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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
den Bundesgenossenkrieg beendigt und zu dem ersten Krieg
zwischen Makedonien und Rom wesentlich beigetragen hatte,
war erloschen; die achaeische Vermittlung blieb ohne Erfolg
und vergeblich bereiste Philippos die Städte und Inseln um
die Nation wieder zu entflammen -- es war das die Nemesis
für Kios und Abydos. Die Achaeer, da sie nicht ändern
konnten und nicht helfen mochten, blieben neutral.

Im Herbst des Jahres 554 landete der Consul Publius
Sulpicius Galba mit seinen beiden Legionen und 1000 numi-
dischen Reitern, ja sogar mit Elephanten, die aus der kartha-
gischen Beute herrührten, bei Apollonia; auf welche Nachricht
der König eilig vom Hellespont nach Thessalien zurückkehrte.
Indess theils die schon weit vorgerückte Jahreszeit, theils die
Erkrankung des römischen Feldherrn bewirkten, dass zu
Lande dies Jahr nichts weiter vorgenommen ward als eine
starke Recognoscirung, bei der die nächstliegenden Ortschaf-
ten, namentlich die makedonische Kolonie Antipatreia von den
Römern besetzt wurden. Mit den nördlichen Barbaren, na-
mentlich mit Pleuratos, dem damaligen Herrn von Skodra
und dem Dardanerfürsten Bato, die selbstverständlich eilten
die gute Gelegenheit zu nutzen, ward für das nächste Jahr
ein gemeinschaftlicher Angriff auf Makedonien verabredet. --
Wichtiger waren die Unternehmungen der römischen Flotte,
die 100 Deck- und 80 leichte Schiffe zählte. Während die
übrigen Schiffe bei Kerkyra für den Winter Station nahmen,
ging eine Abtheilung unter Gaius Claudius Cento nach dem
Peiraeeus, um den bedrängten Athenern Beistand zu leisten.
Da Cento die Landschaft gegen die Streifereien der korinthi-
schen Besatzung und die makedonischen Corsaren schon hin-
reichend gedeckt fand, segelte er weiter und erschien plötz-
lich vor Chalkis auf Euboea, dem Hauptwaffenplatz Philippos
in Griechenland, wo die Magazine, die Waffenvorräthe und
die Gefangenen aufbewahrt wurden und der Commandant So-
pater nichts weniger als einen römischen Angriff erwartete.
Die unvertheidigte Mauer ward erstiegen, die Besatzung nie-
dergemacht, die Gefangenen befreit und die Vorräthe ver-
brannt; leider fehlte es an Truppen um die wichtige Position
zu halten. Auf die Kunde von diesem Ueberfall brach Phi-
lippos in ungestümer Erbitterung sofort von Demetrias in
Thessalien auf nach Chalkis und da er hier nichts von dem
Feind mehr fand als die Brandstätte, weiter nach Athen, um
Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Allein die Ueberrumpelung

DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
den Bundesgenossenkrieg beendigt und zu dem ersten Krieg
zwischen Makedonien und Rom wesentlich beigetragen hatte,
war erloschen; die achaeische Vermittlung blieb ohne Erfolg
und vergeblich bereiste Philippos die Städte und Inseln um
die Nation wieder zu entflammen — es war das die Nemesis
für Kios und Abydos. Die Achaeer, da sie nicht ändern
konnten und nicht helfen mochten, blieben neutral.

