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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
Plan und Eifersucht auf Hannibals ihn beschämende Grösse.
Gewiss ist, dass sein späteres Benehmen nicht den Philippos
wieder erkennen lässt, an dessen Saumseligkeit Hannibals
Plan scheitert.

Philippos schloss den Vertrag mit den Römern und den
Aetolern 548/9 in der ernsten Absicht mit Rom einen dauern-
den Frieden zu machen und sich künftig ausschliesslich den
Angelegenheiten des Ostens zu widmen. Es leidet keinen
Zweifel, dass er Karthagos rasche Ueberwältigung ungern sah
und es kann sein, dass Hannibal auf eine zweite makedoni-
sche Kriegserklärung hoffte und dass Philippos im Stillen das
letzte karthagische Heer mit Söldnern verstärkte; allein sowohl
die weitschichtigen Dinge, in die er mittlerweile im Osten
sich einliess, als auch die Art der Unterstützung und beson-
ders das völlige Stillschweigen der Römer über diesen Frie-
densbruch, da sie doch nach Kriegsgründen suchten, setzen
es ausser Zweifel, dass Philippos keineswegs im Jahre 551
nachholen wollte, was er zehn Jahre zuvor hätte thun sollen.
-- Er hatte sein Auge nach einer ganz andern Seite gewen-
det. Ptolemaeos Philopator von Aegypten war 550 gestorben.
Gegen seinen Nachfolger Ptolemaeos Epiphanes, ein fünfjähri-
ges Kind, hatten die Könige von Makedonien und Asien Phi-
lippos und Antiochos sich vereinigt, um den alten Groll der
Continentalmonarchien gegen den Seestaat gründlich zu sät-
tigen. Der ägyptische Staat sollte aufgelöst werden, Aegypten
und Kypros an Antiochos, Kyrene, Ionien und die Kykladen
an Philippos fallen. Die Könige hatten zwar nicht bloss keinen
Kriegsgrund, sondern nicht einmal einen Kriegsvorwand; recht
in Philippos Art, der über solche Rücksichten lachte, begann man
nichts desto weniger den Krieg, ,eben wie die grossen Fische die
kleinen auffressen.' -- In einer Hinsicht hatte Philippos richtig
gerechnet. Aegypten hatte genug zu thun sich des näheren
Feindes in Syrien zu erwehren und musste die kleinasiatischen
Besitzungen und die Kykladen unvertheidigt preisgeben, als
Philippos auf diese als auf seinen Antheil an der Beute sich
warf. In dem Jahr, wo Karthago mit Rom den Frieden ab-
schloss (553), liess Philippos von den ihm unterthänigen Städ-
ten eine Flotte ausrüsten, die Truppen an Bord nahm und
an der thrakischen Küste hinaufsegelte. Hier ward Lysi-
macheia der aetolischen Besatzung entrissen, und Perinthos,
das zu Byzanz im Clientelverhältniss stand, gleichfalls besetzt.
So war mit den Byzantiern der Friede gebrochen, mit den

DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
Plan und Eifersucht auf Hannibals ihn beschämende Gröſse.
Gewiſs ist, daſs sein späteres Benehmen nicht den Philippos
wieder erkennen läſst, an dessen Saumseligkeit Hannibals
Plan scheitert.

