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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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HANNIBALISCHER KRIEG.
das Ziel aller Operationen, und alle Anstrengung wie alles
Interesse knüpft sich daran die Isolirung Hannibals im süd-
lichen Italien aufzuheben oder zu verewigen.

Wäre es möglich gewesen unmittelbar nach der cannen-
sischen Schlacht alle die Hülfsmittel heranzuziehen, auf die
Hannibal sich Rechnung machen durfte, so konnte er des
Erfolgs ziemlich gewiss sein. Allein in Spanien war Has-
drubals Lage eben damals nach der Schlacht am Ebro so
bedenklich, dass die Anstrengungen an Geld und Mannschaft,
zu denen der cannensische Sieg die karthagische Bürgerschaft
angespannt hatte, grösstentheils für Spanien verwendet wurden,
ohne dass die Lage der Dinge dort dadurch besser geworden
wäre. Die Scipionen verlegten den Kriegsschauplatz im folgen-
den Feldzug (539) vom Ebro an den Guadalquivir und erfochten
in Andalusien, mitten im eigentlich karthagischen Gebiet, bei
Illiturgi und Intibili zwei glänzende Siege. In Sardinien mit
den Eingebornen angeknüpfte Verbindungen liessen die Kar-
thager hoffen, dass sie sich der Insel würden bemächtigen
können, die als Zwischenstation zwischen Spanien und Italien
von Wichtigkeit gewesen wäre. Indess Titus Manlius Tor-
quatus, der mit einem römischen Heer nach Sardinien ge-
sendet ward, vernichtete die karthagische Landungsarmee voll-
ständig und sicherte den Römern aufs neue den unbestrittenen
Besitz der Insel (539). Die nach Sicilien geschickten can-
nensischen Legionen behaupteten im Norden und Osten der
Insel sich muthig und glücklich gegen die Karthager und
Hieronymos, welcher letztere schon gegen Ende des Jahres
539 von Mörderhand seinen Tod fand. Selbst mit Makedonien
verzögerte sich die Ratification des Bündnisses, hauptsächlich
weil die makedonischen an Hannibal gesendeten Boten auf
der Rückreise von den römischen Kriegsschiffen aufgefangen
wurden. So unterblieb vorläufig die gefürchtete Invasion an
der Ostküste und die Römer gewannen Zeit die wichtigste
Station Brundisium zuerst mit der Flotte, alsdann auch mit
dem vor der Ankunft des Gracchus zur Deckung von Apulien
verwendeten Landheer zu sichern und für den Fall der
Kriegserklärung selbst einen Einfall in Makedonien vorzube-
reiten. Während also in Italien der Kampf zum Stehen und
Stocken kam, war ausserhalb Italien karthagischer Seits nichts
geschehen, was eine baldige Landung neuer Heere oder Flot-
ten in Italien gefördert hätte. Römischer Seits hatte man sich
dagegen mit der grössten Energie überall in Vertheidigungs-

HANNIBALISCHER KRIEG.
das Ziel aller Operationen, und alle Anstrengung wie alles
Interesse knüpft sich daran die Isolirung Hannibals im süd-
lichen Italien aufzuheben oder zu verewigen.

