Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ZWEITES BUCH KAPITEL VIII. hundert unter den vornehmen Römern war, beweisen die Ge-sandtschaften der Römer nach Tarent, wo der Redner der Römer wenn auch nicht im reinsten Griechisch doch ohne Dollmetsch sprach, und des Kineas nach Rom. Die Wahrheit des Berichts, dass in älteren Zeiten die römischen Vornehmen ihre Kinder in Etrurien erziehen liessen, mag dahingestellt bleiben* das aber leidet kaum einen Zweifel, dass seit dem fünften Jahrhundert die jungen Römer, die sich den Staats- geschäften widmeten, durchgängig die Kunde der damaligen Welt- und Diplomatensprache sich erwarben. -- So schritt auf dem geistigen Gebiet der Hellenismus ebenso unaufhaltsam vorwärts wie der Römer arbeitete die Erde sich unterthänig zu machen und die kleineren Nationalitäten, wie die samni- tische, keltische, etruskische, verloren von zwei Seiten her bedrängt immer mehr an Ausdehnung wie an innerer Kraft. Ueber die Entwicklung der Rechtsgrundsätze und der * Es ist sehr die Frage, ob sie nicht zu den zahlreichen Fabeln ge-
hört, die die etruskisirenden Archäologen in Umlauf setzten. Wenigstens begreift sich schwer, was die römischen Knaben in Etrurien lernten, denn dass das Studium der tuskischen Sprache damals in Rom die Rolle wie jetzt bei uns das der französischen gespielt hätte, werden doch selbst die eifrig- sten heutigen Bekenner des Tages-Cultus nicht behaupten; und von der etru- skischen Haruspicin etwas zu verstehen galt noch für weit schimpflicher als derselben sich zu bedienen. ZWEITES BUCH KAPITEL VIII. hundert unter den vornehmen Römern war, beweisen die Ge-sandtschaften der Römer nach Tarent, wo der Redner der Römer wenn auch nicht im reinsten Griechisch doch ohne Dollmetsch sprach, und des Kineas nach Rom. Die Wahrheit des Berichts, daſs in älteren Zeiten die römischen Vornehmen ihre Kinder in Etrurien erziehen lieſsen, mag dahingestellt bleiben* das aber leidet kaum einen Zweifel, daſs seit dem fünften Jahrhundert die jungen Römer, die sich den Staats- geschäften widmeten, durchgängig die Kunde der damaligen Welt- und Diplomatensprache sich erwarben. — So schritt auf dem geistigen Gebiet der Hellenismus ebenso unaufhaltsam vorwärts wie der Römer arbeitete die Erde sich unterthänig zu machen und die kleineren Nationalitäten, wie die samni- tische, keltische, etruskische, verloren von zwei Seiten her bedrängt immer mehr an Ausdehnung wie an innerer Kraft. Ueber die Entwicklung der Rechtsgrundsätze und der * Es ist sehr die Frage, ob sie nicht zu den zahlreichen Fabeln ge-
hört, die die etruskisirenden Archäologen in Umlauf setzten. Wenigstens begreift sich schwer, was die römischen Knaben in Etrurien lernten, denn daſs das Studium der tuskischen Sprache damals in Rom die Rolle wie jetzt bei uns das der französischen gespielt hätte, werden doch selbst die eifrig- sten heutigen Bekenner des Tages-Cultus nicht behaupten; und von der etru- skischen Haruspicin etwas zu verstehen galt noch für weit schimpflicher als derselben sich zu bedienen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0302" n="288"/><fw place="top" type="header">ZWEITES BUCH KAPITEL VIII.</fw><lb/> hundert unter den vornehmen Römern war, beweisen die Ge-<lb/> sandtschaften der Römer nach Tarent, wo der Redner der<lb/> Römer wenn auch nicht im reinsten Griechisch doch ohne<lb/> Dollmetsch sprach, und des Kineas nach Rom. Die Wahrheit<lb/> des Berichts, daſs in älteren Zeiten die römischen Vornehmen<lb/> ihre Kinder in Etrurien erziehen lieſsen, mag dahingestellt<lb/> bleiben<note place="foot" n="*">Es ist sehr die Frage, ob sie nicht zu den zahlreichen Fabeln ge-<lb/> hört, die die etruskisirenden Archäologen in Umlauf setzten. Wenigstens<lb/> begreift sich schwer, was die römischen Knaben in Etrurien lernten, denn<lb/> daſs das Studium der tuskischen Sprache damals in Rom die Rolle wie jetzt<lb/> bei uns das der französischen gespielt hätte, werden doch selbst die eifrig-<lb/> sten heutigen Bekenner des Tages-Cultus nicht behaupten; und von der etru-<lb/> skischen Haruspicin etwas zu verstehen galt noch für weit schimpflicher als<lb/> derselben sich zu bedienen.