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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
Höhe von Ephesos beobachten und ging mit dem grössten
Theil der römischen und den pergamenischen Schiffen nach
dem Hellespont, um seinem Auftrag nachzukommen und durch
die Wegnahme der Festungen daselbst den Uebergang des
Landheers vorzubereiten. Schon war Sestos besetzt und Aby-
dos aufs Aeusserste gebracht, als ihn die Kunde von der Nie-
derlage der rhodischen Flotte zurückrief. Der rhodische Ad-
miral Pausistratos, eingeschläfert durch die Vorspiegelungen
seines Landsmannes von Antiochos abfallen zu wollen, hatte
sich im Hafen von Samos überrumpeln lassen; er selbst war
gefallen, seine sämmtlichen Schiffe bis auf fünf rhodische und
zwei koische Segel waren vernichtet, Samos, Phokaea, Kyme
auf diese Botschaft zu Seleukos übergetreten, der in diesen
Gegenden für seinen Vater den Oberbefehl zu Lande führte.
Indess als die römische Flotte theils von Kane, theils vom
Hellespont herbeikam und nach einiger Zeit zwanzig neue
Schiffe der Rhodier bei Samos sich mit ihr vereinigten, war
Polyxenidas abermals genöthigt sich in den Hafen von Ephe-
sos einzuschliessen. Da er die angebotene Seeschlacht ver-
weigerte und bei der geringen Zahl der römischen Mannschaft
an einen Angriff von der Landseite nicht zu denken war,
blieb auch der römischen Flotte nichts übrig als gleichfalls
sich bei Samos aufzustellen. Eine Abtheilung ging nach Pa-
tara an die lykische Küste, um theils den Rhodiern gegen die
sehr beschwerlichen von dorther auf sie gerichteten Angriffe
Ruhe zu verschaffen, theils und vornämlich um die feindliche
Flotte, die an der Südküste erwartet ward, vom aegaeischen
Meer abzusperren. Als dieses Geschwader gegen Patara nichts
ausrichtete, erzürnte der neue Admiral Lucius Aemilius Regil-
lus, der mit 20 Kriegsschiffen von Rom angelangt war und
bei Samos den Gaius Livius abgelöst hatte, sich darüber so
sehr, dass er mit der ganzen Flotte dorthin aufbrach; kaum
gelang es seinen Offizieren ihm unterwegs begreiflich zu ma-
chen, dass es zunächst nicht auf die Eroberung von Patara
ankomme, sondern auf die Beherrschung des aegaeischen
Meeres, und ihn zur Umkehr nach Samos zu bestimmen. Auf
dem kleinasiatischen Festland hatte mittlerweile Seleukos die
Belagerung von Pergamon begonnen, während Antiochos mit
dem Hauptheer das pergamenische Gebiet und die Besitzun-
gen der Mytilenaeer auf dem Festland verwüstete; man hoffte
mit dem verhassten Eumenes fertig zu werden, bevor die rö-
mische Hülfe erschien. Die römische Flotte ging nach Elaea

DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
Höhe von Ephesos beobachten und ging mit dem gröſsten
Theil der römischen und den pergamenischen Schiffen nach
dem Hellespont, um seinem Auftrag nachzukommen und durch
die Wegnahme der Festungen daselbst den Uebergang des
Landheers vorzubereiten. Schon war Sestos besetzt und Aby-
dos aufs Aeuſserste gebracht, als ihn die Kunde von der Nie-
derlage der rhodischen Flotte zurückrief. Der rhodische Ad-
miral Pausistratos, eingeschläfert durch die Vorspiegelungen
seines Landsmannes von Antiochos abfallen zu wollen, hatte
sich im Hafen von Samos überrumpeln lassen; er selbst war
gefallen, seine sämmtlichen Schiffe bis auf fünf rhodische und
zwei koische Segel waren vernichtet, Samos, Phokaea, Kyme
auf diese Botschaft zu Seleukos übergetreten, der in diesen
Gegenden für seinen Vater den Oberbefehl zu Lande führte.
Indeſs als die römische Flotte theils von Kane, theils vom
Hellespont herbeikam und nach einiger Zeit zwanzig neue
Schiffe der Rhodier bei Samos sich mit ihr vereinigten, war
Polyxenidas abermals genöthigt sich in den Hafen von Ephe-
sos einzuschlieſsen. Da er die angebotene Seeschlacht ver-
weigerte und bei der geringen Zahl der römischen Mannschaft
an einen Angriff von der Landseite nicht zu denken war,
blieb auch der römischen Flotte nichts übrig als gleichfalls
sich bei Samos aufzustellen. Eine Abtheilung ging nach Pa-
tara an die lykische Küste, um theils den Rhodiern gegen die
sehr beschwerlichen von dorther auf sie gerichteten Angriffe
Ruhe zu verschaffen, theils und vornämlich um die feindliche
Flotte, die an der Südküste erwartet ward, vom aegaeischen
Meer abzusperren. Als dieses Geschwader gegen Patara nichts
ausrichtete, erzürnte der neue Admiral Lucius Aemilius Regil-
lus, der mit 20 Kriegsschiffen von Rom angelangt war und
bei Samos den Gaius Livius abgelöst hatte, sich darüber so
sehr, daſs er mit der ganzen Flotte dorthin aufbrach; kaum
gelang es seinen Offizieren ihm unterwegs begreiflich zu ma-
chen, daſs es zunächst nicht auf die Eroberung von Patara
ankomme, sondern auf die Beherrschung des aegaeischen
Meeres, und ihn zur Umkehr nach Samos zu bestimmen. Auf
dem kleinasiatischen Festland hatte mittlerweile Seleukos die
Belagerung von Pergamon begonnen, während Antiochos mit
dem Hauptheer das pergamenische Gebiet und die Besitzun-
gen der Mytilenaeer auf dem Festland verwüstete; man hoffte
mit dem verhaſsten Eumenes fertig zu werden, bevor die rö-
mische Hülfe erschien. Die römische Flotte ging nach Elaea

