Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL I. gischen Kaufleute entledigten sich des Bodenzinses, den siebisher den Einheimischen hatten entrichten müssen, was wie es scheint erst um das Jahr 300 Roms durchgesetzt ward. Dadurch ward eine eigene Ackerwirthschaft möglich. Von jeher hatten die Phoenikier es sich angelegen sein lassen ihre Capi- talien auch in Grundbesitz anzulegen und den Feldbau in grossem Massstab zu betreiben durch Sclaven oder gedungene Arbeiter; wie denn ein grosser Theil der Israeliten in dieser Art den tyrischen Kaufherren um Tagelohn dienstbar war. Jetzt konn- ten die Karthager unbeschränkt den reichen libyschen Boden ausbeuten durch ein System, das dem der Plantagenbesitzer verwandt ist; gefesselte Sclaven bestellten das Land -- wir finden, dass einzelne Bürger deren bis zwanzigtausend besassen. Man ging weiter. Die ackerbauenden Dörfer der Umgegend -- der Ackerbau scheint bei den Libyern sehr früh und wahr- scheinlich schon vor der phoenikischen Ansiedlung, vermuth- lich von Aegypten aus, eingeführt zu sein -- wurden mit Waffengewalt unterworfen und die freien libyschen Bauern umgewandelt in Fellahs, die ihren Herren den vierten Thei[l] der Bodenfrüchte als Tribut entrichteten und zur Bildu[n]g eines eigenen karthagischen Heeres einem regelmässigen [R]e- krutirungssystem unterworfen wurden. Mit den schweife[verlorenes Material - 2 Zeichen fehlen]en Hirtenstämmen (nomades) an den Grenzen währten die F[eh]den beständig; indess sicherte eine verschanzte Postenket[te] das befriedete Gebiet und langsam wurden jene zurückgedr[än]gt in die Wüsten und Berge oder gezwungen die karthagisc[he] Ober- herrschaft anzuerkennen, Tribut zu zahlen und Zuzu zu stel- len. Um die Zeit des ersten punischen Krieges [w]ard ihre grosse Stadt Theveste (Tebessa, an den Quelle[n] des Med- scherda) von den Karthagern erobert. Dies sin[d], die Städte und Stämme (ethne) der Unterthanen', die in [de]n karthagi- schen Staatsverträgen erscheinen; jenes die unf[rei]en libyschen Dörfer, dieses die unterthänigen Nomaden. -- Hiezu kam endlich die Herrschaft Karthagos über die ü[bri]gen Phoenikier in Africa oder die sogenannten Libyphoeniki[er] zu denen theils die von Karthago aus an die ganze afric[ani]sche Nord- und einen Theil der Nordwestküste geführten kle[in]eren Ansiedlungen gehörten, die nicht unbedeutend gewese[n s]ein können, da auf einmal 30000 solcher Colonisten allein [am] atlantischen Meer angesiedelt wurden, theils die beson[der]s an der Küste der heutigen Provinz Constantine und des [verlorenes Material - 1 Zeichen fehlt]eylik von Tunis zahl- reich begründeten altphoenikischen [Nie]derlassungen, zum Bei- DRITTES BUCH. KAPITEL I. gischen Kaufleute entledigten sich des Bodenzinses, den siebisher den Einheimischen hatten entrichten müssen, was wie es scheint erst um das Jahr 300 Roms durchgesetzt ward. Dadurch ward eine eigene Ackerwirthschaft möglich. Von jeher hatten die Phoenikier es sich angelegen sein lassen ihre Capi- talien auch in Grundbesitz anzulegen und den Feldbau in groſsem Maſsstab zu betreiben durch Sclaven oder gedungene Arbeiter; wie denn ein groſser Theil der Israeliten in dieser Art den tyrischen Kaufherren um Tagelohn dienstbar war. Jetzt konn- ten die Karthager unbeschränkt den reichen libyschen Boden ausbeuten durch ein System, das dem der Plantagenbesitzer verwandt ist; gefesselte Sclaven bestellten das Land — wir finden, daſs einzelne Bürger deren bis zwanzigtausend besaſsen. Man ging weiter. Die ackerbauenden Dörfer der Umgegend — der Ackerbau scheint bei den Libyern sehr früh und wahr- scheinlich schon vor der phoenikischen Ansiedlung, vermuth- lich von Aegypten aus, eingeführt zu sein — wurden mit Waffengewalt unterworfen und die freien libyschen Bauern umgewandelt in Fellahs, die ihren Herren den vierten Thei[l] der Bodenfrüchte als Tribut entrichteten und zur Bildu[n]g eines eigenen karthagischen Heeres einem regelmäſsigen [R]e- krutirungssystem unterworfen wurden. Mit den schweife[verlorenes Material – 2 Zeichen fehlen]en Hirtenstämmen (νόμαδες) an den Grenzen währten die F[eh]den beständig; indeſs sicherte eine verschanzte Postenket[te] das befriedete Gebiet und langsam wurden jene zurückgedr[än]gt in die Wüsten und Berge oder gezwungen die karthagisc[he] Ober- herrschaft anzuerkennen, Tribut zu zahlen und Zuzu zu stel- len. Um die Zeit des ersten punischen Krieges [w]ard ihre groſse Stadt Theveste (Tebessa, an den Quelle[n] des Med- scherda) von den Karthagern erobert. Dies sin[d], die Städte und Stämme (ἕϑνη) der Unterthanen‘, die in [de]n karthagi- schen Staatsverträgen erscheinen; jenes die unf[rei]en libyschen Dörfer, dieses die unterthänigen Nomaden. — Hiezu kam endlich die Herrschaft Karthagos über die ü[bri]gen Phoenikier in Africa oder die sogenannten Libyphoeniki[er] zu denen theils die von Karthago aus an die ganze afric[ani]sche Nord- und einen Theil der Nordwestküste geführten kle[in]eren Ansiedlungen gehörten, die nicht unbedeutend gewese[n s]ein können, da auf einmal 30000 solcher Colonisten allein [am] atlantischen Meer angesiedelt wurden, theils die beson[der]s an der Küste der heutigen Provinz Constantine und des [verlorenes Material – 1 Zeichen fehlt]eylik von Tunis zahl- reich begründeten altphoenikischen [Nie]derlassungen, zum Bei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0328" n="314"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. 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DRITTES BUCH. KAPITEL I.
gischen Kaufleute entledigten sich des Bodenzinses, den sie
bisher den Einheimischen hatten entrichten müssen, was wie
es scheint erst um das Jahr 300 Roms durchgesetzt ward.
Dadurch ward eine eigene Ackerwirthschaft möglich. Von jeher
hatten die Phoenikier es sich angelegen sein lassen ihre Capi-
talien auch in Grundbesitz anzulegen und den Feldbau in groſsem
Maſsstab zu betreiben durch Sclaven oder gedungene Arbeiter;
wie denn ein groſser Theil der Israeliten in dieser Art den
tyrischen Kaufherren um Tagelohn dienstbar war. Jetzt konn-
ten die Karthager unbeschränkt den reichen libyschen Boden
ausbeuten durch ein System, das dem der Plantagenbesitzer
verwandt ist; gefesselte Sclaven bestellten das Land — wir
finden, daſs einzelne Bürger deren bis zwanzigtausend besaſsen.
Man ging weiter. Die ackerbauenden Dörfer der Umgegend —
der Ackerbau scheint bei den Libyern sehr früh und wahr-
scheinlich schon vor der phoenikischen Ansiedlung, vermuth-
lich von Aegypten aus, eingeführt zu sein — wurden mit
Waffengewalt unterworfen und die freien libyschen Bauern
umgewandelt in Fellahs, die ihren Herren den vierten Theil
der Bodenfrüchte als Tribut entrichteten und zur Bildung
eines eigenen karthagischen Heeres einem regelmäſsigen Re-
krutirungssystem unterworfen wurden. Mit den schweife__en
Hirtenstämmen (νόμαδες) an den Grenzen währten die Fehden
beständig; indeſs sicherte eine verschanzte Postenkette das
befriedete Gebiet und langsam wurden jene zurückgedrängt in
die Wüsten und Berge oder gezwungen die karthagische Ober-
herrschaft anzuerkennen, Tribut zu zahlen und Zuzu zu stel-
len. Um die Zeit des ersten punischen Krieges ward ihre
groſse Stadt Theveste (Tebessa, an den Quellen des Med-
scherda) von den Karthagern erobert. Dies sind, die Städte
und Stämme (ἕϑνη) der Unterthanen‘, die in den karthagi-
schen Staatsverträgen erscheinen; jenes die unfreien libyschen
Dörfer, dieses die unterthänigen Nomaden. — Hiezu kam
endlich die Herrschaft Karthagos über die übrigen Phoenikier
in Africa oder die sogenannten Libyphoenikier zu denen theils
die von Karthago aus an die ganze africanische Nord- und
einen Theil der Nordwestküste geführten kleineren Ansiedlungen
gehörten, die nicht unbedeutend gewesen sein können, da auf
einmal 30000 solcher Colonisten allein am atlantischen Meer
angesiedelt wurden, theils die besonders an der Küste der
heutigen Provinz Constantine und des _eylik von Tunis zahl-
reich begründeten altphoenikischen Niederlassungen, zum Bei-
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