Wäre es möglich gewesen unmittelbar nach der cannen-
sischen Schlacht alle die Hülfsmittel heranzuziehen, auf die
Hannibal sich Rechnung machen durfte, so konnte er des
Erfolgs ziemlich gewiſs sein. Allein in Spanien war Has-
drubals Lage eben damals nach der Schlacht am Ebro so
bedenklich, daſs die Anstrengungen an Geld und Mannschaft,
zu denen der cannensische Sieg die karthagische Bürgerschaft
angespannt hatte, gröſstentheils für Spanien verwendet wurden,
ohne daſs die Lage der Dinge dort dadurch besser geworden
wäre. Die Scipionen verlegten den Kriegsschauplatz im folgen-
den Feldzug (539) vom Ebro an den Guadalquivir und erfochten
in Andalusien, mitten im eigentlich karthagischen Gebiet, bei
Illiturgi und Intibili zwei glänzende Siege. In Sardinien mit
den Eingebornen angeknüpfte Verbindungen lieſsen die Kar-
thager hoffen, daſs sie sich der Insel würden bemächtigen
können, die als Zwischenstation zwischen Spanien und Italien
von Wichtigkeit gewesen wäre. Indeſs Titus Manlius Tor-
quatus, der mit einem römischen Heer nach Sardinien ge-
sendet ward, vernichtete die karthagische Landungsarmee voll-
ständig und sicherte den Römern aufs neue den unbestrittenen
Besitz der Insel (539). Die nach Sicilien geschickten can-
nensischen Legionen behaupteten im Norden und Osten der
Insel sich muthig und glücklich gegen die Karthager und
Hieronymos, welcher letztere schon gegen Ende des Jahres
539 von Mörderhand seinen Tod fand. Selbst mit Makedonien
verzögerte sich die Ratification des Bündnisses, hauptsächlich
weil die makedonischen an Hannibal gesendeten Boten auf
der Rückreise von den römischen Kriegsschiffen aufgefangen
wurden. So unterblieb vorläufig die gefürchtete Invasion an
der Ostküste und die Römer gewannen Zeit die wichtigste
Station Brundisium zuerst mit der Flotte, alsdann auch mit
dem vor der Ankunft des Gracchus zur Deckung von Apulien
verwendeten Landheer zu sichern und für den Fall der
Kriegserklärung selbst einen Einfall in Makedonien vorzube-
reiten. Während also in Italien der Kampf zum Stehen und
Stocken kam, war auſserhalb Italien karthagischer Seits nichts
geschehen, was eine baldige Landung neuer Heere oder Flot-
ten in Italien gefördert hätte. Römischer Seits hatte man sich
dagegen mit der gröſsten Energie überall in Vertheidigungs-

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[437/0451] HANNIBALISCHER KRIEG. das Ziel aller Operationen, und alle Anstrengung wie alles Interesse knüpft sich daran die Isolirung Hannibals im süd- lichen Italien aufzuheben oder zu verewigen. Wäre es möglich gewesen unmittelbar nach der cannen- sischen Schlacht alle die Hülfsmittel heranzuziehen, auf die Hannibal sich Rechnung machen durfte, so konnte er des Erfolgs ziemlich gewiſs sein. Allein in Spanien war Has- drubals Lage eben damals nach der Schlacht am Ebro so bedenklich, daſs die Anstrengungen an Geld und Mannschaft, zu denen der cannensische Sieg die karthagische Bürgerschaft angespannt hatte, gröſstentheils für Spanien verwendet wurden, ohne daſs die Lage der Dinge dort dadurch besser geworden wäre. Die Scipionen verlegten den Kriegsschauplatz im folgen- den Feldzug (539) vom Ebro an den Guadalquivir und erfochten in Andalusien, mitten im eigentlich karthagischen Gebiet, bei Illiturgi und Intibili zwei glänzende Siege. In Sardinien mit den Eingebornen angeknüpfte Verbindungen lieſsen die Kar- thager hoffen, daſs sie sich der Insel würden bemächtigen können, die als Zwischenstation zwischen Spanien und Italien von Wichtigkeit gewesen wäre. Indeſs Titus Manlius Tor- quatus, der mit einem römischen Heer nach Sardinien ge- sendet ward, vernichtete die karthagische Landungsarmee voll- ständig und sicherte den Römern aufs neue den unbestrittenen Besitz der Insel (539). Die nach Sicilien geschickten can- nensischen Legionen behaupteten im Norden und Osten der Insel sich muthig und glücklich gegen die Karthager und Hieronymos, welcher letztere schon gegen Ende des Jahres 539 von Mörderhand seinen Tod fand. Selbst mit Makedonien verzögerte sich die Ratification des Bündnisses, hauptsächlich weil die makedonischen an Hannibal gesendeten Boten auf der Rückreise von den römischen Kriegsschiffen aufgefangen wurden. So unterblieb vorläufig die gefürchtete Invasion an der Ostküste und die Römer gewannen Zeit die wichtigste Station Brundisium zuerst mit der Flotte, alsdann auch mit dem vor der Ankunft des Gracchus zur Deckung von Apulien verwendeten Landheer zu sichern und für den Fall der Kriegserklärung selbst einen Einfall in Makedonien vorzube- reiten. Während also in Italien der Kampf zum Stehen und Stocken kam, war auſserhalb Italien karthagischer Seits nichts geschehen, was eine baldige Landung neuer Heere oder Flot- ten in Italien gefördert hätte. Römischer Seits hatte man sich dagegen mit der gröſsten Energie überall in Vertheidigungs-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/451>, abgerufen am 23.11.2024.