Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. Er bewerkstelligte seinen Rückzug so geschickt, dass Galba,der den verwegenen Entschluss fasste ihm zu folgen, seine Spur verlor und Philippos den Engpass, der die Landschaften Lynkestis und Eordaea scheidet, auf Seitenwegen erreichen und besetzen konnte, an welchem die Römer zu erwarten und ihnen die Schlacht zu liefern er entschlossen war. So weit gelang sein Plan. Aber die langen makedonischen Speere erwiesen sich als unbrauchbar auf dem waldigen und unglei- chen Terrain; die Makedonier wurden theils umgangen, theils durchbrochen und verloren viele Leute. Indess wenn auch Philippos Heer nach diesem unglücklichen Treffen nicht länger im Stande war den Römern das weitere Vordringen zu weh- ren, so scheuten sich doch diese selber in dem unwegsamen und feindlichen Land weiter unbekannten Gefahren entgegen zu ziehen und kehrten zurück nach Apollonia, nachdem sie die frucht- baren Landschaften Hochmakedoniens Eordaea, Elymaea, Orestis verwüstet und die bedeutendste Stadt von Orestis Keletron (jetzt Kastoria auf einer Halbinsel in dem gleichnamigen See) sich ihnen ergeben hatte -- es war die einzige makedonische Stadt, die den Römern ihre Thore öffnete. Im illyrischen Land ward die Stadt der Dassaretier Pelion, an den obern Zuflüssen des Apsos, erstürmt und stark besetzt, um auf einem ähnlichen Zug künftig als Basis zu dienen. -- Philippos störte die römi- sche Hauptarmee auf ihrem Rückzug nicht, sondern wandte sich in Gewaltmärschen gegen die Aetoler und Athamanen, die in der Meinung, dass die Legionen den König beschäftig- ten, das reiche Thal des Peneios furcht- und rücksichtslos plünderten, schlug sie vollständig und nöthigte was nicht fiel sich einzeln auf den ihnen wohlbekannten Bergpfaden zu retten. Durch diese Niederlage und ebenso sehr durch die starken Werbungen, die in Aetolien für aegyptische Rechnung stattfanden, schwand die Streitkraft der Eidgenossenschaft un- gemein zusammen. Die Dardaner wurden von dem Führer der leichten Truppen Philipps Athenagoras ohne Mühe und mit starkem Verlust über die Berge zurückgejagt. Die römi- sche Flotte richtete auch nicht viel aus; sie verjagte die ma- kedonische Besatzung von Andros, suchte Euboea und Skiathos heim und machte dann Versuche auf die chalkidische Halb- insel, die aber bei Mende die makedonische Besatzung kräftig zurückwies. Der Rest des Sommers verging mit der Einnahme von Oreos auf Euboea, welche durch die entschlossene Ver- theidigung der makedonischen Besatzung lange verzögert ward. DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. Er bewerkstelligte seinen Rückzug so geschickt, daſs Galba,der den verwegenen Entschluſs faſste ihm zu folgen, seine Spur verlor und Philippos den Engpaſs, der die Landschaften Lynkestis und Eordaea scheidet, auf Seitenwegen erreichen und besetzen konnte, an welchem die Römer zu erwarten und ihnen die Schlacht zu liefern er entschlossen war. So weit gelang sein Plan. Aber die langen makedonischen Speere erwiesen sich als unbrauchbar auf dem waldigen und unglei- chen Terrain; die Makedonier wurden theils umgangen, theils durchbrochen und verloren viele Leute. Indeſs wenn auch Philippos Heer nach diesem unglücklichen Treffen nicht länger im Stande war den Römern das weitere Vordringen zu weh- ren, so scheuten sich doch diese selber in dem unwegsamen und feindlichen Land weiter unbekannten Gefahren entgegen zu ziehen und kehrten zurück nach Apollonia, nachdem sie die frucht- baren Landschaften Hochmakedoniens Eordaea, Elymaea, Orestis