</note> das aber leidet kaum einen Zweifel, daſs seit dem<lb/> fünften Jahrhundert die jungen Römer, die sich den Staats-<lb/> geschäften widmeten, durchgängig die Kunde der damaligen<lb/> Welt- und Diplomatensprache sich erwarben. — So schritt<lb/> auf dem geistigen Gebiet der Hellenismus ebenso unaufhaltsam<lb/> vorwärts wie der Römer arbeitete die Erde sich unterthänig<lb/> zu machen und die kleineren Nationalitäten, wie die samni-<lb/> tische, keltische, etruskische, verloren von zwei Seiten her<lb/> bedrängt immer mehr an Ausdehnung wie an innerer Kraft.</p><lb/> <p>Ueber die Entwicklung der Rechtsgrundsätze und der<lb/> Rechtspflege in der römischen Gemeinde ist wenig zu sagen,<lb/> da die wesentlichen Grundlagen beibehalten wurden, wie sie<lb/> in der Königszeit sich festgestellt hatten, die Veränderungen<lb/> aber mit der Beschränkung der Beamtengewalt und den Stän-<lb/> dekämpfen eng zusammenhängen und in deren Darstellung<lb/> schon angedeutet worden sind. Vor allem gehört hierher die<lb/> Aufzeichnung des Landrechts und die Verpflichtung der recht-<lb/> sprechenden Beamten auf den geschriebenen Buchstaben anstatt<lb/> des schwerer zu ermittelnden Herkommens (S. 303. 304). Daſs<lb/> das wesentlich Neue hiebei eben die Aufzeichnung des Weis-<lb/> thums war, ward gleichfalls schon bemerkt (S.183); doch leidet<lb/> es keinen Zweifel, daſs nicht wenige Bestimmungen neu waren<lb/> und den Zweck hatten nützliche Institutionen zu begründen<lb/> oder Miſsstände zu heben. Dahin gehören wohl ohne Zweifel<lb/> die Polizeigesetze, welche die Begräbniſsgelage und die Klag-<lb/> weiber verbieten und der Verschwendung bei Bestattungen<lb/> in dem Gebrauch von Purpurtüchern, Flötenbläsern und der-<lb/> gleichen eine Grenze setzten — zugleich merkwürdige Zeugnisse<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0302]
ZWEITES BUCH KAPITEL VIII.
hundert unter den vornehmen Römern war, beweisen die Ge-
sandtschaften der Römer nach Tarent, wo der Redner der
Römer wenn auch nicht im reinsten Griechisch doch ohne
Dollmetsch sprach, und des Kineas nach Rom. Die Wahrheit
des Berichts, daſs in älteren Zeiten die römischen Vornehmen
ihre Kinder in Etrurien erziehen lieſsen, mag dahingestellt
bleiben * das aber leidet kaum einen Zweifel, daſs seit dem
fünften Jahrhundert die jungen Römer, die sich den Staats-
geschäften widmeten, durchgängig die Kunde der damaligen
Welt- und Diplomatensprache sich erwarben. — So schritt
auf dem geistigen Gebiet der Hellenismus ebenso unaufhaltsam
vorwärts wie der Römer arbeitete die Erde sich unterthänig
zu machen und die kleineren Nationalitäten, wie die samni-
tische, keltische, etruskische, verloren von zwei Seiten her
bedrängt immer mehr an Ausdehnung wie an innerer Kraft.
Ueber die Entwicklung der Rechtsgrundsätze und der
Rechtspflege in der römischen Gemeinde ist wenig zu sagen,
da die wesentlichen Grundlagen beibehalten wurden, wie sie
in der Königszeit sich festgestellt hatten, die Veränderungen
aber mit der Beschränkung der Beamtengewalt und den Stän-
dekämpfen eng zusammenhängen und in deren Darstellung
schon angedeutet worden sind. Vor allem gehört hierher die
Aufzeichnung des Landrechts und die Verpflichtung der recht-
sprechenden Beamten auf den geschriebenen Buchstaben anstatt
des schwerer zu ermittelnden Herkommens (S. 303. 304). Daſs
das wesentlich Neue hiebei eben die Aufzeichnung des Weis-
thums war, ward gleichfalls schon bemerkt (S.183); doch leidet
es keinen Zweifel, daſs nicht wenige Bestimmungen neu waren
und den Zweck hatten nützliche Institutionen zu begründen
oder Miſsstände zu heben. Dahin gehören wohl ohne Zweifel
die Polizeigesetze, welche die Begräbniſsgelage und die Klag-
weiber verbieten und der Verschwendung bei Bestattungen
in dem Gebrauch von Purpurtüchern, Flötenbläsern und der-
gleichen eine Grenze setzten — zugleich merkwürdige Zeugnisse
* Es ist sehr die Frage, ob sie nicht zu den zahlreichen Fabeln ge-
hört, die die etruskisirenden Archäologen in Umlauf setzten. Wenigstens
begreift sich schwer, was die römischen Knaben in Etrurien lernten, denn
daſs das Studium der tuskischen Sprache damals in Rom die Rolle wie jetzt
bei uns das der französischen gespielt hätte, werden doch selbst die eifrig-
sten heutigen Bekenner des Tages-Cultus nicht behaupten; und von der etru-
skischen Haruspicin etwas zu verstehen galt noch für weit schimpflicher als
derselben sich zu bedienen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |