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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL II.
Politik, indem er, so wie sich gezeigt hatte, dass es den Rö-
mern Ernst war mit dem Einschreiten in Sicilien, sich sofort
ihnen anschloss, als es noch Zeit war den Frieden ohne Abtre-
tungen und Opfer zu erkaufen. Die sicilischen Mittelstaaten,
Syrakus und Messana, die eine eigene Politik nicht durch-
führen konnten und nur zwischen römischer und karthagischer
Hegemonie zu wählen hatten, mussten jedenfalls die erstere
vorziehen, da die Römer damals sehr wahrscheinlich noch
nicht die Insel für sich zu erobern, sondern nur sie Karthago
zu entreissen beabsichtigten, und auf alle Fälle von Rom eine
leidliche Behandlung und Schutz der Handelsfreiheit zu er-
warten war anstatt des karthagischen Tyrannisir- und Mono-
polisirsystems. Hieron blieb seitdem der wichtigste, stand-
hafteste und geachtetste Bundesgenosse der Römer auf der
Insel. -- Für die Römer war hiermit das nächste Ziel erreicht.
Durch das Doppelbündniss mit Messana und Syrakus war die
Landung auf der Insel und die bis dahin sehr schwierige Unter-
haltung der Heere gesichert. Seit die Ostküste der Insel in
den Händen der Römer war, verlor der bisher bedenkliche
und unberechenbare Krieg einen grossen Theil seines wag-
lichen Charakters und machte zunächst nicht viel grössere
Schwierigkeiten als die Kriege in Samnium und Etrurien.
Die zwei Legionen, die man für das nächste Jahr (492) nach
der Insel hinübersandte, reichten aus, um im Einverständniss
mit den sicilischen Griechen die Karthager überall in die
Festungen zurückzutreiben. Der Oberbefehlshaber der Kar-
thager, Hannibal Gisgons Sohn, warf mit dem Kern seiner
Truppen sich in Akragas, um diese wichtigste karthagische
Landstadt aufs Aeusserste zu vertheidigen. Unfähig die feste
Stadt zu stürmen, blokirten die Römer sie mit verschanzten
Linien und einem doppelten Lager; die Eingeschlossenen,
die bis 50000 Köpfe zählten, litten bald Mangel am Noth-
wendigen. Zum Entsatz landete der karthagische Admiral
Hanno bei Herakleia und schnitt seinerseits der römischen
Belagerungsarmee die Zufuhr ab. Auf beiden Seiten war die
Noth gross; man entschloss sich endlich zu einer Schlacht,
um aus den Bedrängnissen und der Ungewissheit herauszu-
kommen. In dieser zeigte sich die numidische Reiterei eben
so sehr der römischen überlegen wie der punischen Infante-
rie das römische Fussvolk; das letztere entschied für Rom den
Sieg, allein die Verluste auch der Römer waren sehr beträcht-
lich und der Erfolg der gewonnenen Schlacht ward zum Theil

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Politik, indem er, so wie sich gezeigt hatte, daſs es den Rö-
mern Ernst war mit dem Einschreiten in Sicilien, sich sofort
ihnen anschloſs, als es noch Zeit war den Frieden ohne Abtre-
tungen und Opfer zu erkaufen. Die sicilischen Mittelstaaten,
Syrakus und Messana, die eine eigene Politik nicht durch-
führen konnten und nur zwischen römischer und karthagischer
Hegemonie zu wählen hatten, muſsten jedenfalls die erstere
vorziehen, da die Römer damals sehr wahrscheinlich noch
nicht die Insel für sich zu erobern, sondern nur sie Karthago
zu entreiſsen beabsichtigten, und auf alle Fälle von Rom eine
leidliche Behandlung und Schutz der Handelsfreiheit zu er-
warten war anstatt des karthagischen Tyrannisir- und Mono-
polisirsystems. Hieron blieb seitdem der wichtigste, stand-
hafteste und geachtetste Bundesgenosse der Römer auf der
Insel. — Für die Römer war hiermit das nächste Ziel erreicht.
Durch das Doppelbündniſs mit Messana und Syrakus war die
Landung auf der Insel und die bis dahin sehr schwierige Unter-
haltung der Heere gesichert. Seit die Ostküste der Insel in
den Händen der Römer war, verlor der bisher bedenkliche
und unberechenbare Krieg einen groſsen Theil seines wag-
lichen Charakters und machte zunächst nicht viel gröſsere
Schwierigkeiten als die Kriege in Samnium und Etrurien.
Die zwei Legionen, die man für das nächste Jahr (492) nach
der Insel hinübersandte, reichten aus, um im Einverständniſs
mit den sicilischen Griechen die Karthager überall in die
Festungen zurückzutreiben. Der Oberbefehlshaber der Kar-
thager, Hannibal Gisgons Sohn, warf mit dem Kern seiner
Truppen sich in Akragas, um diese wichtigste karthagische
Landstadt aufs Aeuſserste zu vertheidigen. Unfähig die feste
Stadt zu stürmen, blokirten die Römer sie mit verschanzten
Linien und einem doppelten Lager; die Eingeschlossenen,
die bis 50000 Köpfe zählten, litten bald Mangel am Noth-
wendigen. Zum Entsatz landete der karthagische Admiral
Hanno bei Herakleia und schnitt seinerseits der römischen
Belagerungsarmee die Zufuhr ab. Auf beiden Seiten war die
Noth groſs; man entschloſs sich endlich zu einer Schlacht,
um aus den Bedrängnissen und der Ungewiſsheit herauszu-
kommen. In dieser zeigte sich die numidische Reiterei eben
so sehr der römischen überlegen wie der punischen Infante-
rie das römische Fuſsvolk; das letztere entschied für Rom den
Sieg, allein die Verluste auch der Römer waren sehr beträcht-
lich und der Erfolg der gewonnenen Schlacht ward zum Theil

