Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

ERSTER PUNISCHER KRIEG.
es begriffen das viele, aber Hamilkar allein fasste den Plan
sie zu schaffen. Er wusste wohl, dass man von Karthago aus
ihn nicht unterstützen, dass man kein punisches, nicht einmal
ein libysches Heer ihm zusenden, sondern mit seinen Söld-
nern ihn fechten lassen werde; dass er höchstens erwarten
könne die Erlaubniss zu erhalten das Vaterland auf eigene
Faust zu retten, vorausgesetzt dass es nichts koste. Allein er
kannte auch sich und die Menschen. An Karthago lag seinen
Söldnern freilich nichts; aber der ächte Feldherr vermag es
den Soldaten an die Stelle des Vaterlandes seine eigene Per-
sönlichkeit zu setzen, und ein solcher war der junge General.
Nachdem er die Seinigen im Postenkrieg vor Drepana und
Lilybaeon hinreichend geübt und sie gewöhnt hatte dem Le-
gionar ins Auge zu sehen, setzte er sich mit ihnen auf dem
Berge Eirkte (Monte Pellegrino bei Palermo), der gleich einer
Festung das umliegende Land beherrschte. Seine Söldner
richteten hier häuslich sich ein mit ihren Frauen und Kin-
dern; von hier aus liess er das platte Land durchstreifen, wäh-
rend Kaper die italische Küste bis Kyme brandschatzten und
ernährte seine Leute reichlich, ohne von den Karthagern Geld
zu begehren; zur See mit Drepana die Verbindung unterhal-
tend bedrohte er in nächster Nähe das wichtige Panormos
mit Ueberrumpelung. Nicht bloss vermochten die Römer nicht
ihn von seinem Felsen zu vertreiben, sondern nachdem an der
Eirkte der Kampf eine Weile gewährt hatte, besetzte Hamilkar
auch die Stadt auf dem Eryx, von wo aus die Römer Drepana
beunruhigten. Den Felsengipfel mit dem Tempel der Aphro-
dite behielten die Römer in Händen, die das schlimmste Raub-
gesindel, das sich ihnen zugedrängt hatte, keltische Ueber-
läufer aus dem karthagischen Heer auf diesen verlorenen
Posten stellten; Hamilkar belagerte sie, die die Zeit dazu be-
nutzten den Tempel zu plündern und Schändlichkeiten aller Art
zu verüben, von seiner Stadt aus, die auf der halben Höhe
des Berges lag, unbekümmert um die von der Ebene her ihrer-
seits ihn blokirenden Römer, da er zur See mit der Flotte
und der Besatzung von Drepana die Verbindung sich offen
hielt. -- Es schien der Krieg eine immer ungünstigere Wen-
dung für die Römer zu nehmen. In dem sicilischen Krieg
kam der Staat um sein Geld und seine Soldaten wie die Feld-
herren um ihre Ehre; es war schon klar, dass dem Hamilkar
kein römischer General gewachsen war und die Zeit liess sich
berechnen, wo auch der karthagische Söldner sich dreist würde

23*

ERSTER PUNISCHER KRIEG.
es begriffen das viele, aber Hamilkar allein faſste den Plan
sie zu schaffen. Er wuſste wohl, daſs man von Karthago aus
ihn nicht unterstützen, daſs man kein punisches, nicht einmal
ein libysches Heer ihm zusenden, sondern mit seinen Söld-
nern ihn fechten lassen werde; daſs er höchstens erwarten
könne die Erlaubniſs zu erhalten das Vaterland auf eigene
Faust zu retten, vorausgesetzt daſs es nichts koste. Allein er
kannte auch sich und die Menschen. An Karthago lag seinen
Söldnern freilich nichts; aber der ächte Feldherr vermag es
den Soldaten an die Stelle des Vaterlandes seine eigene Per-
sönlichkeit zu setzen, und ein solcher war der junge General.