Im Herbst des Jahres 554 landete der Consul Publius
Sulpicius Galba mit seinen beiden Legionen und 1000 numi-
dischen Reitern, ja sogar mit Elephanten, die aus der kartha-
gischen Beute herrührten, bei Apollonia; auf welche Nachricht
der König eilig vom Hellespont nach Thessalien zurückkehrte.
Indeſs theils die schon weit vorgerückte Jahreszeit, theils die
Erkrankung des römischen Feldherrn bewirkten, daſs zu
Lande dies Jahr nichts weiter vorgenommen ward als eine
starke Recognoscirung, bei der die nächstliegenden Ortschaf-
ten, namentlich die makedonische Kolonie Antipatreia von den
Römern besetzt wurden. Mit den nördlichen Barbaren, na-
mentlich mit Pleuratos, dem damaligen Herrn von Skodra
und dem Dardanerfürsten Bato, die selbstverständlich eilten
die gute Gelegenheit zu nutzen, ward für das nächste Jahr
ein gemeinschaftlicher Angriff auf Makedonien verabredet. —
Wichtiger waren die Unternehmungen der römischen Flotte,
die 100 Deck- und 80 leichte Schiffe zählte. Während die
übrigen Schiffe bei Kerkyra für den Winter Station nahmen,
ging eine Abtheilung unter Gaius Claudius Cento nach dem
Peiraeeus, um den bedrängten Athenern Beistand zu leisten.
Da Cento die Landschaft gegen die Streifereien der korinthi-
schen Besatzung und die makedonischen Corsaren schon hin-
reichend gedeckt fand, segelte er weiter und erschien plötz-
lich vor Chalkis auf Euboea, dem Hauptwaffenplatz Philippos
in Griechenland, wo die Magazine, die Waffenvorräthe und
die Gefangenen aufbewahrt wurden und der Commandant So-
pater nichts weniger als einen römischen Angriff erwartete.
Die unvertheidigte Mauer ward erstiegen, die Besatzung nie-
dergemacht, die Gefangenen befreit und die Vorräthe ver-
brannt; leider fehlte es an Truppen um die wichtige Position
zu halten. Auf die Kunde von diesem Ueberfall brach Phi-
lippos in ungestümer Erbitterung sofort von Demetrias in
Thessalien auf nach Chalkis und da er hier nichts von dem
Feind mehr fand als die Brandstätte, weiter nach Athen, um
Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Allein die Ueberrumpelung

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[522/0536] DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. den Bundesgenossenkrieg beendigt und zu dem ersten Krieg zwischen Makedonien und Rom wesentlich beigetragen hatte, war erloschen; die achaeische Vermittlung blieb ohne Erfolg und vergeblich bereiste Philippos die Städte und Inseln um die Nation wieder zu entflammen — es war das die Nemesis für Kios und Abydos. Die Achaeer, da sie nicht ändern konnten und nicht helfen mochten, blieben neutral. Im Herbst des Jahres 554 landete der Consul Publius Sulpicius Galba mit seinen beiden Legionen und 1000 numi- dischen Reitern, ja sogar mit Elephanten, die aus der kartha- gischen Beute herrührten, bei Apollonia; auf welche Nachricht der König eilig vom Hellespont nach Thessalien zurückkehrte. Indeſs theils die schon weit vorgerückte Jahreszeit, theils die Erkrankung des römischen Feldherrn bewirkten, daſs zu Lande dies Jahr nichts weiter vorgenommen ward als eine starke Recognoscirung, bei der die nächstliegenden Ortschaf- ten, namentlich die makedonische Kolonie Antipatreia von den Römern besetzt wurden. Mit den nördlichen Barbaren, na- mentlich mit Pleuratos, dem damaligen Herrn von Skodra und dem Dardanerfürsten Bato, die selbstverständlich eilten die gute Gelegenheit zu nutzen, ward für das nächste Jahr ein gemeinschaftlicher Angriff auf Makedonien verabredet. — Wichtiger waren die Unternehmungen der römischen Flotte, die 100 Deck- und 80 leichte Schiffe zählte. Während die übrigen Schiffe bei Kerkyra für den Winter Station nahmen, ging eine Abtheilung unter Gaius Claudius Cento nach dem Peiraeeus, um den bedrängten Athenern Beistand zu leisten. Da Cento die Landschaft gegen die Streifereien der korinthi- schen Besatzung und die makedonischen Corsaren schon hin- reichend gedeckt fand, segelte er weiter und erschien plötz- lich vor Chalkis auf Euboea, dem Hauptwaffenplatz Philippos in Griechenland, wo die Magazine, die Waffenvorräthe und die Gefangenen aufbewahrt wurden und der Commandant So- pater nichts weniger als einen römischen Angriff erwartete. Die unvertheidigte Mauer ward erstiegen, die Besatzung nie- dergemacht, die Gefangenen befreit und die Vorräthe ver- brannt; leider fehlte es an Truppen um die wichtige Position zu halten. Auf die Kunde von diesem Ueberfall brach Phi- lippos in ungestümer Erbitterung sofort von Demetrias in Thessalien auf nach Chalkis und da er hier nichts von dem Feind mehr fand als die Brandstätte, weiter nach Athen, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Allein die Ueberrumpelung

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/536>, abgerufen am 22.11.2024.