der Rest in zehn Jahreszielern zu entrichten. Wenn ausser der Abtretung von Sicilien auch noch die der Inseln zwischen Italien und Sicilien in den definitiven Tractat aufgenommen ward, so kann hierin nur eine redactionelle Veränderung ge- funden werden; denn dass Karthago, wenn es Sicilien hin- gab, sich die längst von römischen Schiffen besetzte Insel Li- para nicht konnte vorbehalten wollen, versteht sich, und dass man absichtlich eine zweideutige Bestimmung in den Vertrag gesetzt habe, ist ein unwürdiger und unwahrscheinlicher Ver- dacht. -- So war man endlich einig. Der unbesiegte Feld- herr einer überwundenen Nation stieg herab von seinen lang- vertheidigten Bergen und übergab den neuen Herren der Insel die Festungen, die Karthago seit wenigstens vierhundert Jahren in ununterbrochenem Besitz gehabt und von deren Mauern alle Stürme der Hellenen erfolglos abgeprallt waren. Der Westen hatte Frieden (513).
Verweilen wir noch einen Augenblick bei dem Kampfe, welcher die römische Grenze vorrückte über den Meerring, der die Halbinsel einfasst. Er ist einer der längsten und schwersten, welchen die Römer geführt haben; die Soldaten, welche fochten in der entscheidenen Schlacht, waren zum guten Theil, als er begann, noch nicht geboren. Dennoch und trotz der unvergleichlich grossartigen Momente, die er darbietet, ist kaum ein anderer Krieg zu nennen, den die Römer so schlecht und so unsicher geführt haben, militärisch sowohl wie politisch. Es konnte das kaum anders sein; er steht inmitten eines Wechsels der politischen Systeme, zwi- schen der nicht mehr ausreichenden italischen Politik und der noch nicht gefundenen des Grossstaats. Der römische Senat und das römische Kriegswesen waren unübertrefflich organisirt für die rein italische Politik. Die Kriege, welche diese ver- anlasste, waren reine Continentalkriege und ruhten stets auf der in der Mitte der Halbinsel gelegenen Hauptstadt als der letzten Operationsbasis und demnächst auf der römischen Festungskette. Die Aufgaben waren vorzugsweise taktisch, nicht strategisch; Märsche und Operationen zählten nur an zweiter, an erster Stelle die Schlachten; der Festungskrieg war in der Kindheit; die See und der Seekrieg kamen kaum einmal beiläufig in Betracht. Es ist begreiflich, zumal wenn man nicht vergisst, dass in den damaligen Schlachten beim Mangel der Artillerie wesentlich immer das Handgemenge ent- schied, dass eine Rathversammlung diese Operationen zu diri-
ERSTER PUNISCHER KRIEG.
der Rest in zehn Jahreszielern zu entrichten. Wenn auſser der Abtretung von Sicilien auch noch die der Inseln zwischen Italien und Sicilien in den definitiven Tractat aufgenommen ward, so kann hierin nur eine redactionelle Veränderung ge- funden werden; denn daſs Karthago, wenn es Sicilien hin- gab, sich die längst von römischen Schiffen besetzte Insel Li- para nicht konnte vorbehalten wollen, versteht sich, und daſs man absichtlich eine zweideutige Bestimmung in den Vertrag gesetzt habe, ist ein unwürdiger und unwahrscheinlicher Ver- dacht. — So war man endlich einig. Der unbesiegte Feld- herr einer überwundenen Nation stieg herab von seinen lang- vertheidigten Bergen und übergab den neuen Herren der Insel die Festungen, die Karthago seit wenigstens vierhundert Jahren in ununterbrochenem Besitz gehabt und von deren Mauern alle Stürme der Hellenen erfolglos abgeprallt waren. Der Westen hatte Frieden (513).