Nachdem er die Seinigen im Postenkrieg vor Drepana und
Lilybaeon hinreichend geübt und sie gewöhnt hatte dem Le-
gionar ins Auge zu sehen, setzte er sich mit ihnen auf dem
Berge Eirkte (Monte Pellegrino bei Palermo), der gleich einer
Festung das umliegende Land beherrschte. Seine Söldner
richteten hier häuslich sich ein mit ihren Frauen und Kin-
dern; von hier aus lieſs er das platte Land durchstreifen, wäh-
rend Kaper die italische Küste bis Kyme brandschatzten und
ernährte seine Leute reichlich, ohne von den Karthagern Geld
zu begehren; zur See mit Drepana die Verbindung unterhal-
tend bedrohte er in nächster Nähe das wichtige Panormos
mit Ueberrumpelung. Nicht bloſs vermochten die Römer nicht
ihn von seinem Felsen zu vertreiben, sondern nachdem an der
Eirkte der Kampf eine Weile gewährt hatte, besetzte Hamilkar
auch die Stadt auf dem Eryx, von wo aus die Römer Drepana
beunruhigten. Den Felsengipfel mit dem Tempel der Aphro-
dite behielten die Römer in Händen, die das schlimmste Raub-
gesindel, das sich ihnen zugedrängt hatte, keltische Ueber-
läufer aus dem karthagischen Heer auf diesen verlorenen
Posten stellten; Hamilkar belagerte sie, die die Zeit dazu be-
nutzten den Tempel zu plündern und Schändlichkeiten aller Art
zu verüben, von seiner Stadt aus, die auf der halben Höhe
des Berges lag, unbekümmert um die von der Ebene her ihrer-
seits ihn blokirenden Römer, da er zur See mit der Flotte
und der Besatzung von Drepana die Verbindung sich offen
hielt. — Es schien der Krieg eine immer ungünstigere Wen-
dung für die Römer zu nehmen. In dem sicilischen Krieg
kam der Staat um sein Geld und seine Soldaten wie die Feld-
herren um ihre Ehre; es war schon klar, daſs dem Hamilkar
kein römischer General gewachsen war und die Zeit lieſs sich
berechnen, wo auch der karthagische Söldner sich dreist würde

23*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0369" n="355"/><fw place="top" type="header">ERSTER PUNISCHER KRIEG.</fw><lb/>
es begriffen das viele, aber Hamilkar allein fa&#x017F;ste den Plan<lb/>
sie zu schaffen. Er wu&#x017F;ste wohl, da&#x017F;s man von Karthago aus<lb/>
ihn nicht unterstützen, da&#x017F;s man kein punisches, nicht einmal<lb/>
ein libysches Heer ihm zusenden, sondern mit seinen Söld-<lb/>
nern ihn fechten lassen werde; da&#x017F;s er höchstens erwarten<lb/>
könne die Erlaubni&#x017F;s zu erhalten das Vaterland auf eigene<lb/>
Faust zu retten, vorausgesetzt da&#x017F;s es nichts koste. Allein er<lb/>
kannte auch sich und die Menschen. An Karthago lag seinen<lb/>
Söldnern freilich nichts; aber der ächte Feldherr vermag es<lb/>
den Soldaten an die Stelle des Vaterlandes seine eigene Per-<lb/>
sönlichkeit zu setzen, und ein solcher war der junge General.<lb/>
Nachdem er die Seinigen im Postenkrieg vor Drepana und<lb/>
Lilybaeon hinreichend geübt und sie gewöhnt hatte dem Le-<lb/>
gionar ins Auge zu sehen, setzte er sich mit ihnen auf dem<lb/>
Berge Eirkte (Monte Pellegrino bei Palermo), der gleich einer<lb/>
Festung das umliegende Land beherrschte. Seine Söldner<lb/>
richteten hier häuslich sich ein mit ihren Frauen und Kin-<lb/>
dern; von hier aus lie&#x017F;s er das platte Land durchstreifen, wäh-<lb/>
rend Kaper die italische Küste bis Kyme brandschatzten und<lb/>
ernährte seine Leute reichlich, ohne von den Karthagern Geld<lb/>
zu begehren; zur See mit Drepana die Verbindung unterhal-<lb/>
tend bedrohte er in nächster Nähe das wichtige Panormos<lb/>
mit Ueberrumpelung. Nicht blo&#x017F;s vermochten die Römer nicht<lb/>
ihn von seinem Felsen zu vertreiben, sondern nachdem an der<lb/>
Eirkte der Kampf eine Weile gewährt hatte, besetzte Hamilkar<lb/>
auch die Stadt auf dem Eryx, von wo aus die Römer Drepana<lb/>
beunruhigten. Den Felsengipfel mit dem Tempel der Aphro-<lb/>
dite behielten die Römer in Händen, die das schlimmste Raub-<lb/>
gesindel, das sich ihnen zugedrängt hatte, keltische Ueber-<lb/>
läufer aus dem karthagischen Heer auf diesen verlorenen<lb/>
Posten stellten; Hamilkar belagerte sie, die die Zeit dazu be-<lb/>
nutzten den Tempel zu plündern und Schändlichkeiten aller Art<lb/>
zu verüben, von seiner Stadt aus, die auf der halben Höhe<lb/>
des Berges lag, unbekümmert um die von der Ebene her ihrer-<lb/>
seits ihn blokirenden Römer, da er zur See mit der Flotte<lb/>
und der Besatzung von Drepana die Verbindung sich offen<lb/>
hielt. &#x2014; Es schien der Krieg eine immer ungünstigere Wen-<lb/>
dung für die Römer zu nehmen. In dem sicilischen Krieg<lb/>
kam der Staat um sein Geld und seine Soldaten wie die Feld-<lb/>
herren um ihre Ehre; es war schon klar, da&#x017F;s dem Hamilkar<lb/>
kein römischer General gewachsen war und die Zeit lie&#x017F;s sich<lb/>
berechnen, wo auch der karthagische Söldner sich dreist würde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">23*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0369] ERSTER PUNISCHER KRIEG. es begriffen das viele, aber Hamilkar allein faſste den Plan sie zu schaffen. Er wuſste wohl, daſs man von Karthago aus ihn nicht unterstützen, daſs man kein punisches, nicht einmal ein libysches Heer ihm zusenden, sondern mit seinen Söld- nern ihn fechten lassen werde; daſs er höchstens erwarten könne die Erlaubniſs zu erhalten das Vaterland auf eigene Faust zu retten, vorausgesetzt daſs es nichts koste. Allein er kannte auch sich und die Menschen. An Karthago lag seinen Söldnern freilich nichts; aber der ächte Feldherr vermag es den Soldaten an die Stelle des Vaterlandes seine eigene Per- sönlichkeit zu setzen, und ein solcher war der junge General. Nachdem er die Seinigen im Postenkrieg vor Drepana und Lilybaeon hinreichend geübt und sie gewöhnt hatte dem Le- gionar ins Auge zu sehen, setzte er sich mit ihnen auf dem Berge Eirkte (Monte Pellegrino bei Palermo), der gleich einer Festung das umliegende Land beherrschte. Seine Söldner richteten hier häuslich sich ein mit ihren Frauen und Kin- dern; von hier aus lieſs er das platte Land durchstreifen, wäh- rend Kaper die italische Küste bis Kyme brandschatzten und ernährte seine Leute reichlich, ohne von den Karthagern Geld zu begehren; zur See mit Drepana die Verbindung unterhal- tend bedrohte er in nächster Nähe das wichtige Panormos mit Ueberrumpelung. Nicht bloſs vermochten die Römer nicht ihn von seinem Felsen zu vertreiben, sondern nachdem an der Eirkte der Kampf eine Weile gewährt hatte, besetzte Hamilkar auch die Stadt auf dem Eryx, von wo aus die Römer Drepana beunruhigten. Den Felsengipfel mit dem Tempel der Aphro- dite behielten die Römer in Händen, die das schlimmste Raub- gesindel, das sich ihnen zugedrängt hatte, keltische Ueber- läufer aus dem karthagischen Heer auf diesen verlorenen Posten stellten; Hamilkar belagerte sie, die die Zeit dazu be- nutzten den Tempel zu plündern und Schändlichkeiten aller Art zu verüben, von seiner Stadt aus, die auf der halben Höhe des Berges lag, unbekümmert um die von der Ebene her ihrer- seits ihn blokirenden Römer, da er zur See mit der Flotte und der Besatzung von Drepana die Verbindung sich offen hielt. — Es schien der Krieg eine immer ungünstigere Wen- dung für die Römer zu nehmen. In dem sicilischen Krieg kam der Staat um sein Geld und seine Soldaten wie die Feld- herren um ihre Ehre; es war schon klar, daſs dem Hamilkar kein römischer General gewachsen war und die Zeit lieſs sich berechnen, wo auch der karthagische Söldner sich dreist würde 23*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/369
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/369>, abgerufen am 17.05.2024.