Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. schaften besass. Seine Raubzüge zu Lande wie seine Piraten-schiffe am Vorgebirg Malea waren weit und breit gefürchtet, er selbst als niedrig und grausam verhasst; aber seine Herrschaft breitete sich aus und um die Zeit der Schlacht bei Zama war es ihm sogar gelungen sich in den Besitz von Messene zu setzen. -- Endlich die unabhängigste Stellung unter den Mittelstaaten hatten die freien griechischen Kaufstädte an dem europäischen Ufer der Propontis so wie auf der ganzen kleinasiatischen Küste und auf den Inseln des aegaeischen Meeres; sie sind zugleich die lichteste Seite in dieser trüben Mannichfaltigkeit des hellenistischen Staatensystems. Es sind vor allem drei Städte, die seit Alexanders Tode wieder volle Freiheit genos- sen und durch ihren thätigen Seehandel auch zu einer acht- baren politischen Macht und selbst zu bedeutendem Landge- biet gelangten: Byzantion, die Herrin des Bosporos und des wichtigen Kornhandels nach dem schwarzen Meer so wie der Sundzölle; Kyzikos an der asiatischen Propontis, die Tochter- stadt und die Erbin Milets, in engsten Beziehungen zu dem Hofe von Pergamon, und endlich und vor allen Rhodos. Die Rhodier, die gleich nach Alexanders Tode die makedonische Besatzung vertrieben hatten, waren durch ihre glückliche Lage für Handel und Schifffahrt Vermittler des Verkehrs in dem ganzen östlichen Mittelmeer geworden und die tüchtige Flotte wie der in der berühmten Belagerung von 450 bewährte Muth der Bürger setzten sie in den Stand in jener Zeit ewiger Feh- den aller gegen alle vorsichtig und energisch eine neutrale Handelspolitik zu vertreten und wenn es galt zu verfechten; wie sie denn zum Beispiel die Byzantier mit den Waffen zwangen den rhodischen Schiffen Zollfreiheit im Bosporus zu gestatten und ebensowenig die pergamenischen Dynasten das schwarze Meer sperren liessen. Vom Landkrieg hielten sie sich dagegen wo möglich fern, obwohl sie an der gegenüberliegenden kari- schen Küste nicht unbeträchtliche Besitzungen erworben hatten, und führten ihn, wenn es nicht anders sein konnte, mit Söld- nern. Nach allen Seiten hin, mit Syrakus, Makedonien und Syrien, vor allem aber mit Aegypten standen sie in freund- schaftlichen Beziehungen und genossen hoher Achtung bei den Höfen, so dass nicht selten in den Kriegen der Gross- staaten ihre Vermittlung angerufen ward. Ganz besonders aber nahmen sie sich der griechischen Seestädte an, die im pontischen, im bithynischen und pergamenischen Reich oder auf den von Aegypten den Seleukiden entrissenen kleinasiati- DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG. schaften besaſs. Seine Raubzüge zu Lande wie seine Piraten-schiffe am Vorgebirg Malea waren weit und breit gefürchtet, er selbst als niedrig und grausam verhaſst; aber seine Herrschaft breitete sich aus und um die Zeit der Schlacht bei Zama war es ihm sogar gelungen sich in den Besitz von Messene zu setzen. — Endlich die unabhängigste Stellung unter den Mittelstaaten hatten die freien griechischen Kaufstädte an dem europäischen Ufer der Propontis so wie auf der ganzen kleinasiatischen Küste und auf den Inseln des aegaeischen Meeres; sie sind zugleich die lichteste Seite in dieser trüben Mannichfaltigkeit des hellenistischen Staatensystems. Es sind vor allem drei Städte, die seit Alexanders Tode wieder volle Freiheit genos- sen und durch ihren thätigen Seehandel auch zu einer acht- baren politischen Macht und selbst zu bedeutendem Landge- biet gelangten: Byzantion, die Herrin des Bosporos und des wichtigen Kornhandels nach dem schwarzen Meer so wie der Sundzölle; Kyzikos an der asiatischen Propontis, die Tochter- stadt und die Erbin Milets, in engsten Beziehungen zu dem Hofe von Pergamon, und endlich und vor allen Rhodos. Die Rhodier, die gleich nach Alexanders Tode die makedonische Besatzung vertrieben hatten, waren durch ihre glückliche Lage für Handel und Schifffahrt Vermittler des Verkehrs in dem ganzen östlichen Mittelmeer geworden