verwüstet und die bedeutendste Stadt von Orestis Keletron (jetzt Kastoria auf einer Halbinsel in dem gleichnamigen See) sich ihnen ergeben hatte — es war die einzige makedonische Stadt, die den Römern ihre Thore öffnete. Im illyrischen Land ward die Stadt der Dassaretier Pelion, an den obern Zuflüssen des Apsos, erstürmt und stark besetzt, um auf einem ähnlichen Zug künftig als Basis zu dienen. — Philippos störte die römi- sche Hauptarmee auf ihrem Rückzug nicht, sondern wandte sich in Gewaltmärschen gegen die Aetoler und Athamanen, die in der Meinung, daſs die Legionen den König beschäftig- ten, das reiche Thal des Peneios furcht- und rücksichtslos plünderten, schlug sie vollständig und nöthigte was nicht fiel sich einzeln auf den ihnen wohlbekannten Bergpfaden zu retten. Durch diese Niederlage und ebenso sehr durch die starken Werbungen, die in Aetolien für aegyptische Rechnung stattfanden, schwand die Streitkraft der Eidgenossenschaft un- gemein zusammen. Die Dardaner wurden von dem Führer der leichten Truppen Philipps Athenagoras ohne Mühe und mit starkem Verlust über die Berge zurückgejagt. Die römi- sche Flotte richtete auch nicht viel aus; sie verjagte die ma- kedonische Besatzung von Andros, suchte Euboea und Skiathos heim und machte dann Versuche auf die chalkidische Halb- insel, die aber bei Mende die makedonische Besatzung kräftig zurückwies. Der Rest des Sommers verging mit der Einnahme von Oreos auf Euboea, welche durch die entschlossene Ver- theidigung der makedonischen Besatzung lange verzögert ward. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0539" n="525"/><fw place="top" type="header">DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.</fw><lb/> Er bewerkstelligte seinen Rückzug so geschickt, daſs Galba,<lb/> der den verwegenen Entschluſs faſste ihm zu folgen, seine<lb/> Spur verlor und Philippos den Engpaſs, der die Landschaften<lb/> Lynkestis und Eordaea scheidet, auf Seitenwegen erreichen<lb/> und besetzen konnte, an welchem die Römer zu erwarten<lb/> und ihnen die Schlacht zu liefern er entschlossen war. So<lb/> weit gelang sein Plan. Aber die langen makedonischen Speere<lb/> erwiesen sich als unbrauchbar auf dem waldigen und unglei-<lb/> chen Terrain; die Makedonier wurden theils umgangen, theils<lb/> durchbrochen und verloren viele Leute. Indeſs wenn auch<lb/> Philippos Heer nach diesem unglücklichen Treffen nicht länger<lb/> im Stande war den Römern das weitere Vordringen zu weh-<lb/> ren, so scheuten sich doch diese selber in dem unwegsamen<lb/> und feindlichen Land weiter unbekannten Gefahren entgegen zu<lb/> ziehen und kehrten zurück nach Apollonia, nachdem sie die frucht-<lb/> baren Landschaften Hochmakedoniens Eordaea, Elymaea, Orestis<lb/> verwüstet und die bedeutendste Stadt von Orestis Keletron (jetzt<lb/> Kastoria auf einer Halbinsel in dem gleichnamigen See) sich<lb/> ihnen ergeben hatte — es war die einzige makedonische Stadt,<lb/> die den Römern ihre Thore öffnete. Im illyrischen Land ward<lb/> die Stadt der Dassaretier Pelion, an den obern Zuflüssen des<lb/> Apsos, erstürmt und stark besetzt, um auf einem ähnlichen<lb/> Zug künftig als Basis zu dienen. — Philippos störte die römi-<lb/> sche Hauptarmee auf ihrem Rückzug nicht, sondern wandte<lb/> sich in Gewaltmärschen gegen die Aetoler und Athamanen,<lb/> die in der Meinung, daſs die Legionen den König beschäftig-<lb/> ten, das reiche Thal des Peneios furcht- und rücksichtslos<lb/> plünderten, schlug sie vollständig und nöthigte was nicht fiel<lb/> sich einzeln