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[554/0568] DRITTES BUCH. KAPITEL IX. Höhe von Ephesos beobachten und ging mit dem gröſsten Theil der römischen und den pergamenischen Schiffen nach dem Hellespont, um seinem Auftrag nachzukommen und durch die Wegnahme der Festungen daselbst den Uebergang des Landheers vorzubereiten. Schon war Sestos besetzt und Aby- dos aufs Aeuſserste gebracht, als ihn die Kunde von der Nie- derlage der rhodischen Flotte zurückrief. Der rhodische Ad- miral Pausistratos, eingeschläfert durch die Vorspiegelungen seines Landsmannes von Antiochos abfallen zu wollen, hatte sich im Hafen von Samos überrumpeln lassen; er selbst war gefallen, seine sämmtlichen Schiffe bis auf fünf rhodische und zwei koische Segel waren vernichtet, Samos, Phokaea, Kyme auf diese Botschaft zu Seleukos übergetreten, der in diesen Gegenden für seinen Vater den Oberbefehl zu Lande führte. Indeſs als die römische Flotte theils von Kane, theils vom Hellespont herbeikam und nach einiger Zeit zwanzig neue Schiffe der Rhodier bei Samos sich mit ihr vereinigten, war Polyxenidas abermals genöthigt sich in den Hafen von Ephe- sos einzuschlieſsen. Da er die angebotene Seeschlacht ver- weigerte und bei der geringen Zahl der römischen Mannschaft an einen Angriff von der Landseite nicht zu denken war, blieb auch der römischen Flotte nichts übrig als gleichfalls sich bei Samos aufzustellen. Eine Abtheilung ging nach Pa- tara an die lykische Küste, um theils den Rhodiern gegen die sehr beschwerlichen von dorther auf sie gerichteten Angriffe Ruhe zu verschaffen, theils und vornämlich um die feindliche Flotte, die an der Südküste erwartet ward, vom aegaeischen Meer abzusperren. Als dieses Geschwader gegen Patara nichts ausrichtete, erzürnte der neue Admiral Lucius Aemilius Regil- lus, der mit 20 Kriegsschiffen von Rom angelangt war und bei Samos den Gaius Livius abgelöst hatte, sich darüber so sehr, daſs er mit der ganzen Flotte dorthin aufbrach; kaum gelang es seinen Offizieren ihm unterwegs begreiflich zu ma- chen, daſs es zunächst nicht auf die Eroberung von Patara ankomme, sondern auf die Beherrschung des aegaeischen Meeres, und ihn zur Umkehr nach Samos zu bestimmen. Auf dem kleinasiatischen Festland hatte mittlerweile Seleukos die Belagerung von Pergamon begonnen, während Antiochos mit dem Hauptheer das pergamenische Gebiet und die Besitzun- gen der Mytilenaeer auf dem Festland verwüstete; man hoffte mit dem verhaſsten Eumenes fertig zu werden, bevor die rö- mische Hülfe erschien. Die römische Flotte ging nach Elaea

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/568>, abgerufen am 19.05.2024.