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[338/0352] DRITTES BUCH. KAPITEL II. Politik, indem er, so wie sich gezeigt hatte, daſs es den Rö- mern Ernst war mit dem Einschreiten in Sicilien, sich sofort ihnen anschloſs, als es noch Zeit war den Frieden ohne Abtre- tungen und Opfer zu erkaufen. Die sicilischen Mittelstaaten, Syrakus und Messana, die eine eigene Politik nicht durch- führen konnten und nur zwischen römischer und karthagischer Hegemonie zu wählen hatten, muſsten jedenfalls die erstere vorziehen, da die Römer damals sehr wahrscheinlich noch nicht die Insel für sich zu erobern, sondern nur sie Karthago zu entreiſsen beabsichtigten, und auf alle Fälle von Rom eine leidliche Behandlung und Schutz der Handelsfreiheit zu er- warten war anstatt des karthagischen Tyrannisir- und Mono- polisirsystems. Hieron blieb seitdem der wichtigste, stand- hafteste und geachtetste Bundesgenosse der Römer auf der Insel. — Für die Römer war hiermit das nächste Ziel erreicht. Durch das Doppelbündniſs mit Messana und Syrakus war die Landung auf der Insel und die bis dahin sehr schwierige Unter- haltung der Heere gesichert. Seit die Ostküste der Insel in den Händen der Römer war, verlor der bisher bedenkliche und unberechenbare Krieg einen groſsen Theil seines wag- lichen Charakters und machte zunächst nicht viel gröſsere Schwierigkeiten als die Kriege in Samnium und Etrurien. Die zwei Legionen, die man für das nächste Jahr (492) nach der Insel hinübersandte, reichten aus, um im Einverständniſs mit den sicilischen Griechen die Karthager überall in die Festungen zurückzutreiben. Der Oberbefehlshaber der Kar- thager, Hannibal Gisgons Sohn, warf mit dem Kern seiner Truppen sich in Akragas, um diese wichtigste karthagische Landstadt aufs Aeuſserste zu vertheidigen. Unfähig die feste Stadt zu stürmen, blokirten die Römer sie mit verschanzten Linien und einem doppelten Lager; die Eingeschlossenen, die bis 50000 Köpfe zählten, litten bald Mangel am Noth- wendigen. Zum Entsatz landete der karthagische Admiral Hanno bei Herakleia und schnitt seinerseits der römischen Belagerungsarmee die Zufuhr ab. Auf beiden Seiten war die Noth groſs; man entschloſs sich endlich zu einer Schlacht, um aus den Bedrängnissen und der Ungewiſsheit herauszu- kommen. In dieser zeigte sich die numidische Reiterei eben so sehr der römischen überlegen wie der punischen Infante- rie das römische Fuſsvolk; das letztere entschied für Rom den Sieg, allein die Verluste auch der Römer waren sehr beträcht- lich und der Erfolg der gewonnenen Schlacht ward zum Theil

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/352>, abgerufen am 17.05.2024.