auf den ihnen wohlbekannten Bergpfaden zu<lb/> retten. Durch diese Niederlage und ebenso sehr durch die<lb/> starken Werbungen, die in Aetolien für aegyptische Rechnung<lb/> stattfanden, schwand die Streitkraft der Eidgenossenschaft un-<lb/> gemein zusammen. Die Dardaner wurden von dem Führer<lb/> der leichten Truppen Philipps Athenagoras ohne Mühe und<lb/> mit starkem Verlust über die Berge zurückgejagt. Die römi-<lb/> sche Flotte richtete auch nicht viel aus; sie verjagte die ma-<lb/> kedonische Besatzung von Andros, suchte Euboea und Skiathos<lb/> heim und machte dann Versuche auf die chalkidische Halb-<lb/> insel, die aber bei Mende die makedonische Besatzung kräftig<lb/> zurückwies. Der Rest des Sommers verging mit der Einnahme<lb/> von Oreos auf Euboea, welche durch die entschlossene Ver-<lb/> theidigung der makedonischen Besatzung lange verzögert ward.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [525/0539]
DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
Er bewerkstelligte seinen Rückzug so geschickt, daſs Galba,
der den verwegenen Entschluſs faſste ihm zu folgen, seine
Spur verlor und Philippos den Engpaſs, der die Landschaften
Lynkestis und Eordaea scheidet, auf Seitenwegen erreichen
und besetzen konnte, an welchem die Römer zu erwarten
und ihnen die Schlacht zu liefern er entschlossen war. So
weit gelang sein Plan. Aber die langen makedonischen Speere
erwiesen sich als unbrauchbar auf dem waldigen und unglei-
chen Terrain; die Makedonier wurden theils umgangen, theils
durchbrochen und verloren viele Leute. Indeſs wenn auch
Philippos Heer nach diesem unglücklichen Treffen nicht länger
im Stande war den Römern das weitere Vordringen zu weh-
ren, so scheuten sich doch diese selber in dem unwegsamen
und feindlichen Land weiter unbekannten Gefahren entgegen zu
ziehen und kehrten zurück nach Apollonia, nachdem sie die frucht-
baren Landschaften Hochmakedoniens Eordaea, Elymaea, Orestis
verwüstet und die bedeutendste Stadt von Orestis Keletron (jetzt
Kastoria auf einer Halbinsel in dem gleichnamigen See) sich
ihnen ergeben hatte — es war die einzige makedonische Stadt,
die den Römern ihre Thore öffnete. Im illyrischen Land ward
die Stadt der Dassaretier Pelion, an den obern Zuflüssen des
Apsos, erstürmt und stark besetzt, um auf einem ähnlichen
Zug künftig als Basis zu dienen. — Philippos störte die römi-
sche Hauptarmee auf ihrem Rückzug nicht, sondern wandte
sich in Gewaltmärschen gegen die Aetoler und Athamanen,
die in der Meinung, daſs die Legionen den König beschäftig-
ten, das reiche Thal des Peneios furcht- und rücksichtslos
plünderten, schlug sie vollständig und nöthigte was nicht fiel
sich einzeln auf den ihnen wohlbekannten Bergpfaden zu
retten. Durch diese Niederlage und ebenso sehr durch die
starken Werbungen, die in Aetolien für aegyptische Rechnung
stattfanden, schwand die Streitkraft der Eidgenossenschaft un-
gemein zusammen. Die Dardaner wurden von dem Führer
der leichten Truppen Philipps Athenagoras ohne Mühe und
mit starkem Verlust über die Berge zurückgejagt. Die römi-
sche Flotte richtete auch nicht viel aus; sie verjagte die ma-
kedonische Besatzung von Andros, suchte Euboea und Skiathos
heim und machte dann Versuche auf die chalkidische Halb-
insel, die aber bei Mende die makedonische Besatzung kräftig
zurückwies. Der Rest des Sommers verging mit der Einnahme
von Oreos auf Euboea, welche durch die entschlossene Ver-
theidigung der makedonischen Besatzung lange verzögert ward.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |