wohl mit Rom hatten halten müssen, hatten diese Attaliden dazu benutzt um im Wesentlichen das Reich des Lysimachos wieder aufzubauen, dessen Vernichtung der wichtigste Erfolg der makedonischen Herrscher nach Alexander gewesen war, und Makedonien einen Staat an die Seite zu stellen, der zu- gleich ihm an Macht ebenbürtig und Roms Client war. Den- noch hätte vielleicht, wie die Verhältnisse einmal standen, ein weiser und sein Volk mit Hingebung beherrschender Regent sich entschlossen den ungleichen Kampf gegen Rom nicht wieder aufzunehmen; allein Philippos, in dessen Charakter von allen edlen Motiven das Ehrgefühl, von allen unedlen die Rachsucht am mächtigsten waren, war taub für die Stimme sei es der Feigheit sei es der Resignation, und nährte tief im Herzen den Entschluss abermals die Würfel zu werfen, wie er zu Tage lag in der bei Gelegenheit der Schmähungen, der thessalischen Tagsatzungen gegen Makedonien von ihm angeführten theokritischen Zeile, dass noch die letzte Sonne nicht untergegangen sei *.
Philippos bewies bei der Vorbereitung und der Verber- gung seiner Entschlüsse eine Ruhe, einen Ernst und eine Consequenz, die, wenn er in besseren Zeiten sie bewährt hätte, vielleicht den Geschicken der Welt eine andere Rich- tung gegeben haben würden. Namentlich die Fügsamkeit gegen die Römer, mit der er sich die unentbehrliche Frist erkaufte, war für den harten und stolzen Mann eine schwere Prüfung, die er doch muthig ertrug -- seine Unterthanen freilich und die unschuldigen Gegenstände des Haders, wie das unglück- liche Maroneia, büssten schwer den verhaltenen Groll. Schon im Jahre 571 schien der Krieg ausbrechen zu müssen; aber auf Philippos Geheiss bewirkte sein jüngerer Sohn Demetrios eine Ausgleichung des Vaters mit Rom, wo er einige Jahre als Geissel gelebt hatte und sehr beliebt war. Der Senat, namentlich Flamininus, der die griechischen Angelegenheiten leitete, suchte in Makedonien eine römische Partei zu bilden, die Philipps natürlich den Römern nicht unbekannte Bestre- bungen zu paralysiren im Stande wäre, und hatte zu deren Haupt, ja vielleicht zum künftigen König Makedoniens den jüngeren leidenschaftlich an Rom hängenden Prinzen auser- sehen. Man gab mit absichtlicher Deutlichkeit zu verstehen, dass der Senat dem Vater um des Sohnes willen verzeihe;
* Ede gar phrasdei panth' alion ammi dedukei.
DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
wohl mit Rom hatten halten müssen, hatten diese Attaliden dazu benutzt um im Wesentlichen das Reich des Lysimachos wieder aufzubauen, dessen Vernichtung der wichtigste Erfolg der makedonischen Herrscher nach Alexander gewesen war, und Makedonien einen Staat an die Seite zu stellen, der zu- gleich ihm an Macht ebenbürtig und Roms Client war. Den- noch hätte vielleicht, wie die Verhältnisse einmal standen, ein weiser und sein Volk mit Hingebung beherrschender Regent sich entschlossen den ungleichen Kampf gegen Rom nicht wieder aufzunehmen; allein Philippos, in dessen Charakter von allen edlen Motiven das Ehrgefühl, von allen unedlen die Rachsucht am mächtigsten waren, war taub für die Stimme sei es der Feigheit sei es der Resignation, und nährte tief im Herzen den Entschluſs abermals die Würfel zu werfen, wie er zu Tage lag in der bei Gelegenheit der Schmähungen, der thessalischen Tagsatzungen gegen Makedonien von ihm angeführten theokritischen Zeile, daſs noch die letzte Sonne nicht untergegangen sei *.
Philippos bewies bei der Vorbereitung und der Verber- gung seiner Entschlüsse eine Ruhe, einen Ernst und eine Consequenz, die, wenn er in besseren Zeiten sie bewährt hätte, vielleicht den Geschicken der Welt eine andere Rich- tung gegeben haben würden. Namentlich die Fügsamkeit gegen die Römer, mit der er sich die unentbehrliche Frist erkaufte, war für den harten und stolzen Mann eine schwere Prüfung, die er doch muthig ertrug — seine Unterthanen freilich und die unschuldigen Gegenstände des Haders, wie das unglück- liche Maroneia, büſsten schwer den verhaltenen Groll. Schon im Jahre 571 schien der Krieg ausbrechen zu müssen; aber auf Philippos Geheiſs bewirkte sein jüngerer Sohn Demetrios eine Ausgleichung des Vaters mit Rom, wo er einige Jahre als Geiſsel gelebt hatte und sehr beliebt war. Der Senat, namentlich Flamininus, der die griechischen Angelegenheiten leitete, suchte in Makedonien eine römische Partei zu bilden, die Philipps natürlich den Römern nicht unbekannte Bestre- bungen zu paralysiren im Stande wäre, und hatte zu deren Haupt, ja vielleicht zum künftigen König Makedoniens den jüngeren leidenschaftlich an Rom hängenden Prinzen auser- sehen. Man gab mit absichtlicher Deutlichkeit zu verstehen, daſs der Senat dem Vater um des Sohnes willen verzeihe;
* Ηδη γάϱ φϱάσδει πάνϑ᾽ ἅλιον ἅμμι δεδύϰει.
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DER DRITTE MAKEDONISCHE KRIEG.
wohl mit Rom hatten halten müssen, hatten diese Attaliden
dazu benutzt um im Wesentlichen das Reich des Lysimachos
wieder aufzubauen, dessen Vernichtung der wichtigste Erfolg
der makedonischen Herrscher nach Alexander gewesen war,
und Makedonien einen Staat an die Seite zu stellen, der zu-
gleich ihm an Macht ebenbürtig und Roms Client war. Den-
noch hätte vielleicht, wie die Verhältnisse einmal standen, ein
weiser und sein Volk mit Hingebung beherrschender Regent
sich entschlossen den ungleichen Kampf gegen Rom nicht
wieder aufzunehmen; allein Philippos, in dessen Charakter
von allen edlen Motiven das Ehrgefühl, von allen unedlen die
Rachsucht am mächtigsten waren, war taub für die Stimme
sei es der Feigheit sei es der Resignation, und nährte tief
im Herzen den Entschluſs abermals die Würfel zu werfen,
wie er zu Tage lag in der bei Gelegenheit der Schmähungen,
der thessalischen Tagsatzungen gegen Makedonien von ihm
angeführten theokritischen Zeile, daſs noch die letzte Sonne
nicht untergegangen sei *.
Philippos bewies bei der Vorbereitung und der Verber-
gung seiner Entschlüsse eine Ruhe, einen Ernst und eine
Consequenz, die, wenn er in besseren Zeiten sie bewährt
hätte, vielleicht den Geschicken der Welt eine andere Rich-
tung gegeben haben würden. Namentlich die Fügsamkeit gegen
die Römer, mit der er sich die unentbehrliche Frist erkaufte,
war für den harten und stolzen Mann eine schwere Prüfung,
die er doch muthig ertrug — seine Unterthanen freilich und
die unschuldigen Gegenstände des Haders, wie das unglück-
liche Maroneia, büſsten schwer den verhaltenen Groll. Schon
im Jahre 571 schien der Krieg ausbrechen zu müssen; aber
auf Philippos Geheiſs bewirkte sein jüngerer Sohn Demetrios
eine Ausgleichung des Vaters mit Rom, wo er einige Jahre
als Geiſsel gelebt hatte und sehr beliebt war. Der Senat,
namentlich Flamininus, der die griechischen Angelegenheiten
leitete, suchte in Makedonien eine römische Partei zu bilden,
die Philipps natürlich den Römern nicht unbekannte Bestre-
bungen zu paralysiren im Stande wäre, und hatte zu deren
Haupt, ja vielleicht zum künftigen König Makedoniens den
jüngeren leidenschaftlich an Rom hängenden Prinzen auser-
sehen. Man gab mit absichtlicher Deutlichkeit zu verstehen,
daſs der Senat dem Vater um des Sohnes willen verzeihe;
* Ηδη γάϱ φϱάσδει πάνϑ᾽ ἅλιον ἅμμι δεδύϰει.
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/587>, abgerufen am 16.07.2024.
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