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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL III.
und 20000 zu Ross oder zu Wagen kämpfenden Soldaten rück-
ten die Führer der Kelten auf den Apennin zu, ehe Rom sich
von dieser Seite des Angriffs versah (529); man hatte nicht
erwartet, dass sie mit Vernachlässigung der römischen Festun-
gen an der Ostküste und des Schutzes der eigenen Stamm-
genossen geradeswegs gegen die Hauptstadt vorzugehen wagen
würden. Die Kelten schienen den Italikern dasselbe Schicksal
bereiten zu wollen, das nicht gar lange vorher Griechenland
erfahren hatte. Die Besorgnisse waren gross durch ganz Ita-
lien und selbst in Rom zitterte die Bürgerschaft, so dass man
es nicht verschmähte den wüsten Glauben der Masse, dass
Roms Untergang diesmal unvermeidlich und der römische
Boden vom Verhängniss gallisch zu werden bestimmt sei,
durch einen noch crasseren Aberglauben zu beschwichtigen
und zur Erfüllung des Schicksalspruchs einen gallischen Mann
und eine gallische Frau auf dem römischen Markt lebendig
zu begraben. Daneben traf man ernstlichere Anstalten. Von
den beiden consularischen Heeren, deren jedes etwa 25000
Mann zu Fuss und 1100 Reiter zählte, stand das eine unter
Gaius Atilius Regulus in Sardinien, das zweite unter Lucius
Aemilius Papus bei Ariminum; beide erhielten Befehl sich so
schnell wie möglich nach dem zunächst bedrohten Etrurien zu
begeben. Schon hatten gegen die mit Rom verbündeten Ceno-
manen und Veneter die Kelten eine Besatzung in der Heimath
zurücklassen müssen; jetzt ward auch der Landsturm der Um-
brer angewiesen von den heimischen Bergen herab in die Ebene
der Boier einzurücken und dem Feinde daheim jeden erdenk-
lichen Schaden zuzufügen. Die Landwehr der Etrusker und
Sabiner sollte den Apennin besetzen und wo möglich sperren,
bis die regulären Truppen eintreffen könnten. In Rom bil-
dete sich eine Reserve von 50000 Mann; durch ganz Italien,
das diesmal in Rom seinen rechten Vorkämpfer sah, wurde
die dienstfähige Mannschaft verzeichnet, Vorräthe und Kriegs-
material zusammengebracht. -- Indess alles das forderte Zeit;
man hatte einmal sich überrumpeln lassen und Etrurien zu
retten war es zu spät. Die Kelten fanden den Apennin kaum
vertheidigt und erreichten unangefochten die reichen Ebenen
des tuskischen Gebietes, das lange keinen Feind gesehen.

genannt. Die besten Sprachforscher sind darüber einig, dass das letzte
Wort nicht deutschen Ursprungs ist, sondern keltischen, und ,Schreier' be-
zeichnet; die Geschichte ihrerseits bestätigt dies, indem sie hier als Germanen
nicht die später so genannten Deutschen vorführt, sondern einen Keltenschwarm.

DRITTES BUCH. KAPITEL III.
und 20000 zu Roſs oder zu Wagen kämpfenden Soldaten rück-
ten die Führer der Kelten auf den Apennin zu, ehe Rom sich
von dieser Seite des Angriffs versah (529); man hatte nicht
erwartet, daſs sie mit Vernachlässigung der römischen Festun-
gen an der Ostküste und des Schutzes der eigenen Stamm-
genossen geradeswegs gegen die Hauptstadt vorzugehen wagen
würden. Die Kelten schienen den Italikern dasselbe Schicksal
bereiten zu wollen, das nicht gar lange vorher Griechenland
erfahren hatte. Die Besorgnisse waren groſs durch ganz Ita-
lien und selbst in Rom zitterte die Bürgerschaft, so daſs man
es nicht verschmähte den wüsten Glauben der Masse, daſs
Roms Untergang diesmal unvermeidlich und der römische
Boden vom Verhängniſs gallisch zu werden bestimmt sei,
durch einen noch crasseren Aberglauben zu beschwichtigen
und zur Erfüllung des Schicksalspruchs einen gallischen Mann
und eine gallische Frau auf dem römischen Markt lebendig
zu begraben. Daneben traf man ernstlichere Anstalten. Von
den beiden consularischen Heeren, deren jedes etwa 25000
Mann zu Fuſs und 1100 Reiter zählte, stand das eine unter
Gaius Atilius Regulus in Sardinien, das zweite unter Lucius
Aemilius Papus bei Ariminum; beide erhielten Befehl sich so
schnell wie möglich nach dem zunächst bedrohten Etrurien zu
begeben. Schon hatten gegen die mit Rom verbündeten Ceno-
manen und Veneter die Kelten eine Besatzung in der Heimath
zurücklassen müssen; jetzt ward auch der Landsturm der Um-
brer angewiesen von den heimischen Bergen herab in die Ebene
der Boier einzurücken und dem Feinde daheim jeden erdenk-
lichen Schaden zuzufügen. Die Landwehr der Etrusker und
Sabiner sollte den Apennin besetzen und wo möglich sperren,
bis die regulären Truppen eintreffen könnten. In Rom bil-
dete sich eine Reserve von 50000 Mann; durch ganz Italien,
das diesmal in Rom seinen rechten Vorkämpfer sah, wurde
die dienstfähige Mannschaft verzeichnet, Vorräthe und Kriegs-
material zusammengebracht. — Indeſs alles das forderte Zeit;
man hatte einmal sich überrumpeln lassen und Etrurien zu
retten war es zu spät. Die Kelten fanden den Apennin kaum
vertheidigt und erreichten unangefochten die reichen Ebenen
des tuskischen Gebietes, das lange keinen Feind gesehen.