und die tüchtige Flotte wie der in der berühmten Belagerung von 450 bewährte Muth der Bürger setzten sie in den Stand in jener Zeit ewiger Feh- den aller gegen alle vorsichtig und energisch eine neutrale Handelspolitik zu vertreten und wenn es galt zu verfechten; wie sie denn zum Beispiel die Byzantier mit den Waffen zwangen den rhodischen Schiffen Zollfreiheit im Bosporus zu gestatten und ebensowenig die pergamenischen Dynasten das schwarze Meer sperren lieſsen. Vom Landkrieg hielten sie sich dagegen wo möglich fern, obwohl sie an der gegenüberliegenden kari- schen Küste nicht unbeträchtliche Besitzungen erworben hatten, und führten ihn, wenn es nicht anders sein konnte, mit Söld- nern. Nach allen Seiten hin, mit Syrakus, Makedonien und Syrien, vor allem aber mit Aegypten standen sie in freund- schaftlichen Beziehungen und genossen hoher Achtung bei den Höfen, so daſs nicht selten in den Kriegen der Groſs- staaten ihre Vermittlung angerufen ward. Ganz besonders aber nahmen sie sich der griechischen Seestädte an, die im pontischen, im bithynischen und pergamenischen Reich oder auf den von Aegypten den Seleukiden entrissenen kleinasiati- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0523" n="509"/><fw place="top" type="header">DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.</fw><lb/> schaften besaſs. 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DER ZWEITE MAKEDONISCHE KRIEG.
schaften besaſs. Seine Raubzüge zu Lande wie seine Piraten-
schiffe am Vorgebirg Malea waren weit und breit gefürchtet, er
selbst als niedrig und grausam verhaſst; aber seine Herrschaft
breitete sich aus und um die Zeit der Schlacht bei Zama war es
ihm sogar gelungen sich in den Besitz von Messene zu setzen.
— Endlich die unabhängigste Stellung unter den Mittelstaaten
hatten die freien griechischen Kaufstädte an dem europäischen
Ufer der Propontis so wie auf der ganzen kleinasiatischen
Küste und auf den Inseln des aegaeischen Meeres; sie sind
zugleich die lichteste Seite in dieser trüben Mannichfaltigkeit
des hellenistischen Staatensystems. Es sind vor allem drei
Städte, die seit Alexanders Tode wieder volle Freiheit genos-
sen und durch ihren thätigen Seehandel auch zu einer acht-
baren politischen Macht und selbst zu bedeutendem Landge-
biet gelangten: Byzantion, die Herrin des Bosporos und des
wichtigen Kornhandels nach dem schwarzen Meer so wie der
Sundzölle; Kyzikos an der asiatischen Propontis, die Tochter-
stadt und die Erbin Milets, in engsten Beziehungen zu dem
Hofe von Pergamon, und endlich und vor allen Rhodos. Die
Rhodier, die gleich nach Alexanders Tode die makedonische
Besatzung vertrieben hatten, waren durch ihre glückliche Lage
für Handel und Schifffahrt Vermittler des Verkehrs in dem
ganzen östlichen Mittelmeer geworden und die tüchtige Flotte
wie der in der berühmten Belagerung von 450 bewährte Muth
der Bürger setzten sie in den Stand in jener Zeit ewiger Feh-
den aller gegen alle vorsichtig und energisch eine neutrale
Handelspolitik zu vertreten und wenn es galt zu verfechten;
wie sie denn zum Beispiel die Byzantier mit den Waffen zwangen
den rhodischen Schiffen Zollfreiheit im Bosporus zu gestatten
und ebensowenig die pergamenischen Dynasten das schwarze
Meer sperren lieſsen. Vom Landkrieg hielten sie sich dagegen
wo möglich fern, obwohl sie an der gegenüberliegenden kari-
schen Küste nicht unbeträchtliche Besitzungen erworben hatten,
und führten ihn, wenn es nicht anders sein konnte, mit Söld-
nern. Nach allen Seiten hin, mit Syrakus, Makedonien und
Syrien, vor allem aber mit Aegypten standen sie in freund-
schaftlichen Beziehungen und genossen hoher Achtung bei
den Höfen, so daſs nicht selten in den Kriegen der Groſs-
staaten ihre Vermittlung angerufen ward. Ganz besonders
aber nahmen sie sich der griechischen Seestädte an, die im
pontischen, im bithynischen und pergamenischen Reich oder
auf den von Aegypten den Seleukiden entrissenen kleinasiati-
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