiger; so zum Beispiel erhielten im Jahre
581 bei Landanweisungen in Norditalien die Bürger je zehn,
die Nichtbürger nur je drei Jugera Ackerlandes. Dass bei
solchem Verfahren das römische Bürgerrecht unverhältniss-
mässig im Preise stieg und das latinische Recht anfing gering
geachtet zu werden, ist kein Wunder; daher jene massenhafte
Uebersiedelung der Latiner nach Rom, von der so eben ge-
sprochen ward, und daher die Nothwendigkeit den seit 570
im italischen Binnenland gegründeten Städten das volle Bür-
gerrecht zu gewähren -- es fand sich kein römischer Bürger
mehr, der willig gewesen wäre sein Bürgerrecht auch mit

DRITTES BUCH. KAPITEL XI.
die Italiker für Rom entschieden hatten, fühlte die Bürger-
schaft sich so sicher, daſs sie der Stützen ihrer Macht nicht
ferner zu bedürfen vermeinte. Daſs die vom Waffendienst
ausgeschlossenen Bundesgenossen, wie die Brettier und die
südlichen Picenter, da man sie wie Sclaven behandelte, auch
gleich Sclaven sich verhielten und zum Beispiel von der Flotte,
auf der sie als Ruderknechte dienten, ausrissen wo sie konn-
ten und gern Dienste nahmen gegen Rom, versteht sich ohne-
hin; aber auch die Verbündeten besseren Rechts, namentlich
die latinischen Colonien, dieser Fels auf dem die römische
Herrschaft über Italien ruhte, wurden schon vielfach zurück-
gesetzt und gekränkt. Zum Kriegsdienst fing man an die
Bundesgenossen immer stärker und drückender anzuziehen:
so wurden zum Beispiel 536 fast doppelt so viel Bundesge-
nossen aufgeboten als Bürger; so nach dem hannibalischen
Krieg die Bürger alle verabschiedet, nicht aber die Bundes-
genossen; so die letztern vorzugsweise verwandt für den ver-
haſsten spanischen Dienst und für die Besatzungen; so ward
(571) das Triumphalgeschenk der Bundesgenossen gegen das
der Bürger um die Hälfte verkürzt, so daſs inmitten des aus-
gelassenen Jubels dieses Soldatencarnevals jene stumm hinter
dem Siegeswagen einhergingen. Das alte Recht der Bundes-
städte auf einen gesetzlichen Antheil an der Beute war längst
und mit Fug beseitigt; aber es war üblich anstatt dessen den
einzelnen Städten theils aus dem Erlös der beweglichen Beute
eine Verehrung zu machen, theils von dem gewonnenen Lande,
so lange es römische Domäne blieb, den Bundesgemeinden
einzelne Striche zur Sondernutzung anzuweisen, bei der Auf-
theilung aber Bürger und Bundesgenossen gleichmäſsig zu
berücksichtigen. Diese Geschenke und Anweisungen an die
Bundesgenossen unterblieben zwar nicht ganz, aber sie wur-
den doch immer dürftiger; so zum Beispiel erhielten im Jahre
581 bei Landanweisungen in Norditalien die Bürger je zehn,
die Nichtbürger nur je drei Jugera Ackerlandes. Daſs bei
solchem Verfahren das römische Bürgerrecht unverhältniſs-
mäſsig im Preise stieg und das latinische Recht anfing gering
geachtet zu werden, ist kein Wunder; daher jene massenhafte
Uebersiedelung der Latiner nach Rom, von der so eben ge-
sprochen ward, und daher die Nothwendigkeit den seit 570
im italischen Binnenland gegründeten Städten das volle Bür-
gerrecht zu gewähren — es fand sich kein römischer Bürger
mehr, der willig gewesen wäre sein Bürgerrecht auch mit

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[612/0626] DRITTES BUCH. KAPITEL XI. die Italiker für Rom entschieden hatten, fühlte die Bürger- schaft sich so sicher, daſs sie der Stützen ihrer Macht nicht ferner zu bedürfen vermeinte. Daſs die vom Waffendienst ausgeschlossenen Bundesgenossen, wie die Brettier und die südlichen Picenter, da man sie wie Sclaven behandelte, auch gleich Sclaven sich verhielten und zum Beispiel von der Flotte, auf der sie als Ruderknechte dienten, ausrissen wo sie konn- ten und gern Dienste nahmen gegen Rom, versteht sich ohne- hin; aber auch die Verbündeten besseren Rechts, namentlich die latinischen Colonien, dieser Fels auf dem die römische Herrschaft über Italien ruhte, wurden schon vielfach zurück- gesetzt und gekränkt. Zum Kriegsdienst fing man an die Bundesgenossen immer stärker und drückender anzuziehen: so wurden zum Beispiel 536 fast doppelt so viel Bundesge- nossen aufgeboten als Bürger; so nach dem hannibalischen Krieg die Bürger alle verabschiedet, nicht aber die Bundes- genossen; so die letztern vorzugsweise verwandt für den ver- haſsten spanischen Dienst und für die Besatzungen; so ward (571) das Triumphalgeschenk der Bundesgenossen gegen das der Bürger um die Hälfte verkürzt, so daſs inmitten des aus- gelassenen Jubels dieses Soldatencarnevals jene stumm hinter dem Siegeswagen einhergingen. Das alte Recht der Bundes- städte auf einen gesetzlichen Antheil an der Beute war längst und mit Fug beseitigt; aber es war üblich anstatt dessen den einzelnen Städten theils aus dem Erlös der beweglichen Beute eine Verehrung zu machen, theils von dem gewonnenen Lande, so lange es römische Domäne blieb, den Bundesgemeinden einzelne Striche zur Sondernutzung anzuweisen, bei der Auf- theilung aber Bürger und Bundesgenossen gleichmäſsig zu berücksichtigen. Diese Geschenke und Anweisungen an die Bundesgenossen unterblieben zwar nicht ganz, aber sie wur- den doch immer dürftiger; so zum Beispiel erhielten im Jahre 581 bei Landanweisungen in Norditalien die Bürger je zehn, die Nichtbürger nur je drei Jugera Ackerlandes. Daſs bei solchem Verfahren das römische Bürgerrecht unverhältniſs- mäſsig im Preise stieg und das latinische Recht anfing gering geachtet zu werden, ist kein Wunder; daher jene massenhafte Uebersiedelung der Latiner nach Rom, von der so eben ge- sprochen ward, und daher die Nothwendigkeit den seit 570 im italischen Binnenland gegründeten Städten das volle Bür- gerrecht zu gewähren — es fand sich kein römischer Bürger mehr, der willig gewesen wäre sein Bürgerrecht auch mit

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/626>, abgerufen am 22.11.2024.