Philippos schloſs den Vertrag mit den Römern und den
Aetolern 548/9 in der ernsten Absicht mit Rom einen dauern-
den Frieden zu machen und sich künftig ausschlieſslich den
Angelegenheiten des Ostens zu widmen. Es leidet keinen
Zweifel, daſs er Karthagos rasche Ueberwältigung ungern sah
und es kann sein, daſs Hannibal auf eine zweite makedoni-
sche Kriegserklärung hoffte und daſs Philippos im Stillen das
letzte karthagische Heer mit Söldnern verstärkte; allein sowohl
die weitschichtigen Dinge, in die er mittlerweile im Osten
sich einlieſs, als auch die Art der Unterstützung und beson-
ders das völlige Stillschweigen der Römer über diesen Frie-
densbruch, da sie doch nach Kriegsgründen suchten, setzen
es auſser Zweifel, daſs Philippos keineswegs im Jahre 551
nachholen wollte, was er zehn Jahre zuvor hätte thun sollen.
— Er hatte sein Auge nach einer ganz andern Seite gewen-
det. Ptolemaeos Philopator von Aegypten war 550 gestorben.
Gegen seinen Nachfolger Ptolemaeos Epiphanes, ein fünfjähri-
ges Kind, hatten die Könige von Makedonien und Asien Phi-
lippos und Antiochos sich vereinigt, um den alten Groll der
Continentalmonarchien gegen den Seestaat gründlich zu sät-
tigen. Der ägyptische Staat sollte aufgelöst werden, Aegypten
und Kypros an Antiochos, Kyrene, Ionien und die Kykladen
an Philippos fallen. Die Könige hatten zwar nicht bloſs keinen
Kriegsgrund, sondern nicht einmal einen Kriegsvorwand; recht
in Philippos Art, der über solche Rücksichten lachte, begann man
nichts desto weniger den Krieg, ‚eben wie die groſsen Fische die
kleinen auffressen.‘ — In einer Hinsicht hatte Philippos richtig
gerechnet. Aegypten hatte genug zu thun sich des näheren
Feindes in Syrien zu erwehren und muſste die kleinasiatischen
Besitzungen und die Kykladen unvertheidigt preisgeben, als
Philippos auf diese als auf seinen Antheil an der Beute sich
warf. In dem Jahr, wo Karthago mit Rom den Frieden ab-
schloſs (553), lieſs Philippos von den ihm unterthänigen Städ-
ten eine Flotte ausrüsten, die Truppen an Bord nahm und
an der thrakischen Küste hinaufsegelte. Hier ward Lysi-
macheia der aetolischen Besatzung entrissen, und Perinthos,
das zu Byzanz im Clientelverhältniſs stand, gleichfalls besetzt.
So war mit den Byzantiern der Friede gebrochen, mit den

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[512/0526] DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. Plan und Eifersucht auf Hannibals ihn beschämende Gröſse. Gewiſs ist, daſs sein späteres Benehmen nicht den Philippos wieder erkennen läſst, an dessen Saumseligkeit Hannibals Plan scheitert. Philippos schloſs den Vertrag mit den Römern und den Aetolern 548/9 in der ernsten Absicht mit Rom einen dauern- den Frieden zu machen und sich künftig ausschlieſslich den Angelegenheiten des Ostens zu widmen. Es leidet keinen Zweifel, daſs er Karthagos rasche Ueberwältigung ungern sah und es kann sein, daſs Hannibal auf eine zweite makedoni- sche Kriegserklärung hoffte und daſs Philippos im Stillen das letzte karthagische Heer mit Söldnern verstärkte; allein sowohl die weitschichtigen Dinge, in die er mittlerweile im Osten sich einlieſs, als auch die Art der Unterstützung und beson- ders das völlige Stillschweigen der Römer über diesen Frie- densbruch, da sie doch nach Kriegsgründen suchten, setzen es auſser Zweifel, daſs Philippos keineswegs im Jahre 551 nachholen wollte, was er zehn Jahre zuvor hätte thun sollen. — Er hatte sein Auge nach einer ganz andern Seite gewen- det. Ptolemaeos Philopator von Aegypten war 550 gestorben. Gegen seinen Nachfolger Ptolemaeos Epiphanes, ein fünfjähri- ges Kind, hatten die Könige von Makedonien und Asien Phi- lippos und Antiochos sich vereinigt, um den alten Groll der Continentalmonarchien gegen den Seestaat gründlich zu sät- tigen. Der ägyptische Staat sollte aufgelöst werden, Aegypten und Kypros an Antiochos, Kyrene, Ionien und die Kykladen an Philippos fallen. Die Könige hatten zwar nicht bloſs keinen Kriegsgrund, sondern nicht einmal einen Kriegsvorwand; recht in Philippos Art, der über solche Rücksichten lachte, begann man nichts desto weniger den Krieg, ‚eben wie die groſsen Fische die kleinen auffressen.‘ — In einer Hinsicht hatte Philippos richtig gerechnet. Aegypten hatte genug zu thun sich des näheren Feindes in Syrien zu erwehren und muſste die kleinasiatischen Besitzungen und die Kykladen unvertheidigt preisgeben, als Philippos auf diese als auf seinen Antheil an der Beute sich warf. In dem Jahr, wo Karthago mit Rom den Frieden ab- schloſs (553), lieſs Philippos von den ihm unterthänigen Städ- ten eine Flotte ausrüsten, die Truppen an Bord nahm und an der thrakischen Küste hinaufsegelte. Hier ward Lysi- macheia der aetolischen Besatzung entrissen, und Perinthos, das zu Byzanz im Clientelverhältniſs stand, gleichfalls besetzt. So war mit den Byzantiern der Friede gebrochen, mit den

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/526>, abgerufen am 19.05.2024.