Verweilen wir noch einen Augenblick bei dem Kampfe, welcher die römische Grenze vorrückte über den Meerring, der die Halbinsel einfaſst. Er ist einer der längsten und schwersten, welchen die Römer geführt haben; die Soldaten, welche fochten in der entscheidenen Schlacht, waren zum guten Theil, als er begann, noch nicht geboren. Dennoch und trotz der unvergleichlich groſsartigen Momente, die er darbietet, ist kaum ein anderer Krieg zu nennen, den die Römer so schlecht und so unsicher geführt haben, militärisch sowohl wie politisch. Es konnte das kaum anders sein; er steht inmitten eines Wechsels der politischen Systeme, zwi- schen der nicht mehr ausreichenden italischen Politik und der noch nicht gefundenen des Groſsstaats. Der römische Senat und das römische Kriegswesen waren unübertrefflich organisirt für die rein italische Politik. Die Kriege, welche diese ver- anlaſste, waren reine Continentalkriege und ruhten stets auf der in der Mitte der Halbinsel gelegenen Hauptstadt als der letzten Operationsbasis und demnächst auf der römischen Festungskette. Die Aufgaben waren vorzugsweise taktisch, nicht strategisch; Märsche und Operationen zählten nur an zweiter, an erster Stelle die Schlachten; der Festungskrieg war in der Kindheit; die See und der Seekrieg kamen kaum einmal beiläufig in Betracht. Es ist begreiflich, zumal wenn man nicht vergiſst, daſs in den damaligen Schlachten beim Mangel der Artillerie wesentlich immer das Handgemenge ent- schied, daſs eine Rathversammlung diese Operationen zu diri-
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[359/0373]
ERSTER PUNISCHER KRIEG.
der Rest in zehn Jahreszielern zu entrichten. Wenn auſser
der Abtretung von Sicilien auch noch die der Inseln zwischen
Italien und Sicilien in den definitiven Tractat aufgenommen
ward, so kann hierin nur eine redactionelle Veränderung ge-
funden werden; denn daſs Karthago, wenn es Sicilien hin-
gab, sich die längst von römischen Schiffen besetzte Insel Li-
para nicht konnte vorbehalten wollen, versteht sich, und daſs
man absichtlich eine zweideutige Bestimmung in den Vertrag
gesetzt habe, ist ein unwürdiger und unwahrscheinlicher Ver-
dacht. — So war man endlich einig. Der unbesiegte Feld-
herr einer überwundenen Nation stieg herab von seinen lang-
vertheidigten Bergen und übergab den neuen Herren der Insel
die Festungen, die Karthago seit wenigstens vierhundert Jahren
in ununterbrochenem Besitz gehabt und von deren Mauern alle
Stürme der Hellenen erfolglos abgeprallt waren. Der Westen
hatte Frieden (513).
Verweilen wir noch einen Augenblick bei dem Kampfe,
welcher die römische Grenze vorrückte über den Meerring,
der die Halbinsel einfaſst. Er ist einer der längsten und
schwersten, welchen die Römer geführt haben; die Soldaten,
welche fochten in der entscheidenen Schlacht, waren zum
guten Theil, als er begann, noch nicht geboren. Dennoch
und trotz der unvergleichlich groſsartigen Momente, die er
darbietet, ist kaum ein anderer Krieg zu nennen, den die
Römer so schlecht und so unsicher geführt haben, militärisch
sowohl wie politisch. Es konnte das kaum anders sein; er
steht inmitten eines Wechsels der politischen Systeme, zwi-
schen der nicht mehr ausreichenden italischen Politik und der
noch nicht gefundenen des Groſsstaats. Der römische Senat
und das römische Kriegswesen waren unübertrefflich organisirt
für die rein italische Politik. Die Kriege, welche diese ver-
anlaſste, waren reine Continentalkriege und ruhten stets auf
der in der Mitte der Halbinsel gelegenen Hauptstadt als der
letzten Operationsbasis und demnächst auf der römischen
Festungskette. Die Aufgaben waren vorzugsweise taktisch,
nicht strategisch; Märsche und Operationen zählten nur an
zweiter, an erster Stelle die Schlachten; der Festungskrieg
war in der Kindheit; die See und der Seekrieg kamen kaum
einmal beiläufig in Betracht. Es ist begreiflich, zumal wenn
man nicht vergiſst, daſs in den damaligen Schlachten beim
Mangel der Artillerie wesentlich immer das Handgemenge ent-
schied, daſs eine Rathversammlung diese Operationen zu diri-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/373>, abgerufen am 23.11.2024.
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