genannt. Die besten Sprachforscher sind darüber einig, daſs das letzte
Wort nicht deutschen Ursprungs ist, sondern keltischen, und ‚Schreier‘ be-
zeichnet; die Geschichte ihrerseits bestätigt dies, indem sie hier als Germanen
nicht die später so genannten Deutschen vorführt, sondern einen Keltenschwarm.
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[374/0388] DRITTES BUCH. KAPITEL III. und 20000 zu Roſs oder zu Wagen kämpfenden Soldaten rück- ten die Führer der Kelten auf den Apennin zu, ehe Rom sich von dieser Seite des Angriffs versah (529); man hatte nicht erwartet, daſs sie mit Vernachlässigung der römischen Festun- gen an der Ostküste und des Schutzes der eigenen Stamm- genossen geradeswegs gegen die Hauptstadt vorzugehen wagen würden. Die Kelten schienen den Italikern dasselbe Schicksal bereiten zu wollen, das nicht gar lange vorher Griechenland erfahren hatte. Die Besorgnisse waren groſs durch ganz Ita- lien und selbst in Rom zitterte die Bürgerschaft, so daſs man es nicht verschmähte den wüsten Glauben der Masse, daſs Roms Untergang diesmal unvermeidlich und der römische Boden vom Verhängniſs gallisch zu werden bestimmt sei, durch einen noch crasseren Aberglauben zu beschwichtigen und zur Erfüllung des Schicksalspruchs einen gallischen Mann und eine gallische Frau auf dem römischen Markt lebendig zu begraben. Daneben traf man ernstlichere Anstalten. Von den beiden consularischen Heeren, deren jedes etwa 25000 Mann zu Fuſs und 1100 Reiter zählte, stand das eine unter Gaius Atilius Regulus in Sardinien, das zweite unter Lucius Aemilius Papus bei Ariminum; beide erhielten Befehl sich so schnell wie möglich nach dem zunächst bedrohten Etrurien zu begeben. Schon hatten gegen die mit Rom verbündeten Ceno- manen und Veneter die Kelten eine Besatzung in der Heimath zurücklassen müssen; jetzt ward auch der Landsturm der Um- brer angewiesen von den heimischen Bergen herab in die Ebene der Boier einzurücken und dem Feinde daheim jeden erdenk- lichen Schaden zuzufügen. Die Landwehr der Etrusker und Sabiner sollte den Apennin besetzen und wo möglich sperren, bis die regulären Truppen eintreffen könnten. In Rom bil- dete sich eine Reserve von 50000 Mann; durch ganz Italien, das diesmal in Rom seinen rechten Vorkämpfer sah, wurde die dienstfähige Mannschaft verzeichnet, Vorräthe und Kriegs- material zusammengebracht. — Indeſs alles das forderte Zeit; man hatte einmal sich überrumpeln lassen und Etrurien zu retten war es zu spät. Die Kelten fanden den Apennin kaum vertheidigt und erreichten unangefochten die reichen Ebenen des tuskischen Gebietes, das lange keinen Feind gesehen. * * genannt. Die besten Sprachforscher sind darüber einig, daſs das letzte Wort nicht deutschen Ursprungs ist, sondern keltischen, und ‚Schreier‘ be- zeichnet; die Geschichte ihrerseits bestätigt dies, indem sie hier als Germanen nicht die später so genannten Deutschen vorführt, sondern einen Keltenschwarm.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/388>, abgerufen am 23.11.2024.